Zuger Sexualpädagogin gibt Tipps für besorgte Eltern

So sprichst du mit deinen Kindern über Pornos, Sexting und Co.

Mit dem eigenen Smartphone ist der Klick auf den Mainstream-Porno nicht weit entfernt. (Symbolbild: Adobe Stock)

«Generation Porno» – fast jedes zwölfjährige Kind in der Schweiz besitzt ein Handy. Im Internet ist der Klick zum Mainstream-Porno nicht weit. Eine Zuger Sexualpädagogin gibt Tipps, wie Eltern ihre Kinder über Porno und Sexting aufklären.

Jugendliche werden verzeigt, weil sie Pornofilme an ihre Kameraden weiterschicken, weil sie es «lustig und grausig» finden.

Die 13-jährige Céline nahm sich das Leben, nachdem sie ihrem Freund Nacktbilder von sich schickte. Dieser leitete das Bild Célines Ex-Kollegin weiter, die sich darüber lustig machte, das Nacktbild mit ihren Freunden teilte.

Mit der Digitalisierung machen sich grausame Felder auf, die Eltern ihren Kindern ersparen möchten: Cybermobbing, Gewaltdarstellungen und Pornos. Im zentralplus-Listicle zeigen wir Eltern, wie sie ihre Kinder schützen und mit ihnen über Themen wie Pornos, Sexting und Co. sprechen können.

1. Mit deiner Sorge bist du nicht alleine

Wenn es um Themen wie Pornos und Sexting geht, sind die meisten Eltern besorgt um ihre Kinder. Das zeigte sich auch bei einem Workshop in Zug, der vom Amt für Gesundheit organisiert wurde. «Die Eltern möchten ihre Kinder begleiten und unschöne Erfahrungen vermeiden», sagt die Fachmitarbeiterin* der Kinder- und Jugendgesundheit Zug, die den Workshop leitete.

Viele sind sich unsicher, in welchem Alter sie ihre Kinder auf solche Themen ansprechen sollen – und wie. «Gerade wenn Kinder von sich aus keine Fragen stellen.» Solche Sorgen zu haben, ist also vollkommen normal.

2. Diese Rolle spielen Eltern bei der Aufklärung – trotz zunehmender Digitalisierung

Wir sprechen von der Generation Z, Digital Natives, aufgewachsen an der digitalen Nabelschnur. Die meisten Kinder ab zwölf Jahren (laut der James-Studie sind es in der Schweiz 97 Prozent) besitzen bereits ein Handy. Durch Google, Youporn und Co. scheint es, als ob sich Kinder heutzutage beinahe selbst aufklären könnten.

«Eine gute Sexualaufklärung ist nach wie vor wichtig, wenn nicht sogar wichtiger denn je.»

«Eine gute Sexualaufklärung ist nach wie vor wichtig, wenn nicht sogar wichtiger denn je», sagt die Sexualpädagogin. Denn wenn ein Kind nach Sex googelt, wird es auf den ersten Seiten wohl kaum gute Aufklärungsseiten finden, sondern tendenziell eher schnell auf einen Mainstream-Porno stossen.

Laut der Sexualpädagogin spielen die Eltern bei der Aufklärung eine zentrale Rolle. Sie sind die ganze Basis, wenn es darum geht, wie man über den eigenen Körper spricht, die Sexualität, die eigenen Gefühle und Grenzen. «Im besten Fall haben Eltern bereits im Kleinkindalter Namen für die Geschlechtsteile vermittelt.» Ab dem Kindergartenalter sollen Kinder auch die offiziellen Bezeichnungen wie Penis und Vulva kennen. So können auch körperliche Grenzen thematisiert werden.

Doch gerade wenn die Kinder in die Pubertät kommen, sind die Eltern wohl die letzten, mit denen man über Gefühle wie Verliebtsein, Sex und Co. sprechen will. Das streitet auch die Sexualpädagogin nicht ab. «Eltern sollen deshalb unbedingt die Zeit vor der Pubertät nutzen. Also immer wieder mit ihren Kindern über Körper, Liebe und Sexualität sprechen.»

