Einblick in die Arbeit der Kesb Luzern

Ständig gibt es Streit – und plötzlich sind die Kinder weg

Die Mädchen mussten mehrfach miterleben, wie der Vater ihre Mutter schlug. (Bild: Adobe Stock)

Die Kesb hat die Aufgabe, Kinder vor Schaden zu bewahren. Manchmal geht sie dabei zu weit. Ein solcher Fall wurde kürzlich vom Kantonsgericht Luzern behandelt. Er zeigt, wie schwierig es sein kann, das Richtige zu tun.

Mischt sich die Kesb zu sehr ins Privatleben der Menschen ein? Oder wird sie – im Gegenteil – erst aktiv, wenn es eigentlich schon zu spät ist? Die Kritik an der Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde ist vielfältig.

Entscheide der Kesb können vor Kantonsgericht angefochten werden. zentralplus liegen drei anonymisierte Urteile vor. Sie geben einen kleinen Einblick, mit welchen Fällen die verschiedenen Kesb im Kanton Luzern beschäftigt sind. Und wie schwierig ihre Arbeit ist.

Mehrfach war die Mutter im Frauenhaus

In dieser Geschichte geht es um zwei Schwestern, die von einem Tag auf den anderen in einer Pflegefamilie untergebracht wurden. Die beiden Mädchen erleben das, was man keinem Kind wünscht: Häusliche Gewalt. Das Familienleben ist seit Jahren geprägt von Konflikten zwischen den Eltern. Immer wieder kommt es zu lautstarkem Streit und körperlichen Gewalt zwischen ihnen.

Manchmal schreiten die beiden Mädchen – sie sind nicht viel älter als zehn Jahre – selber ein, um zu verhindern, dass der Papa die Mama schlägt. Mehrfach zieht die Mutter mit den Kindern ins Frauenhaus. Immer wieder kehrt sie zum Vater zurück.

Die Kinder sind in einem Loyalitätskonflikt. Es geht nicht spurlos an ihnen vorbei, wie der Vater die Mutter demütigt. Beide stehen kurz vor der Pubertät. Wie sollen sie in so einem Umfeld ein gesundes weibliches Selbstbewusstsein entwickeln?

Ohne Vorwarnung wurden die Kinder weggebracht

Das fragt sich die Frau, die als Beistand für die Mädchen eingesetzt worden ist. Auch die finanzielle Lage der Familie macht ihr Sorgen. Die Eltern haben aufgehört, die Krankenkassen der beiden zu bezahlen. Zahnbehandlungen mussten deswegen bereits abgebrochen werden.

Die Kesb sieht das Wohl der Kinder akut gefährdet. Weil die Eltern mildere Mittel wie eine Beistandschaft, eine Familienbegleitung oder eine freiwillige Einkommensberatung abgelehnt hatten, entschied sie, die beiden Mädchen per sofort in einer Pflegefamilie unterzubringen. Die Wegnahme der Kinder sei das einzige Mittel, um den Eltern die aktuell nötige Ruhe zur Erholung und zur Regelung ihrer Situation zu geben, so die Begründung.

Fremdplatzierung kann traumatisierend sein

Diese Argumentation hält vor dem Kantonsgericht nicht stand. Das Gericht bezeichnet sie gar als «zweifelhaften Ansatz.» Schliesslich könne die Wegnahme der Töchter die Situation zwischen den Eltern ja gerade auch verschärfen, statt die «nötige Ruhe» zu bringen. Die Fremdplatzierung sei darüber hinaus ein «sehr schwerwiegender Eingriff, der auch eine Traumatisierung» hervorrufen könne.

Bevor es zur Wegnahme der Kinder kam, wurden eine Beistandschaft, eine Familienbegleitung, eine schulergänzende Tagesbetreuung, die freiwillige Einkommensverwaltung sowie eine Suchttherapie angeordnet. Nichts brachte Erfolg.

«Die Eltern haben noch einen weiten Weg vor sich, damit mehr Ruhe und Stabilität in die Familie einkehren kann.»

Aus dem Urteil

Es sei deshalb nachvollziehbar, dass die Kesb gefordert war, einen neuen Weg zu finden und neue Massnahmen zu treffen, um die Kinder zu schützen. Dass die Fremdplatzierung aber verhältnismässig war, sei fraglich.

