Das sind die neuen 10 Massnahmen

So rüstet sich der Kanton Zug gegen häusliche Gewalt

Auch Kinder leiden extrem, wenn es in einer Familie zu häuslicher Gewalt kommt. (Symbolbild: Adobe Stock)

Der Kanton Zug geht mit einer Reihe neuer Massnahmen gegen häusliche Gewalt vor. Damit will er vor allem verhindern, dass gewalttätige Personen in den eigenen vier Wänden erneut zuschlagen.

Wenn das eigene Zuhause zum gefährlichsten Ort wird: Häusliche Gewalt ist ein Dauerthema. 2018 verzeichnete die Zuger Polizei einen Höchststand im Vergleich zu den vorangegangen fünf Jahren. Damals musste die Polizei 439 Mal wegen häuslicher Gewalt ausrücken – also alle 20 Stunden einmal. Und mit Ausbruch der Corona-Pandemie rechneten viele Expertinnen damit, dass diese Zahlen zunehmen könnten (zentralplus berichtete).

Dagegen wollte der Kanton Zug angehen. Vor zwei Jahren hat die Sicherheitsdirektion nach dem massiven Anstieg ein Projekt gestartet, um häusliche Gewalt besser zu bekämpfen. Das oberste Ziel: Rückfälle gewalttätiger Personen in den eigenen vier Wänden «maximal zu verhindern». Der Kanton spricht dabei von einer «maximalen Rückfall-Prävention».

Doch wie will er Wiederholungstaten möglichst verhindern? Das sind die Massnahmen, die der Kanton Zug getroffen hat:

Neue Massnahmen bei der Zuger Polizei

Nach Interventionen: Polizei bleibt in Kontakt mit Opfer und Täter

Die Fachstelle Häusliche Gewalt der Zuger Polizei wurde auf 200 Stellenprozente aufgestockt. Dadurch ist es den Polizisten neu möglich, bei allen Fällen häuslicher Gewalt und nach polizeilichen Interventionen mit den involvierten Parteien Kontakt aufzunehmen. Jährlich rechnet der Kanton Zug dabei etwa mit 800 Telefonaten. «Dadurch ist zumindest eine kurzzeitige Nachbetreuung der Opfer und der Beschuldigten sichergestellt», schreibt die kantonale Sicherheitsdirektion im Schlussbericht. Im Idealfall will der Kanton so drohende Rückfälle frühzeitig erkennen und entschärfen.

Frühere und vermehrte Interventionsgespräche

Die Zuger Polizei kann eine gefährdende Person schriftlich ermahnen, vorladen oder mit ihr ein informatives Gespräch führen. Diese sogenannte «Präventivansprache» soll bei häuslicher Gewalt noch mehr zum Zuge kommen. Nämlich «früher, häufiger und nicht nur bei einigen wenigen Extremfällen».

Polizistinnen werden sensibilisiert

Wie die Sicherheitsdirektion im Zwischenbericht schreibt, sei die Arbeit im Bereich häuslicher Gewalt «nicht einheitlich ausgeführt» und die Tätigkeit der Fachstelle Häusliche Gewalt innerhalb der Zuger Polizei «oft nicht richtig eingeordnet» worden. Deswegen war es nun Ziel, ein besseres Bewusstsein innerhalb der Zuger Polizei für die Thematik zu schaffen.

So werden alle Mitarbeiter für diese Arbeit sensibilisiert und geschult. Ein neu entwickelter, spezifischer Leitfaden unterstützt Polizistinnen, wenn sie zu Fällen von häuslicher Gewalt ausrücken. Dieser Leitfaden unterstützt aber auch sämtliche Mitarbeiter, die mit häuslicher Gewalt zu tun haben.

Die entsprechende Fachstelle soll «regelmässig, mindestens jährlich» die Polizei aufsuchen und ihre Sicht auf die Zusammenarbeit rund um Repression und Prävention schildern. Die Fachstelle soll auch direkt Einfluss auf die Praxis beim Umgang mit Fällen häuslicher Gewalt nehmen.

Was führt zu häuslicher Gewalt? Eine Ursachenanalyse soll helfen

Was führt denn eigentlich zu Gewalt in den eigenen vier Wänden? Die Zuger Polizei ging dieser Frage nach. Sie prüfte, ob sie die häufigsten Ursachen analysieren kann, wenn sie zusätzliche Parameter erhebt. Es ist laut Zwischenbericht möglich, dass die Polizei dies künftig tut und Ursachenanalysen erstellen kann. Die Massnahme wird jedoch noch nicht umgesetzt.

