Erste Ergebnisse der externen Untersuchung

Spange Nord: Bewohner fühlen sich abgehängt und übergangen

Die Anwohner wehren sich beim Maihofschulhaus gegen die Spange Nord.

(Bild: les)

An einem Info-Anlass orientierten die Verantwortlichen der Spange Nord am Mittwochabend Anwohner über die ersten Erkenntnisse der Machbarkeitsstudie. Neues gab es aber nicht zu vermelden, die alten Favoriten sind die neuen. Es bleibt die grosse Enttäuschung und Wut der Anwohner über das Vorgehen des Regierungsrates.

Wie weiter mit der Spange Nord? Erste Antworten auf diese Fragen gab es am Mittwochabend im Zentrum MaiHof in Luzern an einer Info-Veranstaltung. Vor Vertretern der Quartiere und der Stadt, Verbänden sowie potentiellen Anwohnern des Megaprojekts präsentierten die Projektleiter um Kantonsingenieur Rolf Bättig erste Erkenntnisse aus der Machbarkeitsstudie.

Der Kantonsrat hatte im vergangenen Mai 6,5 Millionen Franken gesprochen, damit verschiedene Varianten entwickelt und bewertet werden – darunter auch ein Verzicht auf die Spange. Insgesamt 43 unterschiedliche Lösungsvorschläge lagen letztlich auf dem Tisch, von denen nun sechs in die nächste Projektphase mitgenommen werden (zentralplus berichtete). Zudem verlangte der Kantonsrat den Einbezug aller vom Projekt betroffenen Gruppen und eine entsprechende Kommunikation.

Die neuen Favoriten sind die alten

Dabei kristallisierten sich an der Info-Veranstaltung drei Projekte heraus, die den Anforderungen bezüglich Umweltverträglichkeit, Verkehrsentlastung und Kosten-Nutzen-Verhältnis am besten gerecht werden. Es zeigte sich rasch, dass die zwei Varianten, die schon seit Beginn diskutiert werden, wohl die grössten Chancen auf eine Realisierung haben.

Will heissen: eine Spange Nord mit Fluhmühlebrücke und einer teilweise oder kompletten Überdeckung. Eine komplette Untertunnelung, die zweite Lösung, wäre zwar machbar, würde die Kosten aber in die Höhe treiben, da ein drei- oder vierspuriger Tunnel gebaut werden müsste, um die nötige Kapazität zu erhalten. Eine solche Tunnellösung wird vom Projektteam daher als sehr kritisch betrachtet. Ausser man würde den Verkehr vom Schlossberg zum Sedel nicht durch den Tunnel, sondern oberirdisch führen.

Die dritte Möglichkeit, ein kompletter Verzicht auf die Spange, wird zwar ebenfalls weiterhin analysiert, scheint aber wenig Chancen zu haben sich durchzusetzen. Denn ohne Spange würde es zu Überlastungen der Autobahnanschlüsse, den anderen Zubringerstrassen der Stadt und folglich zu negativen Auswirkungen auf den ÖV kommen, so die Vermutung der externen Planer.

Drängende Fragen blieben unbeantwortet

Viel Neues bekamen die Anwesenden trotz ausschweifender Analysen und theoretischen Erklärungen also nicht zu hören. Entsprechend aufgeladen war die Stimmung am Ende der gut einstündigen Präsentation.

So kam die Frage auf, wieso der Verkehr überhaupt bis zum Schlossberg geführt werden muss und nicht schon früher abgefasst werden könne. Zum Beispiel im Gebiet Buchrain. «Der Auftrag der Politik war nur auf den besprochenen Perimeter ausgelegt, deshalb sind sonstige Alternativen nicht in die Beurteilung eingeflossen», sagte Martin Buck, Chef des zuständigen Ingenieurbüros lapidar.

«Es ist nun zu spät, die Messsonde noch ins Quartier zu halten.»

Felix Kaufmann, Mediensprecher der Gegenbewegung

Doch die Frage hatte Zündstoff, wie das nächste Votum zeigte. «Was versteht die Projektleitung unter dem Begriff Stadtzentrum?», fragte ein Anwohner. Denn für die Menschen, die im Gebiet um den Maihof leben, sei das Quartier ein Teil des Zentrums. Und die Entlastung der Innenstadt sei schliesslich das Ziel des ganzen Projektes. Darauf hatte keiner der drei Referenten eine passende Antwort parat. Es folgten zehn Sekunden betretenes Schweigen.

Ebenso wenig konnte die Projektleitung eine Antwort auf die Frage von Anwohner und Grünen-Kantonsrat Urban Frye geben, was nun die nächsten Schritte beim Einbezug der Bevölkerung seien. Es wurde lediglich auf die nächste Infoveranstaltung von Mitte April verwiesen, wenn die nächste Phase des Projekts abgeschlossen sein soll.

Enttäuschung und Wut bei den Anwohnern

Entsprechend enttäuscht zeigte sich Felix Kaufmann, Mediensprecher der Gegenbewegung, nach der Veranstaltung. «Ich habe nie daran geglaubt, dass die Kantonsregierung tatsächlich den Dialog mit der Bevölkerung sucht. Dies hat sich heute Abend leider bestätigt.»

Kaufmann ist der Ansicht, dass der Zug definitiv abgefahren ist. «Das Projekt ist viel zu weit gediehen. Es wird mit dem Bypass argumentiert und es geht um die Abstimmung mit weiteren grossen Projekten», so Kaufmann. «Es ist nun zu spät, die Messsonde noch ins Quartier zu halten.»

