Wird das Wohnen im Stadtzentrum nun noch teurer?

Stadt Luzern will Wachstum nach Littau verlagern

Gutes Beispiel: Die Überbauung Neuhushof in Littau der Baugenossenschaft Matt.

(Bild: Stefano Schröter)

4’900 neue Wohnungen sollen in Luzern bis 2035 entstehen, knapp zwei Drittel davon in Littau. Denn die Stadt wächst. Neue Bauzonen will der Stadtrat aber keine schaffen, dafür mehr Quartierzentren. Es soll aber niemand im eigenen Quartier versauern oder an den Stadtrand gedrängt werden.

Die Stadt Luzern wächst: von heute knapp 82’000 bis 2035 auf insgesamt 96’000 Einwohner. Davon gehen zumindest die Behörden aus. Und mehr Menschen brauchen mehr Platz. Deshalb hat der Stadtrat am Freitag mit dem neuen Raumentwicklungskonzept dargelegt, wo die 14’000 neuen Zuzüger wohnen und arbeiten sollen (zentralplus berichtete). Damit sollen auch die Bau- und Zonenordnungen von Luzern und Littau – acht Jahre nach der Fusion – vereint werden.

Bis am 6. Februar können Interessierte zum Konzept Stellung nehmen (siehe Box). Doch zuerst muss man sich durch einen wahren Bürokratie-Dschungel kämpfen. Denn das Konzept alleine umfasst 52 Seiten und ist zumeist naturgemäss sehr abstrakt. Dazu kommt ein Erläuterungsbericht – quasi die Details – mit nochmals 81 Seiten und einem Anhang von über 60 Seiten. zentralplus hat darum die interessantesten Punkte herausgepickt und bei den Verantwortlichen nachgehakt.

Wo soll Luzern wachsen?

Bis 2035 sollen in Luzern insgesamt 4’900 neue Wohnungen entstehen – das sind jährlich 245. Für den Stadtrat ist klar, dass er der Zersiedlung entgegentreten will. «Das Wachstum soll nicht auf Kosten von zusätzlichem Land geschehen», so Baudirektorin Manuela Jost. Und das sei auch gar nicht nötig. Würden alle bestehenden Zonen optimal ausgenutzt, hätte es bereits Platz für 93’000 Menschen. Sprich: Die Stadt braucht «nur» zusätzlichen Spielraum für rund 3’000 Personen. Das will er mit Verdichtung erreichen.

Hier wird diskutiert

Die Stadt Luzern will das Feedback der Bevölkerung und organisiert darum vier Gesprächsrunden:

  • Reussbühl: Dienstag, 23. Januar, Restaurant Don Carlos
  • Littau: Mittwoch, 24. Januar, Zentrum St. Michael
  • linkes Seeufer: Montag, 29. Januar, Laboratorium
  • rechtes Seeufer: Dienstag, 30. Januar, Würzenbachsaal

Diskutiert wird jeweils von 17.30 bis 20 Uhr. Die Stadt bittet um eine Anmeldung an [email protected] bis spätestens am 12. Januar 2018.

Das grösste Potenzial für neue und verdichtete Bauten besteht in Littau. Knapp zwei Drittel der neuen Wohnungen werden in diesem Stadtteil gebaut, sagt Sarah Grossenbacher, stellvertretende Leiterin der Stadtplanung. Ein gutes Drittel im alten Stadtgebiet.

Zu wachsen ist übrigens nicht die Absicht des Luzerner Stadtrates. «Wachstum ist nicht per se ein Ziel, sondern lediglich ein Abbild der Realität», so Stadtrat Adrian Borgula. «Ein gesundes Wachstum ist aber begrüssenswert», ergänzt Manuela Jost.

Werden Wohnungen im Zentrum damit nicht noch teurer?

Wenn mehr Leute in die Stadt ziehen, im Zentrum aber nur relativ wenig neue Wohnungen entstehen, dürften diese zwangsläufig gefragter – und damit teurer – werden. Ist also zu befürchten, dass Luzerner mit kleinem Portemonnaie zunehmend an den Stadtrand gedrängt werden? «Das kann man sicher nicht so pauschal sagen», hält Baudirektorin Manuela Jost fest. Zum einen entstehe auch im alten Stadtteil neuer Wohnraum, beispielsweise beim Steghof oder im Gebiet Rösslimatt.

Das Quartierzentrum Ruopigen hat noch Potenzial, findet die Stadt.

Das Quartierzentrum Ruopigen hat noch Potenzial, findet die Stadt.

(Bild: zvg/Stefano Schröter)

Zum anderen will die Stadt mit Wohnbaugenossenschaften gegen das steigende Preisniveau vorgehen. Die Stadt ist aufgrund einer Volksabstimmung sowieso dazu verpflichtet, jährlich rund 100 neue gemeinnützige Wohnungen zu schaffen (zentralplus berichtete). Es sei also davon auszugehen, dass viele der neuen Wohnungen in diese Kategorie fallen.

Für jeden Einwohner einen Arbeitsplatz?

