Kanton Luzern hat sehr hohe Tauglichkeitsquote

«Traurige Weicheier»? Das denken junge Männer über den Zivildienst

Er darf noch nicht ins Militär – will aber: Dario Popovic aus Horw lässt sich einbürgern.

(Bild: giw)

Der Druck auf junge Männer, die Zivildienst leisten, nimmt in der Schweiz stetig zu. Der Bundesrat will die Attraktivität des zivilen Ersatzdienstes schmälern und SVP-Vertreter prügeln mit Kampfrhetorik auf die Zivis ein. Doch was denken die jungen Männer in Luzern über das Thema? 

Achtung in Deckung: SVP-Nationalrat und Fallschirmgrenadier Adrian Amstutz aus Bern lässt nicht mit sich spassen, wenn es um die Armee geht. «Traurige Weicheier», «Hosenscheisser», «Pseudopazifisten» und «Schutzverweigerer» seien die jungen Männer, die sich trotz Tauglichkeit gegen die Rekrutenschule entscheiden.

Zivis seien im Ernstfall nicht bereit, die Menschen in der Schweiz zu verteidigen, schrieb Amstutz kürzlich in einem Blogbeitrag. Und der Bundesrat plant, den Zivildienst in seiner Attraktivität zu schmälern, um die Rekrutierungsprobleme der Schweizer Armee in den Griff zu bekommen. Denn die Zahlen zeigen – der Ersatzdienst in Spitälern, Altersheimen, für Non-Profit-Organisationen oder in Asylzentren erhält stetig Zulauf.

«Im Militär wird man zum Mann, dann ist Schluss mit dem ‹Schoggileben›.»

Yanick Kulli, Elektromonteur-Lehrling

Doch was denken eigentlich die jungen Männer in Luzern zum politisch aufgeladenen Thema? Was halten sie von den martialischen Anschuldigungen gegen Gleichaltrige, die statt im Dreck robben, die Rücken alter Menschen schrubben wollen? Recht hat der SVP-Politiker, findet der 18-jährige Yanick Kulli aus Beromünster, der sich im Berufsbildungszentrum auf die Abschlussprüfungen als Montageelektriker vorbereitet.

«Zivis konkurrenzieren normalen Arbeitsmarkt»

«Im Militär wird man zum Mann, dann ist Schluss mit dem ‹Schoggileben›», findet Yanick Kulli. Dort lerne man Disziplin und Ordnung. Bereits hat er die Aushebung hinter sich, er wird im nächsten Jahr die Rekrutenschule als Feuerleitsoldat in der Artillerie absolvieren.

Den Einsatz im Dienste von Alten und Kranken erachtet er nicht als sinnvoll – dadurch würden nur normale Stellen im Pflegebereich konkurrenziert. Doch der junge Mann ist die Ausnahme: Die meisten Luzerner Jugendlichen denken sehr pragmatisch, was den Entscheid zwischen Militär- und Zivildienst betrifft, wie sich in den Gesprächen herausstellt.

«Das Argument von Amstutz ist scheisse.»

Wirtschaftsmittelschüler

Für diese Haltung steht Fabio Walter aus Horw exemplarisch. Der 18-Jährige findet das Militär in den meisten Belangen «richtig unnötig». Doch im Katastrophenfall oder für die Unterstützung bei Grossanlässen sei die Armee wertvoll. Der Elektroplaner-Lehrling empfindet den Zivildienst oder auch den Zivilschutz als sinnvoll – dass man einen Beitrag für das Allgemeinwohl in der Schweiz leisten muss, begrüsst er. Wofür er sich entscheidet, sei noch offen. Er tendiert persönlich aber zum Militärdienst. Wohl im Logistikbereich, wie der junge Mann erklärt. Aber von der aggressiven Kampfrhetorik gegen Zivis hält er gar nichts.

Fabio Walter aus Horw vor dem Berufsbildungszentrum Bau und Gewerbe im Maihof-Quartier.