3. Darum solltest du mit deinen Kindern über Pornos reden

Über Porno und Sexting zu reden, kann nicht nur für die Eltern, sondern auch für die Kinder entlastend sein. Kinder können das Gesehene besser einordnen und verarbeiten, wenn sie davon schon gehört haben, Worte und Begrifflichkeiten kennen. Und damit sie zwischen positiven und negativen Gefühlen unterscheiden können – etwa Erregung oder Ekel.

Teenager wissen oftmals nicht, dass sie sich beispielsweise strafbar machen, wenn sie illegale oder auch legale Pornos Klassenkameraden zeigen (siehe auch Punkt 8). Das untermauern Zahlen aus Zürich: Letztes Jahr wurden so viele Teenager wie noch nie wegen Pornografie und Gewaltdarstellungen verzeigt. 2019 wurde gegen 278 Jugendliche ein Strafverfahren wegen Pornografie eröffnet, berichtete der «Tagesanzeiger». Das sind dreimal so viele wie im Vorjahr.

«Über die Gesetzeslage ist auf beiden Seiten viel Unwissen da», sagt auch die Sexualpädagogin. Kinder müssen also auch über Gesetze aufgeklärt werden.

Neue Zuger Veranstaltungsreihe

Die Veranstaltungsreihe «Sicher und entspannt durch die digitale Welt» thematisiert offene Fragen und Ängste von Eltern, Kindern und digitalen Einsteigern. Organisiert werden die Veranstaltungen von der Stadtbibliothek Zug. Die nächste Veranstaltung findet am 26. September statt, wo es ums Thema Smartphone-Support von Jugendlichen geht. Am 10. November wird Cybermobbing thematisiert, am 25. Februar Prävention im Bereich digitale Medien. Mehr Infos findest du hier.

Zudem bietet die Kinder- und Jugendgesundheit des Kantons Zug Klassenworkshops sowie Fortbildungen für Lehrpersonen zum Thema «Internet & Sexualität» an. Infos dazu findest du hier.

Kinder sollen wissen, dass sie jederzeit ihre Eltern zu Fragen rund um das Thema Sexualität ansprechen können. Ist diese Offenheit und Vertrauensbasis da, würden Kinder auch eher ihre Eltern aufsuchen, wenn ihnen etwa ein Gewaltporno gezeigt wurde, der sie verunsichert.

Die Sexualpädagogin findet: Kinder kann man kaum verstören, wenn man sie auf Porno und Co. anspricht. Sie zieht einen Vergleich zur Menstruation. «Verstört es ein Mädchen nicht viel mehr, wenn es unverhofft die Periode bekommt und plötzlich Blut in ihrer Unterhose entdeckt?» Ganz anders sei es, wenn es davor über die Menstruation aufgeklärt wurde, die erste Periode erwartet und auch Worte dafür hat.

4. So sprichst du dein Kind über Pornos an

Eltern sollen ihre Kinder immer wieder altersgerecht aufklären. «Es reicht nicht ein einmaliges Aufklärungsgespräch, wenn das Kind 11 Jahre alt ist.» Themen – wie auch Porno und Sexting – sollten immer wieder thematisiert, dann wieder eine Zeit lang in Ruhe gelassen werden. Ideal sei es, sich mit Kindern über Pornos zu unterhalten, bevor diese per Zufall auf einen Porno stossen. Also bevor das Kind ungefähr das zwölfte Altersjahr erreicht hat.

Denn laut der James-Studie hat sich bereits unter den 12- bis 13-Jährigen jedes fünfte Kind Pornofilme auf dem Handy oder dem Computer angeschaut.

Den Eltern kann ein solches Gespräch genauso peinlich wie ihren Kindern sein. Es helfe, das anzusprechen: «Dir ist das vielleicht ein wenig peinlich, mir auch. Aber mir ist es wichtig, mich mit dir darüber auszutauschen.» Es hilft, das nicht frontal am Tisch zu tun, wo man sich gegenübersitzt. Sondern eher bei einem Spaziergang oder beim Karotten-Raffeln, wo man dem Blick des Gegenübers auch ausweichen kann.

