Werbeaktion für «Psycho-Sekte»

Scientologen brechen in Zug vorzeitig ihre Zelte ab

Yolanda Sandoval Künzi (links) und Beat Künzi demonstrieren gegen Scientology. (Bild: mam)

Darüber wollte die Bürgerkommission für Menschenrechte am Samstag auf dem Zuger Bundesplatz orientieren: «Psychiatrie zerstört Leben». Doch sie wurden in die Flucht geschlagen. Durch ein Baselbieter Ehepaar, das gegen eine «Tarnorganisation» der Scientology-Organisation auf die Strasse geht.

Einen Aperol Spritz gab’s am Samstag als Belohnung für Beat Künzi und Yolanda Sandoval Künzi in der Confiserie Strickler am Bundesplatz in Zug. Die beiden Aktivisten bezogen am Samstagmittag Stellung und warteten auf die Vertreter der Bürgerkommission für Menschenrechte – kurz CCHR Schweiz.

Diese wollten in Zugs Zentrum einen Stand aufstellen. Sie wollten über die Missbräuche in der Schweizer Psychiatrie warnen – und so neue Mitglieder für ihre «Psycho-Sekte Scientology» gewinnen, wie das Ehepaar Künzi Sandoval argwöhnt.

«Viele Zuger vor Scientology bewahrt»

Nachdem der Stand halb aufgebaut war, bemerkten Scientologen die Aktivisten – sie brachen ihr halb aufgerichtetes Zelt ab und zogen unverrichteter Dinge von dannen. «Zuvor haben sie uns noch den Mittelfinger gezeigt», sagt Beat Künzi. «Das ist ein grandioser Erfolg für uns», sagt er. «Als einfaches Ehepaar haben wir viele Zuger vor Scientology bewahrt.»

13 Uhr: Das halbaufgerichtete Zelt der Scientologen in Zug, das in der Folge wieder abgebrochen wird. (Bild: zvg)

Die beiden sind seit 2019 unterwegs. Im Namen einer Organisation, die sich Freie Anti-SC Aktivisten nennt, waren sie bis vor der Corona-Krise praktisch jedes Wochenende unterwegs. Anfangs spannten sie in Basel mit anderen Aktivisten zusammen, die sich aber erheblich «forscher» gegen die «Psycho-Sekte» einsetzten, wie es Sandoval Künzi ausdrückt. Deren Vertreter haben mittlerweile Ärger mit der Justiz.

Bei der Weiterbildung auf Scientology gestossen

Die Künzis hingegen wollen auf Gewaltfreiheit setzen – und darauf, Passanten vor Organisationen zu warnen, die nicht auf Anhieb als Scientology-Unternehmungen erkennbar sind.

Beat Künzi sagt, er sei als Teenager erstmals mit der Oganisation in Kontakt gekommen, als er sich an einer Veranstaltung orientieren wollte, aber irritiert darüber war, dass er von den Veranstaltern fast nicht mehr in Ruhe gelassen worden sei.

Yolanda Sandoval Künzi indes ist zugelassene Naturheilpraktikerin im Kanton Baselland. Im Rahmen einer Weiterbildung wurde sie darauf aufmerksam, dass diese durch eine Organisation der Scientology-Organisation erbracht werden sollte und sei daher hellhörig geworden. Sie habe in der Folge viele Freundinnen verloren, sagt sie.

Fünf Besuche in Luzern

Scientology unterhält zahlreiche Unterorganisationen, die sich etwa gegen Drogenmissbrauch einsetzen oder gegen psychiatrische Missbräuche. Offiziell haben diese nicht miteinander zu tun, doch es gibt Flugblätter, auf denen sie gemeinsam werben – und auch das Personal an den Strassenständen ist das gleiche.

«Wir warten jeden Tag auf eine Anzeige. Bisher ist noch keine bei uns eingegangen.»

Yolanda Sandoval Künzi, Aktivistin

«Wir kommen in alle Städte, in denen wir willkommen sind», sagt Beat Künzi. Schwerpunktmässig war dies St. Gallen, Winterthur und Luzern. «In Luzern waren wir zuletzt fünfmal», sagt Sandoval Künzi. Doch Luzern tut sich seit Ausbruch der Corona-Pandemie schwer mit der Bewilligung für Stand-Aktionen.

In Zug ist das anders, obwohl man dort Scientology-Veranstaltungen seit Jahren eigentlich nicht mehr bewilligt. Aber als Tarnorganisationen sind sie jedoch noch nicht gut bekannt.

Fünf Meter Abstand

Notabene gibt es in Zug an der Chamerstrasse auch eine «Mission» der Scientologen, die sich selber als Kirche sehen. In Zürich und Basel, wo die Scientologen ihre Schweizer Zentren unterhalten, gilt die Organisation immerhin als «religiöse Gemeinschaft». Für Zug, wo eine Mehrheit der Bevölkerung immer noch römisch-katholisch ist, gilt indes eher das Dogma, dass es nur eine wahre Kirche gibt – jene von Papst Franziskus in Rom.

Die Auseinandersetzungen zwischen Scientologen und Aktivisten sind Legion und verlaufen ähnlich: Es geht darum, einander zu fotografieren und zu diffamieren – und vor Ort sich gegenseitig die Kundschaft abspenstig zu machen. Zentrales Element in den vorgängigen Bewilligungsverfahren ist daher, wie viel Abstand die Parteien zueinander halten müssen. Teilweise müssen sich die Aktivisten bis zu 15 Meter vom Stand der Psychiatrie-Kritiker entfernt aufhalten – in Zug waren es freilich nur 5 Meter.