1000-Franken für freiwillige Gewaltberatung

Nicht alle der angedachten Massnahmen werden umgesetzt. Die Sicherheitsdirektion testete in einem Pilotversuch, ob sie gewalttätige Personen dazu motivieren kann, freiwillig eine Gewaltberatung aufzusuchen. Dies, indem sie bis zu 1000 Franken der Beratungskosten jährlich übernimmt. Davon Gebrauch machte jedoch nur eine einzige Person. Deswegen wird diese Massnahme gestrichen.

Kanton baut runden Tisch aus

Seit 2014 findet ein regelmässiger runder Tisch zum Thema häusliche Gewalt statt. An diesem nehmen neben der Zuger Polizei und der Staatsanwaltschaft auch das Amt für Migration, Opferberatungsstellen sowie die Herberge für Frauen und die Stiftung «Männer Beratung Gewalt» teil.

Künftig werden weitere Stühle an diesem rundem Tisch besetzt: Neu nehmen auch der Vollzugs- und Bewährungs- dienst und das Amt für Kindes- und Erwachsenenschutz daran teil. Neben dem fachlichen Austausch will der Kanton so auch Abläufe und Schnittstellen laufend untereinander optimieren.

Zuger Polizei sensibilisiert Bevölkerung

Der Kanton will aber nicht nur verhindern, dass gewalttätige Personen in den eigenen vier Wänden erneut zuschlagen – sondern häuslicher Gewalt anhand einer Präventionskampagne vorbeugen.

In einem nächsten Schritt will der Kanton die Zugerinnen für die Thematik sensibilisieren. Die Zuger Polizei veröffentlicht deswegen im Rahmen der Kampagne «16 Tage gegen Gewalt an Frauen», die an diesem Donnerstag startet, mehrere Videos auf Facebook und Instagram. Diese sollen sich an Opfer, Täterinnen und Täter sowie weitere Betroffene richten. Beispielsweise Kinder, die in solchen Familien aufwachsen. Damit will die Polizei aufrütteln – und sensibilisieren. Dass man auch als Nachbarin oder Freund hinschaut.

Staatsanwaltschaft

Zusammenarbeit Zuger Polizei und Staatsanwaltschaft

Ziel des Projekts war es auch, die Mitarbeitenden der Strafverfolgungsbehörden fachlich und juristisch im Bereich häuslicher Gewalt zu verbessern. Regelmässig finden nun Fachgruppen-Meetings statt. In realen Fällen werden spezialisierte Mitarbeiter eingesetzt.

Neuer Werkzeugkasten

Die Staatsanwaltschaft setzt neu einen «Werkzeugkasten Häusliche Gewalt» ein. Damit sollen Untersuchungshaft und Ersatzmassnahmen, das Anordnen von Lernprogrammen während der Sistierung eines Strafverfahrens oder im Endentscheid «vertieft geprüft» werden. Aber auch eine Zurückhaltung bei Sistierungen sowie die Nachkontrolle vor einer definitiven Einstellung des Strafverfahrens.

Neu führt auch die Staatsanwaltschaft eine Statistik

Bis anhin hat die Polizei Fälle häuslicher Gewalt im Kanton Zug statistisch erfasst. Nun erfasst auch die Staatsanwaltschaft diese Fälle separat und wertet diese aus. Auch die Zahlen von 2017 bis 2019 wurden rückwirkend erfasst. Die Sicherheitsdirektion schreibt im Schlussbericht, dass diese Massnahme «als äusserst erfolgreich beziehungsweise von hoher Bedeutung» sei. So können auch Rückfälle und die Wirksamkeit von Sanktionen analysiert werden.

Vollzugs- & Bewährungsdienst

Lernprogramme

Die Staatsanwaltschaft oder das Gericht können Täterinnen verpflichten, ein Lernprogramm gegen Gewalt zu besuchen. Der Kanton Zug wollte verschiedene Möglichkeiten prüfen und die für den Kanton Zug beste Variante etablieren.

Der Vollzugs- und Bewährungsdienst nahm sich dem an und entschied, dass er in erster Linie selber Lernprogramme nach dem Zürcher Programm «Partnerschaft ohne Gewalt (POG)» durchführen wird.

Als weitere Option führt die Stiftung «Männer Beratung Gewalt» Gewaltberatungen im Auftrag des Vollzugs- und Bewährungsdienstes durch. Seit Juli 2020 wurden im Kanton Zug bisher in sechs Fällen ein Lernprogramm angeordnet, wobei ein Fall bereits erfolgreich abgeschlossen werden konnte.

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