Möglich sei es, das Gespräch folgendermassen zu beginnen: «Es kann sein, dass du im Internet Dinge siehst oder dass dir jemand einen Film zeigt, der nicht für Kinder gemeint ist. Weisst du, was ich meine? Es sind Filme, in denen Menschen nackt – füdliblutt – gezeigt werden. Du kannst die Geschlechtsteile, die Vulva und den Penis erkennen. Die Menschen haben Sex. Diesen Filmen sagt man Pornos.»

«Zwei, drei Botschaften zu platzieren, ist völlig in Ordnung.»

Diese Filme können unterschiedliche Gefühle auslösen – von einem Kribbeln, bis zu Erregung, aber auch Ablehnung oder Ekel. Eltern sollen ihre Kinder auch über harte, illegale Pornos, in denen Gewalt oder Sex mit Tieren gezeigt wird, aufklären, damit diese sich nicht unwissentlich strafbar machen (siehe Punkt 8).

«Wenn man merkt, dass das Kind nicht darüber reden will, sollte man ein ausführliches Gespräch auch nicht erzwingen», so die Sexualpädagogin. «Aber zwei, drei Botschaften zu platzieren, ist völlig in Ordnung. Wem offene Worte schwerer fallen, kann seinem Kind Aufklärungsbücher geben oder warum nicht auch mal einen Brief schreiben.»

5. So können Mainstream-Pornos deine Kinder beeinflussen

Genauso wichtig ist es, Jugendlichen zu sagen, dass in einem Pornofilm Schauspielerinnen und Schauspieler zu sehen sind. Dass es Pornodarsteller sind, die nach einem Drehbuch agieren. Dass Pornofilme nicht realen Sex zeigen.

Denn: «Mainstream-Pornos vermitteln trotz aller Deutlichkeit ein realitätsfernes Bild», sagt die Sexualpädagogin. Ungünstige Vorstellungen, wie Genitalien auszusehen haben – die Rede ist von «Designer-Mösen» und «Barbie-Vaginas» (zentralplus berichtete).

Heikel ist zudem, dass die meisten der heutigen Mainstream-Pornofilme Gewaltdarstellungen und ein abwertendes Frauenbild sowie ein negatives Männerbild enthalten. «Etwa ein grobes Anfassen, an den Haaren reissen, grober Oralverkehr bis hin zu Würgen und ins Gesicht ejakulieren.»

«Es fehlt an positiven Vorbildern – denn man kann ja nicht ins Schlafzimmer von echten Menschen reinschauen.»

Und natürlich die starre Rollenteilung: Der Mann, grob und rücksichtslos. Die Frau, gefügig und zu allem bereit. «Es kann bei Jugendlichen das Bild entstehen, dass sich Paare beim Sex wirklich so verhalten», so der Kommentar der Sexualpädagogin. Die ganzen Gespräche, Absprachen beim Sex aber auch Pannen werden rausgeschnitten. «Es fehlt an positiven Vorbildern – denn man kann ja nicht ins Schlafzimmer von echten Menschen reinschauen.»

Sie beruhigt zugleich: «Nur weil viele Mainstream-Pornos im Internet kursieren, heisst das nicht, dass das Gesehene 1:1 in Partnerschaften oder im Bett umgesetzt wird.» Abhängig sei das davon, ob ein Kind eine positive Sozialisierung erlebt hat. Also ob ihm ein liebevoller und respektvoller Umgang mit dem Gegenüber beigebracht wurde, wo auch gegenseitige Grenzen respektiert werden. Jugendliche würden so eher auf ihre Gefühle hören, diesen vertrauen und sich etwa beim Sex wehren. Nein sagen, wenn ihnen etwas unangenehm ist und sie etwas – wie eine bestimmte Sexualpraktik – nicht wollen.

Zudem gibt es Alternativen. Sogenannte feministische Pornos, in denen Paare respektvoll miteinander umgehen. Pornos, in denen nur einvernehmlicher Sex und Sexualpraktiken gezeigt werden. Szenen, in denen auch mal gelacht und gesprochen wird.