Zurzeit hat die Stadt Luzern ungefähr gleich viele Einwohner wie Arbeitsplätze. Natürlich zählen dazu auch viele Zu- und Wegpendler. Doch grundsätzlich will der Stadtrat dieses Verhältnis behalten. Sprich: In 17 Jahren soll es in der Stadt 15’000 Arbeitsplätze mehr geben als heute. Auch Unternehmen werden vorwiegend in Littau Platz finden. Schlicht aus dem Grund, weil dort noch entsprechende Landreserven vorhanden sind. Dazu kommt die Agglomeration an den Grenzen zu Kriens, Emmen und Horw, wo durch Neubauprojekte ebenfalls Firmen in Stadtnähe angesiedelt werden sollen.

Das Problem ist aktuell, dass es für Investoren interessanter ist, Wohnungen statt Büros zu bauen, weil diese mehr Ertrag abwerfen. Das zeigt aktuell der Fall Rösslimatt, für das die Eigentümerin SBB seit Jahren Mieter sucht – bisher erfolglos (zentralplus berichtete). Die Stadt möchte darum die reinen Arbeitsgebiete wo möglich erhalten und verdichten. Als Beispiel nennt Sarah Grossenbacher einen Teil der Tribschenstadt. «In dieser grossen, reinen Arbeitszone gibt es von der Bierbrauerei über die Fachhochschule bis zur CSS-Versicherung ganz unterschiedliche Arbeitsplätze – diese Vielfältigkeit sollte erhalten bleiben.»

«Wir können niemandem etwas befehlen. Wer auf den Pilatus will, soll auf den Pilatus.»

Adrian Borgula, Mobilitäts- und Umweltdirektor Stadt Luzern

Darüber hinaus versucht die Stadt bei ihren eigenen Grundstücken den Investoren vorzugeben, wie viele Wohnungen sie bauen dürfen, aktuell beispielsweise am Pilatusplatz. Dass die Stadt so auf Arbeitsplätzen in der Stadt beharrt, hängt auch damit zusammen, dass man weniger Verkehr will: «Gibt es in den Quartieren Arbeitsplätze, Freiraum und Freizeitmöglichkeiten, können die Pendlerströme reduziert werden», so Mobilitätsdirektor Adrian Borgula (Grüne).

Sollen die Luzerner in ihrem Quartier versauern?

Der Fokus des neuen Konzepts liegt erstmals klar auf den Quartieren. In allen Stadtteilen soll ein richtiges Quartierzentrum entstehen, wo man einkaufen, sich erholen und begegnen kann. «Das Zentrum ist das Herz des Quartiers und das Quartier der Motor für eine gute Stadtentwicklung», begründete Stadträtin Manuela Jost. Mancherorts gibt’s die bereits, andernorts funktionieren sie nicht und in einzelnen Teilen gibt es gar keine (siehe Karte). 

Kein Handlungsbedarf besteht im Bruchquartier, in der Neustadt mit dem Helvetiagärtli und im Geissensteinquartier. Ganz anders sieht die Lage beim Bahnhof Littau, beim Steghof, rund ums Kantonsspital oder in Reussbühl aus: Dort braucht es gemäss Stadtrat neue Treffpunkte.

Die Karte zeigt, welche Quartierzentren in der Stadt Luzern bereits bestehen (gelb), welche verbessert werden müssen (grün) und wo es neue braucht (rot).

Die Karte zeigt, welche Quartierzentren in der Stadt Luzern bereits bestehen (gelb), welche verbessert werden müssen (grün) und wo es neue braucht (rot).

(Bild: zvg)

Die konkrete Idealvorstellung: Niemand soll weiter als 500 Meter zu einem Lebensmittelladen, einer Apotheke oder Drogerie und einem Kindergarten gehen müssen. Adrian Borgula hofft, dass Luzern damit der «Stadt der kurzen Wege» näherkommt.

Will die Stadt also, dass alle in ihrem Quartier versauern? Borgula lacht und winkt ab. Man wolle den Städtern lediglich die Chance bieten, innerhalb des Quartiers alles Nötige vorzufinden. «Wir können niemandem etwas befehlen. Wer auf den Pilatus will, soll auf den Pilatus.» Als positives Beispiel nennt er das Helvetiagärtli in der Neustadt – eines der vorbildlichen Quartierzentren. «Seine Freizeit da zu verbringen, hat nichts mit Versauern zu tun.»

Wie kann man überhaupt mitreden?

Die Stadt will nun bis im Februar Rückmeldungen sammeln, von Fachverbänden und aus der Bevölkerung. Sich seitenweise durch Konzepte zu kämpfen, ist nicht jedermanns Sache. Das ist auch den Verantwortlichen der Stadt bewusst.

«In den Quartieren spielt das Leben. Die Leute wissen viel besser, was es braucht, als wir im Büro.»

Manuela Jost, Baudirektorin Stadt Luzern

Manuela Jost und Sarah Grossenbacher raten Interessierten daher, sich konkret die Schritte in ihrem jeweiligen Quartier anzuschauen. Im Erläuterungsbericht findet man zu jedem Quartier eine kurze Analyse und die angedachten Schritte für die Zukunft. «Vielleicht fällt einem etwas auf, das nicht gut ist, oder das man anders besser machen könnte», sagt Jost. Sie betont, wie wichtig diese Feedbacks aus der Bevölkerung sind. «In den Quartieren spielt das Leben. Die Leute wissen viel besser, was es braucht, als wir im Büro.»

Im Februar will der Stadtrat das Konzept aufgrund der Feedbacks überarbeiten, im Juni soll es dem Stadtparlament vorgelegt werden.

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