Podium über die Zukunft des Tourismus in Luzern

Tourismus und Klimawandel: Lokale Massnahmen reichen nicht

Diskutierten mit Moderatorin Kathrina Deuber über nachhaltigen Tourismus in Luzern: Sven Kotlarski, René Dobler und Daniel Peter (von links nach rechts). (Bild: bic)

Welche Art des Tourismus ist in Luzern aus ökologischer Sicht nachhaltig und was können die Verantwortlichen dafür tun? Drei Experten sind sich einig: Griffige Massnahmen sind lokal kaum umsetzbar und wenig wirksam. Vielmehr brauche es globale Lösungen, um die Auswirkungen des Reisens auf das Klima zu reduzieren.

Diese Woche diskutieren die Mächtigen der Welt in New York, wie man des Problems des Klimawandels rasch Herr werden kann und welche globalen Lösungen es dazu braucht. Debattiert wurde am Mittwochabend auch im Kulturhof Hintermusegg in Luzern. Der Klimasünder, um den es im Expertengespräch ging: der zunehmende Tourismus am Vierwaldstättersee.

Eingeladen hatte die Luzerner Sektion des Verkehrsclubs Schweiz (VCS), welche den Mittwoch in der Stadt Luzern ins Zeichen des Klimas gestellt hatte. Es wurde darüber gefachsimpelt, wie sich der Tourismus in der Stadt Luzern vor dem Hintergrund des Klimawandels verändern wird und muss und ob es überhaupt einen klimafreundlichen Tourismus geben kann.

Was heisst überhaupt nachhaltig?

«Der Tourismus ist heute mit 7 bis 8 Prozent wesentlich für den weltweiten CO2-Ausstoss verantwortlich», sagte Sven Kotlarski, der beim Bund für die Klimaprognose 2011 bis 2018 verantwortlich war. Ins gleiche Horn stiess Daniel Peter, Dozent für Nachhaltigkeit und Ökologie an der höheren Fachschule für Tourismus in Luzern. «Wäre der Tourismus ein Staat, käme er, was seinen CO2-Ausstoss betrifft, schon bald nach den Haupttreibern USA und China.»

Probleme wie Abfall oder der vergleichsweise hohe Konsum während der Ferien kämen noch hinzu.

«Wenn man von Nachhaltigkeit spricht, darf allerdings der ökonomische Aspekt nicht ausgeblendet werden», betonte Peter. In der Schweiz trage der Tourismus gut drei Prozent zur gesamten wirtschaftlichen Wertschöpfung bei. Die Schweiz sei im globalen Ranking eine ziemlich wichtige Destination.

Mobilität und weite Reisen als Problem

Das sah auch René Dobler so. Er ist CEO der Schweizerischen Stiftung für Sozialtourismus und damit Chef der Jugendherbergen in der Schweiz. «Die Branche ist ganz klar gefordert und muss sich den veränderten Rahmenbedingungen anpassen, denn der Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.» Mit technischen Hilfsmitteln wie Schneekanonen auf den Pisten oder Klimaanlagen in den Hotelzimmern könne aktuell noch reagiert werden. «Mit drei Viertel der Emissionen ist die Mobilität ein Haupttreiber des CO2-Ausstosses im Bereich des Tourismus. Mit rund einem Fünftel schlägt die Beherbergung der Gäste zu Buche», so Dobler.

Das Problem dabei sei, dass in den kommenden Jahrzehnten vor allem die immer grösser werdende Mittelschicht in Indien und China vermehrt reisen und Mobilität nachfragen werde. «Die Frage muss also lauten: wie stellen wir uns dem?», sagte Dobler. Und Peter ergänzte: «Die effektivste Lösung wäre eine massive Verteuerung des Reisens, denn verbieten könne man es nicht.

Ökologische Auswirkungen in Luzern noch nicht spürbar

Was den Fall Luzern betrifft sei es indes so, dass man die ökologischen Folgen am Vierwaldstättersee nicht spürt. Diese seien ein globales Problem. Vielmehr seien es aktuell soziale Fragen wie die Menge der Touristen in der Altstadt. «Die Kläranlagen geben nicht den Geist auf, wenn ein paar Hunderttausend Gäste mehr nach Luzern kommen. Unsere Infrastruktur erträgt im Vergleich zu anderen Destinationen noch einiges», sagte Peter. 

«Es geht nicht um ein Businessmodell, denn reisen ist mit vielen Emotionen und Hoffnungen verbunden.»

Daniel Peter, Dozent für Nachhaltigkeit im Tourismus

Es sei generell so, dass einzelne Destinationen aus ökologischer Sicht kaum etwas zu nachhaltigerem Tourismus beitragen können, sondern nur globale Massnahmen, die über das Portemonnaie funktionieren. «Erst wenn sich der Durchschnittsbürger in Indien oder den USA einen Flug nach Europa nicht mehr leisten kann und die Europäer auf dem eigenen Kontinent Ferien machen müssen, erreichen wir langfristig etwas fürs Klima», so Peter. Deshalb gelte es für Luzern künftig die Europäerinnen abzuholen, damit man die Betten auslasten kann.

Braucht es ein neues Businessmodell?

Heisst das also, dass Luzern Tourismus das Businessmodell anpassen muss, welches unter anderem auf Reisegruppen mit bis zu 12'000 Personen abzielt? Peter verneint: «Es geht nicht um ein Businessmodell. Denn reisen ist mit vielen Emotionen und Hoffnungen verbunden. Oft geht man einfach an einen Ort, weil man glaubt, dass man unbedingt dort gewesen sein und ein Selfie gemacht haben muss.» Luzern sei eine solche Destination. Es brauche folglich einen kulturellen Wandel und man müsse sich fragen, was man unter «reisen» künftig verstehen will, so Peter.

«Auch wenn man das im Tourismus nicht gerne hört, muss es allenfalls irgendwann Einschränkungen geben. Beispielsweise, indem man keine Riesengruppen aus China mehr beherbergt. Hier liegt es an den Touristikern, sich zu bewegen», so Peters Botschaft.

Jugendherbergenchef Réne Dobler hielt es aber für wichtig, dass die negativen Auswirkungen des Tourismus nicht einfach einzelnen Hotspots wie Luzern angelastet werden. Menschen aus Indien, China und den USA würden meistens eine Reise durch ganz Europa machen. «Trotzdem kann man aber auch in Luzern nicht warten, bis 150 Millionen Chinesinnen reisen werden. Man muss jetzt reagieren und klimaschädliches Reisen zurückbinden», so Dobler. Mit den angesprochenen Massnahmen wäre dies auch für Luzern möglich.  Denn wenn man sich nur schon die Frage stellen würde, wie viel Mobilität für das Reisen notwendig ist, hätte man schon viel erreicht. Die Diskussionen werden also sowohl in Luzern wie in den Machtzentren dieser Welt noch lange weitergehen.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Roland Grueter
    Roland Grueter, 26.09.2019, 16:53 Uhr

    Luzern lebt vom Tourismus. Zehntausende von Arbeitsplätzen sind in diesem Bereich zu zählen.Verbote sind aus ökonomischen Gründen unsinnig, Restriktionen gefährlich.

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