Also wäre es gar nicht mal so verkehrt, seinem Sohn oder seiner Tochter auf den 16. Geburtstag ein Abonnement einer solchen female Porno-Plattform anbieten? «Stichwort 16 Jahre find ich gut», sagt die Sexualpädagogin und lacht. «Das ist durchaus eine Überlegung wert, ja.»

6. Warum du deinem Kind das Porno-Schauen nicht verbieten solltest

Man könnte es sich aber auch ganz einfach machen und dem Kind verbieten, Pornos anzuschauen.

«Verbote sind ungünstig», sagt die Sexualpädagogin. Viele Jugendliche interessieren sich für Sex und Pornos, das belegen auch diverse Studien.

Ein Verbot stehe Jugendlichen im Weg, um ihre eigene Sexualität entfalten zu können, sagt die Sexualpädagogin. «Wenn Eltern ihren Kindern etwas verbieten, wofür sie sich interessieren, können diese den Eindruck bekommen, dass mit ihren Interessen und ihrer Sexualität etwas nicht in Ordnung wäre.»

7. Sexting: Der Liebesbeweis geht auch anders

Sexting – also das Verschicken von Nacktbildern und -Videos – ist bei den Jugendlichen wie auch Erwachsenen zunehmend beliebt. «Dem Freund oder der Freundin ein Nacktfoto von sich zu schicken gilt als ultimativer Vertrauens- und Liebesbeweis, gerade weil es so gefährlich ist», so die Sexualpädagogin.

Gefährlich wird es, wenn etwa die Beziehung in die Brüche geht und der Ex-Freund die Bilder weiterschickt. «Wird ein solches Foto missbräuchlich herumgeschickt oder jemand damit sogar erpresst, sollte die betroffene Person auf keinen Fall für seine Gutgläubigkeit verurteilt werden.» Es brauche grosse emotionale Unterstützung und eine professionelle Beratung, am besten bei der kantonalen Opferberatung.

Die Sexualpädagogin empfiehlt Eltern, Kinder über die Gesetzeslage und alternative Möglichkeiten, seinem Freund oder seiner Freundin seine Liebe zu beweisen, aufzuklären.

8. Das ist illegal: So sieht die Gesetzeslage aus

Wer mit pornografischen Inhalten in Kontakt kommt, sollte auch die Gesetzeslage in der Schweiz kennen.

Der Jugendschutzartikel (Art. 197 Abs. 1 StGB) schreibt vor: Es ist verboten, einer Person unter 16 Jahren pornografisches Material zugänglich zu machen. Das heisst: Pornos – auch legale – dürfen Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren weder gezeigt noch geschickt werden.

Verboten sind laut dem Schweizer Strafrecht zudem folgende drei Formen von Pornografie (Art. 197 Absatz 4 und 5 StGB):

  • Sexuelle Darstellungen mit Kindern unter 18 Jahren
  • Sexuelle Darstellungen mit Tieren
  • Sexuelle Darstellungen mit Gewalttätigkeiten

Pornofilme, die diese Darstellungen enthalten, dürfen nicht angefertigt, erstellt, verbreitet, besitzt und auch nicht konsumiert werden. Wer auf derartige Angebote im Internet stösst, wendet sich in einem solchen Fall an das Bundesamt für Polizei fedpol (geht auch anonym über das Meldeformular).

Beim Sexting wichtig:

Jugendliche unter 18 Jahren können sich selber strafbar machen, wenn sie von sich selbst Nacktbilder oder -videos herstellen. Mit einer Ausnahme: «Minderjährige von mehr als 16 Jahren bleiben straflos, wenn sie voneinander einvernehmlich Gegenstände oder Vorführungen im Sinne von Absatz 1 herstellen, diese besitzen oder konsumieren.» (Art. 197 Absatz 8 StGB). Wenn also Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren sexualisierte Aufnahmen von sich selbst herstellen und sich gegenseitig zusenden (Sexting), aber diese Aufnahmen nicht an Dritte weitergeben, bleiben sie straflos. Das Gesetz sieht diese Ausnahme vor, um eine bestimmte Gruppe von Jugendlichen nicht zu kriminalisieren.

Mehr Infos zur Gesetzeslage findest du hier.

*Hinweis: Sie bevorzugte es, nicht namentlich genannt zu werden.

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