«Es handelt es sich um eine rein technische Lösung wo die Maschine ins Zentrum gerückt, der Mensch aber in keiner Weise beachtet wird.»

Frank Achermann, Quartierverein BelHaLü

«Ich habe keine grossen Hoffnungen mehr, dass wir uns noch irgendwie einbringen können.» Die Studie kommt für Kaufmann einer Alibiübung gleich: «Die bürgerlichen Parteien können damit das Wahlthema entschärfen, indem sie sagen, dass verschiedene Varianten geprüft werden, obwohl eigentlich schon vieles entschieden ist.» Alle, die den kantonsrätlichen Auftrag zum Miteinbezug der Anwohnerinnen wörtlich nahmen, seien heute bitter enttäuscht worden, so sein Fazit. 

Glaubt nicht mehr an einen Dialog: Felix Kaufmann.

Glaubt nicht mehr an einen Dialog: Felix Kaufmann.

Ins gleiche Horn stiess Urban Frye: «Man muss dem Regierungsrat zugute halten, dass er alle Möglichkeiten prüfen lässt und den ganzen Prozess durchläuft.» Es habe sich jedoch klar gezeigt, dass dies alles komplett unter Ausschluss der Quartierbewohner geschehen soll.

«Die Bevölkerung wird zwar regelmässig informiert, aber nicht miteinbezogen», so die Kritik. Es sei ganz klar eine Nichterfüllung des kantonsrätlichen Auftrages. «Ich habe das Gefühl dass die Verantwortlichen nicht verstanden haben, was damit gemeint war», sagte Frye.

«Die Leute haben Angst»

Scharfe Kritik am Vorgehen äusserte auch Frank Achermann, Verkehrsdelegierter des Quartiervereins BelHaLü. «Bei diesem Projekt handelt es sich um eine rein technische Lösung, wo die Maschine, also das Auto, ins Zentrum gerückt, der Mensch aber in keiner Weise beachtet wird.»

Es sei ständig von kürzerer Reisezeit und freier Fahrt gesprochen worden, ohne ein einziges Mal die Frage nach der Lebensqualität der Menschen im Umfeld der Spange zu stellen, so Achermann. «Dies scheint den Verantwortlichen offenbar egal zu sein. Eine Denkweise aus den 1970er-Jahren», lautet die Message Richtung Projektleitung und Regierungsrat.

Und Marius Fischer von der Gegenbewegung ergänzte. «Wir wollen miteinbezogen werden. Denn die Leute haben Angst und es geht hier auch um Existenzfragen», so sein Appell an die Regierung. Die Stadt und der Kanton müssten jedenfalls wissen, dass die Bewegung im nächsten Jahr Vollgas geben und aufzeigen werde, dass es so wie es jetzt läuft, nicht gehe.

Luzern kann sich also schon einmal auf spannende und sehr emotionale Debatten einstellen. Die definitiven Ergebnisse der externen Überprüfung sollen im Herbst 2019 vorliegen.

«Die Leute haben Angst»: Marius Fischer äussert scharfe Kritik am Regierungsrat.

«Die Leute haben Angst»: Marius Fischer äussert scharfe Kritik am Regierungsrat.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Felix Kaufmann
    Felix Kaufmann, 24.01.2019, 08:46 Uhr

    Guter, sachlicher Artikel – herzlichen Dank!
    Die Spange Nord ist für uns Betroffene in erster Linie brachiale Gewalt an den Quartieren; sie werden damit nachhaltig zerstört. Das macht sie für uns auch zu einer höchst emotionalen Sache! Aber an diesem Abend sollte es nach dem Willen des Kantonsingenieurs nicht um Emotionen gehen. Lieber lässt er eine Stunde lang Consultants über die vielen technischen und hochkomplizierten Herausforderungen und machtbare und nicht machbare Varianten sprechen (33 Folien!). Allerdings, mit zwei, drei fachlich fundierten Fragen aus dem Publikum wurde dann auch schnell klar, hier macht ein Ingenieurbüro aus einer sensiblen und politisch umstrittenen Vorlage einen Sachzwang, indem ehrlich zugeben wird, dass wirkliche alternative Varianten nicht geprüft werden sollen. Beispiele: Die «Verkehrsentlastung im Zentrum Luzerns», wie ein Teil des Auftrags lautet, erstreckt sich praktisch nur auf die Seebrücke. Dass der Schlossberg auch zum Zentrum gehört, nehmen die Consultants verwundert zur Kenntnis. Die vorgestellten Varianten gehen nur von einer Umlegung bestehenden Verkehrsströme aus, wohl aus Kostengründen, wie ein junger Teilnehmer aus dem Publikum einwendet. Es wird überhaupt nicht berücksichtigt, dass die Spange mehr Verkehr generiert und damit z.B. den ÖV weniger attraktiv macht, usw.
    So bleibt der Fokus auf den eingeschränkten Perimeter (Fluhmühlebrücke – Friedentalhochleistungstrasse – Schlossbergknoten) beschränkt, eine andere Optik, die z.B. von einer Verkehrsplanung im Grossraum Luzern ausgeht, ist nicht Teil des Auftrags, wie der Kantonsingenieur bestätigt.
    Fazit: Der Regierungsrat lässt sich mit viel Mittel ein Weissbuch erstellen, damit er der Stimmbevölkerung die Spange Nord als technisch beste Variante verkaufen kann. Eine PR-Agentur brächte das auch hin – aber vielleicht kommt das ja noch!

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