Wenig Stellplätze, ständige Kontrollen

Schweizer Fahrende haben es schwer im Kanton Zug

In den letzten 20 Jahren wurden schweizweit nur 5 neue Standplätze für Fahrende erstellt. (Symbolbild) (Bild: Izabela Mierzejewski / Unsplash)

Bis zu 3000 fahrende Jenische und Sinti leben in der Schweiz und sind auf Standplätze angewiesen. Von diesen gibt es aber in der Zentralschweiz viel zu wenige. Im Kanton Zug ist trotzdem kein Ausbau des Angebots geplant. Zudem machen die ständigen Polizeikontrollen den Betroffenen zu schaffen.

Zwischen 2000 bis 3000 Jenische und Sinti pflegen in der Schweiz eine fahrende Lebens­weise, schätzt die Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende, die sich seit rund 20 Jahren mit der Situation dieser Minderheiten in der Schweiz auseinandersetzt. Hinzu kommen noch die meist aus Nachbarländer stammenden Roma.

Damit die Fahrenden ihren Lebensstil aufrechterhalten können, sind sie auf Stellplätze angewiesen. Wie ein Bericht der Stiftung zeigt, besteht in der Zentralschweiz diesbezüglich grosser Verbesserungsbedarf. «Die Situation der fahrenden Jenischen und Sinti in der Schweiz hat sich im Verlauf der letzten fünf Jahre kaum verbessert», schlussfolgert sie in ihrem aktuellen Standbericht. Dies vor allem deshalb, weil ein grosser Mangel bei den Stand- und Durchgangsplätzen herrscht und die Infrastruktur derselben oft nicht ausreicht – so auch in Zug.

Zug hat aktuell keine Pläne für einen Ausbau

Bisher gibt es schweizweit 16 Standplätze, also Plätze, auf denen Fahrende meistens ihr festes Winterquartier aufschlagen. Keiner dieser 16 Plätze liegt im Kanton Zug. Weil die bestehenden Plätze allesamt ausgelastet seien und mindestens 20 bis 30 weitere nötig wären, um den Bedarf der Fahrenden gänzlich abzudecken, setzt sich die Stiftung dafür ein, dass weitere gebaut werden. Im Kanton Zug schlägt sie beispielsweise vor, in der Region Cham-Baar-Zug einen solchen Platz mit der Kapazität für zehn Gespanne – d. h. Autos mit Anhänger – zu errichten.

Eine Nachfrage von zentralplus bei der Zuger Baudirektion zeigt jedoch: «Im Moment gibt es weder im Zuger Kantons- noch im Regierungsrat Bestrebungen, den vorhandenen Platz zu erweitern oder einen weiteren Platz zu realisieren», so Baudirektor Florian Weber.

Bewohner wünschen sich weniger Polizeikontrollen

Der in Zug vorhandene Platz steht in Oberwil bei Cham und fungiert als Durchgangsplatz. Er kann ganzjährig genutzt und Plätze können jeweils monatsweise gemietet werden. Ein festes Winterlager ist hier also nicht möglich. Die 15 Stellplätze kosten 10 Franken pro Tag und Fahrzeuggespann und bei der Anmeldung, die über die Polizei läuft, wird noch eine Depotgebühr von 320 Franken pro Gespann erhoben.

Die Anlage wurde 2010 eröffnet und ist das ganze Jahr über buchbar. Wie aber Gespräche zwischen der Stiftung und Jenischen und Sinti zeigen, hat dieser Platz noch Verbesserungspotenzial. Gemäss den befragten Fahrenden sollte nicht nur die Infrastruktur verbessert, sondern auch die Anzahl Polizeikontrollen reduziert werden, um den Aufenthalt angenehmer zu gestalten.

«Durchgangsplätze wie jener in Cham gibt es auch in anderen Kantonen, ausreichend sind sie nicht.»

Gemeinde Cham

Eine Anfrage bei der Zuger Polizei zeigt, dass diese den Platz durchschnittlich ein- bis zweimal pro Woche kontrolliert und prüft, ob die Vorgaben des Reglements zur Platznutzung eingehalten werden. Dieses beinhaltet beispielsweise eine korrekte An- und Abmeldung der Fahrenden, Parkordnung und Einhaltung der Ruhezeiten sowie ein Freihalten von Durchgängen für Rettungsfahrzeuge.

Platz reicht nicht aus

Dass dieser Platz nicht vollends ausreicht, schrieb der Kanton in der Medienmitteilung zur Eröffnung am 9. Juli 2010 schon selbst: «Durchgangsplätze wie jener in Cham gibt es auch in anderen Kantonen, ausreichend sind sie nicht. Die Fahrenden sind jedoch auf sie angewiesen und unser Land ist es auch, wenn es kulturelle Vielfalt erhalten will.»

Die knappen Platzverhältnisse auf den Schweizer Stellplätzen führen auch immer wieder zu Konflikten zwischen den einzelnen Gruppierungen. Auch auf dem Platz in Cham kam es gemäss der Zuger Polizei schon zu Reibereien – «wie dies auch sonst unter Nachbarn vorkommt».

Ziel bis 2022 scheint utopisch

Seit 2015 beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Vertretern von Bund, Kantonen und Gemeinden mit der Problematik. Sie hat es sich unter anderem zum Ziel gesetzt, bis Ende 2022 genügend Plätze zur Verfügung zu stellen. Seit 2015 ist schweizweit gerade mal ein neuer Standplatz entstanden, das Ziel scheint also noch in weiter Ferne zu liegen. Und dies, obwohl Fahrende als gesetzliche Minderheit ein Anrecht auf Lebensraum hätten.

Claudia Hametner vom schweizerischen Gemeindeverband äusserte gegenüber der «Luzerner Zeitung», dass das Bewusstsein über die Thematik in den letzten Jahren zwar gestiegen sei, es jedoch Zeit brauche, bis sich das in neu geschaffenen Plätzen niederschlägt. Ein weiteres Problem ist gemäss Simon Röthlisberger, Präsident der Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende, dass es in den Kantonen oft auch an geeignetem Terrain fehlt – oder dass dieses in Konkurrenz zu anderen Nutzungsmöglichkeiten steht.

Das verantwortliche Bundesamt für Kultur gibt zwar zu, dass der Plan der Arbeitsgruppe, die Nachfrage bis 2022 zu decken, «optimistisch» sei, verweist aber im Gespräch mit der Zeitung auch darauf, dass in den vergangenen Jahren «einige neue, wichtige Plätze» erstellt worden seien.

Zur Stiftung «Zukunft für Schweizer Fahrende»

Seit 20 Jahren analysiert die Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende regelmässig die Situation der fahrenden Bevölkerung in der Schweiz. Die Stiftung wurde 1997 vom Bund ins Leben gerufen. Die Resultate ihrer Analyse wurden 2001 erstmals in einem Gutachten und später in den Standberichten 2005, 2010 und 2015 dokumentiert. Den aktuellsten Bericht findest du hier.

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