Geschlechtskrankheiten bleiben oft unentdeckt

Sex ohne Gummi? Neues Testangebot für Prostituierte

Bestehende Gesundheitsangebote erreichen heute zu wenig Sexarbeiterinnen. Deswegen gibt es in Luzern nun ein neues Angebot. (Symbolbild: Adobe Stock)

Sexarbeiterinnen können sich neu am Bahnhof Luzern auf sexuell übertragbare Infektionen testen und diese behandeln lassen. Denn viele Sexarbeiterinnen sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt – auch wegen des Drucks der Freier, Dienstleistungen ohne Schutz anzubieten.

Sexuell übertragbare Infektionen bleiben bei Sexarbeiterinnen oft unentdeckt und unbehandelt. Denn bestehende Gesundheitsangebote erreichen sie zu wenig. Ungenügendes Wissen über Verhütung führt zudem immer wieder zu unerwünschten Schwangerschaften und verstärkt soziale Probleme.

Deswegen steht Sexarbeiterinnen in Luzern ab diesem Dienstag ein neues Angebot zur Verfügung. Der Luzerner Verein für die Interessen der Sexarbeitenden («Lisa») hat mit dem Gyn-Zentrum für Frauengesundheit am Bahnhof ein neues Gesundheitsangebot für Sexarbeiterinnen eingerichtet. Dieses soll niederschwellig und kostengünstig sein, teilt der Verein in einer Mitteilung mit.

Oft ist die Sexarbeit die einzige Einnahmequelle für eine Familie

«Uns ist die Gesundheit der Sexarbeiterinnen wichtig», sagt Birgitte Snefstrup, Geschäftsleiterin des Vereins, gegenüber zentralplus. «Meistens ist die Sexarbeit der Frauen die einzige Einnahmequelle für ihre Familien – sie müssen gesund bleiben.»

«Wir sehen, dass Frauen teilweise Medikamente untereinander austauschen.»

Birgitte Snefstrup, Verein «Lisa»

Wie viele Sexarbeiterinnen Geschlechtskrankheiten haben, kann Snefstrup nicht abschätzen. Es sei aber ganz logisch, dass sie mit ihrem Job und dem Druck der Freier, Dienstleistungen ohne Schutz anzubieten, einem erhöhten Risiko ausgesetzt seien. Nicht zuletzt gehe es auch um die öffentliche Gesundheit – dass Freier nicht Sexarbeitende anstecken und umgekehrt.

«Wir sehen auch, dass Frauen teilweise Medikamente untereinander austauschen», sagt Snefstrup.

Geldnöte und Scham

Doch weswegen erreichen bestehende Angebote die Gruppe zu wenig? Viele Sexarbeiterinnen schaffen nur drei Monate lang in der Schweiz an und müssen folglich auch keine Krankenkasse hier abschliessen. Snefstrup erklärt, dass deswegen viele Frauen warten, bis sie wieder zu Hause einen Arzt aufsuchen.

«Vielen Frauen fällt es schwer, ihrer Ärztin anzuvertrauen, dass sie Sexarbeiterinnen sind.»

Neben Geldnöten sei auch die Scham ein mögliches Hindernis. «Vielen Frauen fällt es schwer, ihrer Ärztin anzuvertrauen, dass sie Sexarbeiterinnen sind und sich deswegen regelmässig auf sexuell übertragbare Infektionen testen zu lassen.» Beim neuen Angebot des Gyn-Zentrums unter der Leitung von Andreas Günthert sei das Personal sensibilisiert, sodass Sexarbeiterinnen auf Augenhöhe und ohne Vorurteile beraten werden, sagt Snefstrup.

Kanton und Bund finanzieren mit

Der Verein Lisa führt in Luzern bereits das Beratungsangebot Hotspot auf dem Strassenstrich und den Treffpunkt «Rosa». Es ist ein langjähriger Wunsch des Vereins, diese Angebote mit gezielter Gesundheitsversorgung zu ergänzen.

Die Wichtigkeit des Gesundheitsangebots für Sexarbeiterinnen haben auch Bund und Kanton erkannt. Zu gleichen Teilen finanzieren diese das neue Angebot. Die Stadt Luzern leistet eine Startfinanzierung. Sexarbeiterinnen beteiligen sich mit einem Pauschalbeitrag an den Konsultationen.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Nicki
    Nicki, 01.09.2020, 07:33 Uhr

    In diesem Artikel wird mal wieder das Vorurteil bedient,die armen Sexworker fühlten sich von den ach so bösen Kunden zu Dienstleistungen ohne Kondom gedrängt. Das ist aber überhaupt nicht der Fall! Und deshalb ist auch das Testzentrum nicht errichtet worden!

    Es dient lediglich als niedrigschwelliges Angebot für Test die Sexworker normalerweise bezahlen müssen.

    Tatsächlich ist die Nachfrage nsch ungeschütztem Verkehr verschwindent gering und anders als der Schreiber des Artikels wissen Sexworker, dass ein negativer HIV Test nicht bedeutet gefahrlos ungeschützt arbeiten zu können. Den Sexworker sind keine Virenschleudern und deshalb bieten sie von sich aus schon keine ungeschützten Praktiken an.

    Hier wird mal wieder eine gute Initiative ( Testzentrum) durch Vorurteile gegenüber Prostitution durch den Dreck gezogen.

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    • Profilfoto von isabelle.dahinden
      isabelle.dahinden, 01.09.2020, 10:12 Uhr

      Besten Dank für Deinen Kommentar. Dieses «Vorurteil» zu bedienen, wie Du es nennst, war überhaupt nicht Ziel des Artikels. Wie es im Bericht heisst, sind Sexarbeiterinnen einem erhöhten Risiko ausgesetzt, an einer Geschlechtskrankheit zu erkranken. Weil sie nun mal sexuelle Dienstleistungen anbieten und es für einige sexuell übertragbare Infektionen nicht einmal zwingend Sex braucht (siehe auch folgenden Artikel). Im Artikel werden mehrere Gründe genannt, weshalb es dieses Testangebot braucht. Weil Sexarbeiterinnen von bestehenden Angeboten zu wenig erreicht werden, weil Scham/Angst dazu führen kann, dass sie sich nicht einem Arzt anvertrauen und nicht zuletzt Geldnöte. Der Verein «Lisa» ist nahe an Sexarbeitenden dran, setzt sich für die Interessen von ihnen ein – und weiss von ihnen, dass es teils Freier gibt (sicher nicht alle!!) die ungeschützten Sex wollen. Auch eine Studie der Universität Lausanne aus dem Jahr 2017 kam zum Schluss, dass 34 Prozent der befragten Sexarbeiterinnen bereits schon ungeschützten Geschlechtsverkehr hatten, weil der Kunde dafür mehr bezahle. 22 Prozent gaben an, dass sie Sex ohne Gummi hatten, weil der Kunde das Kondom verweigerte. Das neue Gesundheitsangebot soll aber in erster Linie ein niederschwelliges und kostengünstiges Angebot für Sexarbeiterinnen sein – weil die Gesundheit von Sexarbeiterinnen wichtig ist. Und sie – wie du und ich auch – an sexuell übertragbaren Infektionen erkranken können. Liebe Grüsse, Isabelle

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