«Religiöser Rassismus»

Den Scientologen gehen die Aktivisten mit ihrer Verbissenheit ordentlich auf den Wecker: Jürg Stettler, Sprecher von Scientology in der Schweiz, bezeichnet die Aktionen als «religiösen Rassismus». «Absurd» werde es dann, wo es sich doch um eigenständige Vereine handle, welche die Informationsveranstaltungen durchführen.

Stettler rückt das Ehepaar Künzi in die Nähe von militanten Basler Aktivisten. Und behauptet, gegen die beiden würde eine Strafanzeige vorliegen. «Darauf warten wir jeden Tag», sagen die beiden fröhlich und nuckeln an ihrem Trinkhalm. «Bis jetzt ist noch keine bei uns eingegangen.»

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9 Kommentare
  • Profilfoto von YoSa
    YoSa, 26.08.2020, 00:20 Uhr

    Und täglich grüsst das Murmeltier, smile… Es ist einfach nur bedenklich und schade, dass Herr Beat Grencher den Unterschied eines Arztes (Psychiater) und einer kant. oder eidg. Naturheilpraktikerin nicht kennt. Und frappierend ist, dass man in der Öffentlichkeit einen Psychiater für den Tod eines Menschen verantwortlich macht! Das Niveau der Scientology-Befürworter sinkt massiv und dies ist einfach nur sehr bedenklich und traurig!

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  • Profilfoto von Biit68
    Biit68, 25.08.2020, 23:16 Uhr

    Wow, unglaublich!!! Nun folgt die ewig gestrige Scientology «Opfer» Masche – euer Vorhehen und eure Taktik ist einfach nur lächerlich, grins. So schön, dass dies die Medien bereits lange erkannt haben, smile. Und auch ohne Medienaufmerksamkeit, warnen wir weiter friedlich vor der geldgeilen Machtorganisation und Psychosekte 🙂

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  • Profilfoto von Beat Grencher
    Beat Grencher, 25.08.2020, 21:28 Uhr

    Ich war auch schon an einem Stand von CCHR. Meine Schwester machte Selbstmord nachdem Sie mit Psychopharmaka vollgepumpt wurde, sie erhielt die mehrfachen Mengen die notwendig waren verschrieben, direkt vom Psychiater. Der Psychiater ist Gerichtspsychiater, Politiker und überall gut angesehen. Das passiert viel öfter als man denkt. Egal was man von Scientology hält, aber die Aktionen von CCHR unterstütze ich voll und ganz. Und wem das nicht passt, gibt es auch andere psychiatriekritische Organisationen. Frau Sandoval sollte als Naturheilpraktikerin nicht psychiatriekritische Organisationen angreifen sondern die Psychiatrie. Aber da hat man dann plötzlich halt nicht mehr soviel Medienaufmerksamkeit wie wenn man gegen Scientology vorgeht.

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  • Profilfoto von Sepp Küenzi
    Sepp Küenzi, 23.08.2020, 13:22 Uhr

    Die beiden brauchen nichts zu befürchten, was Strafanzeigen betrifft. Im vergangenen Dezember gab es ein Urteil, welches gar als Präzedenzfall angesehen werden kann – zu Ungunsten der Sekte. Sie fallen immer und immer wieder auf die Schnauze. Es simd somit reine Drohgebärden. Also weiter so! 👍👍

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  • Profilfoto von Felix Altorfer
    Felix Altorfer, 23.08.2020, 09:21 Uhr

    Der Infostand wurde aus dem einfachen Grund wieder abgebrochen, da wieder ein Unwetter (Regen) aufzog und ein nasses Zelt und verregnete Materialien nicht erwünscht sind und ausserdem auch keine Leute anwesend sein werden. Mit den psychotischen Gegnern hat das überhaupt nichts zu tun abgesehen davon, dass wir an CCHR-Infoständen AUSSCHLIESSLICH über Missbräuche in der Psychiatrie informieren und nicht über Scientology, was diese Typen notorisch behaupten.

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    • Profilfoto von Laines
      Laines, 23.08.2020, 10:15 Uhr

      Herr Altorfer Ihre Begründung ist absurd, sorry. Von 13-17.30h ist kein einziges Tröpfchen gefallen und die Sonne kam immer wieder zum Vorschein. Sie sind ein lustiger Kerlchen und was für eine Leitung von CCHR Schweiz, welche Unwahrheiten auf Papier bringt.

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    • Profilfoto von Biit68
      Biit68, 23.08.2020, 10:19 Uhr

      Es hat überhaupt nicht geregnet und es waren wirklich sehr viele Personen auf dem Bundesplatz und in den Restaurants. Sehr lustige Ausreden 🙂 – sie passen wunderbar zum Gesamtbild. Und wie in anderen Fällen hättet ihr das Zelt nach dem Einsatz einfach ein bisschen trocknen lassen können, smile. Und CCHR ist nun mal Scientology… Facts lügen nicht 🙂

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    • Profilfoto von CScherrer
      CScherrer, 23.08.2020, 17:26 Uhr

      Satire?

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    • Profilfoto von Rene Gruber
      Rene Gruber, 24.08.2020, 10:20 Uhr

      Ein trockenes Zelt ist also wichtiger als der Einsatz gegen die angeblichen Missbräuche in der Psychiatrie? Wirklich eine tolle Prioritätensetzung welche sie da an den Tag legen.

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