Haustieren droht Abschuss

Tod auf der Autobahn – durch die Polizeiwaffe

Gelangen Tiere auf die Autobahn, kann es gefährlich werden. (Bild: fotolia)

Während Stunden wurde letzten Freitag auf allen Radiostationen vor einem Hund gewarnt, der zwischen Emmen und Rothenburg auf die Autobahn geraten war. Was die Hörer nicht erfahren: In der Regel bedeutet dies das Todesurteil für das Tier, es droht der Schuss aus der Polizeiwaffe. So auch in diesem Fall.

Kürzlich rettete die Luzerner Polizei ein in Not geratenes Rehkitz aus dem Würzenbach − und löste damit unter Tierliebhabern eine Sympathiewelle aus (zentral+ berichtete). Weniger Glück hatte am vergangenen Freitag hingegen ein Hund. Wie ein Augenzeuge gegenüber zentral+ schildert, erschoss die Luzerner Polizei auf der Autobahn zwischen Emmen und Rothenburg einen Appenzeller-Mischling, der über die Fahrbahn rannte.

Gemäss des Zeugen hätten sich dramatische Szenen abgespielt. Zwei Mal habe ein Polizist aus ungefähr fünf Metern Entfernung auf das Tier geschossen − es jedoch verfehlt. Erst der dritte Schuss sei ein Treffer gewesen und habe den Hund an der Hüfte verletzt, worauf das angeschossene Tier verschwunden sei. Der Mann, der dieses Szenario beobachtet hat − und selbst Hundehalter ist − zeigt sich konsterniert: Warum hat die Polizei das Tier nicht eingefangen? Was ist aus dem Hund geworden? Und: Wie kommt es, dass ein Polizist aus einer derart kurzen Distanz nicht trifft?

Gefahrenabwehr an erster Stelle

Laut Luzerner Polizei sei es keineswegs unüblich, dass Tiere auf der Autobahn erschossen werden. «Selbstverständlich versucht die Polizei vor Ort ihr Möglichstes, Tiere, die trotz der Wildschutzzäune entlang der Autobahnen auf die Fahrbahn geraten, einzufangen oder beispielsweise bei einer Werkausfahrt aus dem Gefahrenbereich zu treiben», sagt Urs Wigger, Sprecher der Luzerner Polizei. «Doch wenn das nicht innerhalb einer nützlichen Frist gelingt, wird das Tier aufgrund der Gefahrenabwehr mit einer Waffe erlegt.»

«Wir haben Wildschutzzäune entlang der Autobahnen, und ein Tier kann nicht so einfach aus dem Gefahrenbereich getrieben werden.»
Urs Wigger, Sprecher der Luzerner Polizei 

Am vergangenen Freitagmorgen sei dies der Fall gewesen, meint Wigger weiter. Damit habe man allfällige Gefährdungen verhindern wollen. Darüber, wie sich dies abgespielt hatte, unterscheiden sich jedoch die Aussagen: «Der Polizist hat insgesamt vier Schüsse abgegeben. Der Hund wurde von dreien getroffen und blieb liegen», so Wigger zum Vorwurf des Zeugen, dass der Polizist vor Ort trotz mehreren Versuchen nicht getroffen habe. Beim vierten Schuss habe es sich um einen sogenannten Fangschuss aus nächster Nähe gehandelt. Will heissen: Das bereits verletzte Tier hat den Gnadenschuss erhalten.

Anzeige gegen Hundehalterin

«Grundsätzlich stehen die Gefahrenabwehr und der Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer an vorderster Stelle, und es ist Grundaufgabe der Polizei, allfällige Folgeunfälle zu verhindern», rechtfertigt Wigger das Vorgehen der Polizei. «Wir haben Wildschutzzäune entlang der Autobahnen, und ein Tier kann nicht so einfach aus dem Gefahrenbereich getrieben werden.» Darüber, wie oft Tiere durch die Polizei erlegt werden müssen, führt die Luzerner Polizei keine Statistik. «Gemäss Einschätzungen dürfte es sich im ganzen Kantonsgebiet um vier bis sechs Fälle pro Jahr handeln», sagt Wigger.

«Meines Erachtens dürfte es schonendere Möglichkeiten geben, eines Hundes oder einer Katze habhaft zu werden.»
Sara Wehrli, Tierschutzverein des Kantons Luzern

Wie der Hund auf die Autobahn gelangte, ist der Polizei nicht bekannt. Aufgrund der Chip-Daten des Hundes konnte dessen Besitzerin im Anschluss ermittelt werden. «Sie wurde über den Vorfall informiert und es wurde ihr mitgeteilt, wo sich ihr Tier befindet, sodass sie Abschied nehmen konnte», erklärt Wigger. Sie muss nun mit einer Anzeige wegen «ungenügendem Beaufsichtigen eines Hundes» rechnen.

Alternativen sind heikel

Was sagt man seitens des Tierschutzvereins des Kantons Luzern zum Vorfall? «Bezüglich Hunden, die auf der Autobahn abgeschossen werden, sind uns keine Vorfälle bekannt», sagt Sara Wehrli. Es gäbe keine allgemeingültige Regel, wann Schiessen erlaubt oder angebracht sei. «Meines Erachtens dürfte es schonendere Möglichkeiten geben, eines Hundes oder einer Katze habhaft zu werden», meint die Tierschützerin. 

«Alternativen zum Abschuss sind heikel», präzisiert Josef Blum, Präsident des Tierschutzes Luzern. Einerseits weil das Betäuben sehr schwierig sei, da das Mittel nicht unmittelbar wirkt. «Das heisst, das Tier könnte immer noch auf die Fahrbahnen gelangen. Zudem ist die Dossierung schwer zu bestimmen», so Blum. Anderseits sei auch das Einfangen nicht einfach. Das eingeschüchterte Tier würde immer wieder fliehen und die Autobahn müsste sehr lange gesperrt werden. Bei Wildtieren käme es häufig zum Abschuss − bei Haustieren sei dies jedoch eine Ausnahme.

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