Fabio Walter aus Horw vor dem Berufsbildungszentrum Bau und Gewerbe im Maihof-Quartier.

(Bild: giw)

Zivildienst «zu aufwendig»

«Das Argument von Amstutz ist scheisse», findet ein Wirtschaftsmittelschüler am Hirschengraben, der seinen Namen nicht nennen möchte. Der 18-jährige WML-Student aus Kriens hält wie Walter beide Dienste am Vaterland für gleich wertvoll. Es komme darauf an, was für den Einzelnen in der jeweiligen Ausbildungs- und Berufssituation mehr Sinn mache. Dass es eine Wahlmöglichkeit gibt, hält er deshalb für richtig. Doch auch er will ins Militär, weil man dort körperlich gefordert werde.

Luzern mit überdurchschnittlicher Militärdiensttauglichkeit

Im Kanton Luzern ist die Anzahl der jungen Männer und Frauen, die zur Aushebung aufgeboten werden, rückläufig. 2015 waren es 2’458 Personen, im vergangenen Jahr noch rund 2’300. Dafür liegt die Tauglichkeitsquote für den Militärdienst deutlich über dem Schweizer Schnitt von 68,4 Prozent. Beinahe 80 Prozent der jungen Luzerner erachtet die Armee bei der Aushebung als tauglich für den Dienst. Laut Kreiskommandant Philippe Achermann gibt es dabei keine grösseren Unterschiede zwischen Stadt und Land.

Gleich nebenan lauschen auch zwei Mitstudentinnen in der Mensa am Hirschengraben dem Gespräch. Sind Männer, die als Zivis ihre Diensttage absolvieren, für sie Weicheier? «Überhaupt nicht», sagt Teresa Ettlin. Die Sarnerin findet, das müsse jeder für sich selbst entscheiden. Sie amüsiert sich aber über die Jungs in ihrem Umfeld, die zuerst grosse Töne spucken – und dann bei der Musterung einen «Abschleicher» machen. «Das finde ich echt peinlich», so Ettlin.

Noch pragmatischer ist Jan Lustenberger aus Malters. «Ich finde es einfach viel zu aufwendig die ganzen Einsätze im Zivildienst selber zu organisieren», daher streift sich der 18-jährige Montageelektriker lieber das grüne Tenue über. Und im Militär sei es lustig, man lerne viele neue Leute kennen.

Jan Lustenberger geht lieber ins Militär, als Zivildiensteinsätze selber zu organisieren.

Jan Lustenberger geht lieber ins Militär, als Zivildiensteinsätze selber zu organisieren.

(Bild: giw)

Luzerner Männer sind ausserordentlich dienstfähig

Sein «Zmittag-Gspändli» Dario Popovic musste sich bisher noch keine Gedanken machen – er wartet noch auf seine Einbürgerung. Hat er den roten Pass im Sack, geht er gerne in Achtungstellung. «Sollte es zu einer Katastrophe oder zum Krieg kommen, dann braucht die Schweiz eine Armee.»

Der Stadtluzerner mit bosnischer Nationalität lebt seit Geburt hier und ist Stolz auf die Errungenschaften der Schweiz, die er gerne bereit ist zu verteidigen. Bei seinem Arbeitgeber kenne er viele Schweizer, die das anders sehen. Sie hielten das Militär zuweilen für unnötig oder wechselten aufgrund des Jobs zum Zivildienst. Auch Popovic sagt letztlich: «Macht doch einfach, was ihr persönlich für richtig haltet.»

Fest steht – beklagen können sich die Armee und SVP-Nationalrat Amstutz nicht über die jungen Luzerner Männer. Mit gerade einmal 11,7 Prozent Untauglichkeitsquote hatte der Kanton nach Appenzell Innerrhoden 2016 den zweitniedrigsten Wert im schweizweiten Vergleich. Im Jura lag die Zahl der Dienstunfähigen bei fast 30 Prozent und in Zug bei über 22 Prozent.

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