Zumindest gehe aus den Akten nicht hervor, weshalb die Wegnahme der Kinder derart dringlich gewesen wäre. Dass die Kesb diese dennoch ohne Anhörung der Eltern angeordnet habe, sei ein Verfahrensfehler.

Seit die Mädchen in der Pflegefamilie untergebracht wurden, ist knapp ein halbes Jahr vergangen. In dieser Zeit ist viel passiert. Die Eltern haben einer Einkommensverwaltung zugestimmt und eine Paarberatung begonnen. Der Vater macht eine Gewalttherapie und auch mit der Familienbegleitung wurde wieder Kontakt aufgenommen.

Die Eltern sind auf einem guten Weg

Mehrere Besuchstage daheim sind aus Sicht der Fachleute gut verlaufen. Zwar weigere sich die Mutter weiterhin, eine Alkoholtherapie zu machen und die positiven Veränderungen stünden erst am Anfang. «Die Eltern haben noch einen weiten Weg vor sich, damit mehr Ruhe und Stabilität in die Familie einkehren kann», heisst es im Urteil des Kantonsgerichts. Es sei aber unbestritten, dass sich sowohl die Eltern wie auch die Kinder eine Rückkehr wünschen.

Das Kantonsgericht gab dafür grünes Licht. Es sei nicht verhältnismässig, die Fremdplatzierung aufrechtzuerhalten, weil diese nur als «ultima ratio» einzusetzen sei. Das Kantonsgericht empfiehlt der Kesb zudem, einen Wechsel der Beistandsperson vorzunehmen, weil deren Verhältnis zu den Eltern heute ziemlich belastet sei.

Wie arbeitet die Kesb und wie ist die Qualität der Entscheide? Dieses Thema stellt zentralplus in den Fokus einer Artikelserie. Bisher erschienen ist ein Bericht über die umstrittene Organisation der Zuger Kesb sowie die neusten Fallzahlen in Zug. Weiter wurde über den Fall eines Luzerners berichtet, der sich erfolglos gegen einen Entscheid einer Luzerner Kesb wehrte. Und darüber, wie sich dieser Fall dank eines Vorsorgeauftrags hätte verhindern lassen. Der jüngste Artikel beschäftigt sich mit dem Fall einer Frau, die an Schizophrenie erkrankte und sich deshalb nicht mehr um ihre Kinder kümmern konnte.

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3 Kommentare
  • Profilfoto von Konrad Maya
    Konrad Maya, 06.08.2019, 20:57 Uhr

    Ich finde es gut, wenn die Kinder vor solchen Eltern geschützt und fern gehalten werden.Es sollte aber möglich sein, die Eltern zu besuchen, wenn dies die Kinder wünschen.Es ist für die Kinder so noch genug schwierig, im Erwachsnenalter zu bestehen und es besser zu machen. Ich habe dies am eignen Leib erlebt. Ich habe erst mit 20 Jahren Elternpaare erfahren- kennengelernt die zusammen funktionierten und den nötigen Respekt voreinander hatten.

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  • Profilfoto von Mantovani Doris
    Mantovani Doris, 06.08.2019, 12:49 Uhr

    Die Kesb macht nicht viel Positives!
    Ich bin total enttäuscht von der Kesb. Ich habe nicht die beste Erfahrung mit der Kesb gemacht. Mir hat diese » Organisation» mehr geschadet als genützt!

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    • Profilfoto von Mastorakis Sokrates
      Mastorakis Sokrates, 26.02.2020, 17:53 Uhr

      Früher gab es auch keine Kesb und alles funktionierte. Heute nach sechs Jahren sind 12’000 Verfügungen der Kesb, davon 42000 platzierte Kinder und 35’000 Fälle gegen die Kesb sind hängige Strafverfahren, Menschenrechte werden mit Händen und Füßen getreten usw. Mitwisser, die von an einer Straftat wissen und eine gefährdungsmeldung machen, machen sich strafbar, dies kann geandet werden kann bis zu Gefängnisstraffen sind schon ausgesprochen worden von Gerichten.

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