Täter wehren sich vor dem Obergericht

Schläger vom Zuger Seeufer: Haupttäter liess sich in Psychiatrie einweisen

Am Alpenquai in Zug kam es zur Auseinandersetzung.

(Bild: lih)

Das Trio, welches letztes Jahr am Zuger Seeufer zwei junge Männer brutal zusammengeschlagen hat, akzeptierte das Urteil des Strafgerichts nicht, weswegen es sich nun vor dem Obergericht verantworten musste. Einer davon wurde in der Zwischenzeit bereits wieder straffällig.

Am Zuger Strafgericht war es im März noch der Hauptbeschuldigte Bajrush*, der in Handschellen und von zwei Polizisten begleitet in den Gerichtssaal geführt wurde. Für die Verhandlung am Obergericht am Donnerstagvormittag war nun Shaip* um die Hand- und Fussgelenke silbern bereift.

Grund dafür ist, dass Shaip in der Zwischenzeit bereits wieder straffällig geworden ist und deswegen in Untersuchungshaft sitzt. Die Vorwürfe lauten dieses Mal auf einfache Körperverletzung und Beschimpfung. Der Gang ans Obergericht wurde für Shaip, Bajrush und Mittäter Djevat* nötig, weil sie Einspruch gegen das Urteil des Strafgerichts eingelegt hatten. Das Verdikt waren teils mehrjährige Haftstrafen und im Falle von Bajrush und Djevat ein acht- respektive siebenjähriger Landesverweis (zentralplus berichtete).

Aus Worten werden Schläge

Das Trio schlug in der Nacht auf den 15. April 2018 am Zuger Seeufer in der Nähe des goldenen Kiosks die beiden jungen Männer Reto* und Fabian* brutal zusammen. Auf beiden Seiten waren Alkohol und Drogen im Spiel. Anlass war, dass Bajrush Reto Geld schuldete, welches dieser einforderte, als sich die Gruppen per Zufall begegneten.

«Mein Mandant wäre in seiner Heimat Kosovo nicht sicher.»

Anwalt von Djevat*

Aus der verbalen Auseinandersetzung wurde eine körperliche, bis schliesslich auf Reto und Fabian am Boden liegend eingetreten wurde. Fabian zog sich unter anderem eine Gehirnerschütterung, Kieferverletzungen, mehrere Hämatome, eine Kopfplatzwunde, einen Seitenbandabriss am Daumen sowie Prellungen und einen Wackelzahn zu. Auch Reto bekam einiges ab: Nasenbeinbruch, Schädel- und Rippenprellungen, kurzzeitige Amnesie und über eine Woche lang anhaltende Kopfschmerzen (zentralplus berichtete).

Furcht vor Rückkehr in den Kosovo

Dass es zu Gewalt am Zuger Seeufer kam, streiten die drei Beschuldigten nicht ab, weswegen sie den Tatbestand des Raufhandels unangefochten liessen. Djevat (25) wurde jedoch auch wegen versuchter einfacher und schwerer Körperverletzung verurteilt. Aus seiner Sicht zu Unrecht, denn er habe Fabian nie gegen den Kopf getreten, wie ihm vorgeworfen wird. Sein Anwalt fordert deswegen lediglich eine bedingte Freiheitsstrafe von sechs Monaten.

Ausserdem sei von einem Landesverweis abzusehen, handle es sich bei Djevat doch um einen Härtefall. «Mein Mandant wäre in seiner Heimat Kosovo nicht sicher», spielte er auf die im Kosovo immer noch existierende Blutrache an, von der auch Djevat betroffen wäre. Sein Vater sei im Kosovo von Unbekannten ermordert worden, als Djevat fünf Jahre alt war.

Auch der Täter verletzte sich

Der Anwalt von Shaip konnte sein Missfallen nicht verbergen, dass die Privatkläger Reto und Fabian – beide waren an der Verhandlung nicht anwesend – vom Vorwurf des Raufhandels freigesprochen wurden. Obschon beispielsweise Reto ein Messer zückte und so aus Sicht des Anwalts und der Beschuldigten die Lage zum Eskalieren brachte. Auch wenn er das Messer weder einsetzte noch damit drohte.

«Inzwischen will ich nichts mehr mit dem Mittelsmann zu tun haben.»

Hauptangeklagter

Der Anwalt hätte sich gewünscht, dass Reto wegen versuchter schwerer Körperverletzung angeklagt wird, immerhin hatte sich sein Klient Shaip wegen des Messers Schnittwunden zugezogen. Dumm nur, dass Djevat bereits davor erklärte, dass dies passierte, als Shaip Reto das Messer entwendete. Auch er forderte für seinen Mandanten einzig eine Verurteilung wegen Raufhandels, nicht jedoch wegen versuchter einfacher Körperverletzung.

Von Tritten gegen den Kopf wollen sie nichts wissen

Die Staatsanwaltschaft auf der anderen Seite fordert für Shaip eine Verurteilung wegen versuchter schwerer Körperverletzung – wie bereits bei der Vorinstanz. Deswegen reichte auch sie Berufung ein. Ausserdem beharrt sie auf ihrer Forderung eines zwölfjährigen Landesverweises für Djevat und Bajrush.

Die Anwälte waren sich in vielen Punkten einig: Es war dunkel, es herrschte ein Durcheinander und niemand weiss, was genau geschah und wer wen getreten und geschlagen hat. Zudem würden sich einige Zeugen teils diametral widersprechen. Die drei Beschuldigten argumentierten, sie hätten in Panik gehandelt, als sie Retos Messer sahen.

Der Staatsanwalt liess dies jedoch nicht gelten. Denn gleichzeitig beteuerte das Trio, niemanden gegen den Kopf getreten zu haben. «Einerseits sollen sie panisch gewesen sein, andererseits behielten sie einen genügend kühlen Kopf, um zu wissen, dass Tritte gegen den Kopf sehr gefährlich sind – das passt schlecht zusammen», hielt er fest.

Einen Zuwebe-Mitarbeiter erpresst

Im Falle von Bajrush gestaltet sich das Sündenregister noch etwas länger. Beim 26-Jährigen kommt neben Raufhandel sowie versuchter schwerer und einfacher Körperverletzung wegen des erwähnten Vorfalls auch noch der Vorwurf fortgesetzter Erpressung, Hehlerei sowie versuchter Hehlerei aus einem anderen Fall hinzu.

«Die längere Haftstrafe hat ihm die Augen geöffnet.»

Anwalt von Bajrush

Bajrush hatte einen körperlich und geistig beeinträchtigten Zuwebe-Mitarbeiter wiederholt dazu gezwungen, ihm Geld zu geben – direkt und via Mittelsmann. Zudem sackte er zwischenzeitlich das Handy des Opfers als Pfand ein. Diese Vorwürfe bestritt er vehement. Er habe das Opfer bloss einmal per Telefon um 300 Franken gebeten. Als dieses antwortete, es könne ihm nicht helfen, habe er dies so akzeptiert. «Dass der Mittelsmann das Opfer erpresst hat, kann jedoch gut sein», sagte er. Ausserdem könne er sich vorstellen, dass das Opfer sein Geld im Ausgang und für Drogen ausgegeben hatte und sich nicht getraute, es seiner Mutter zu sagen.

Der Mittelsmann, auch er arbeitete für die Zuwebe, sei ein guter Freund von ihm gewesen. Doch inzwischen wolle er nichts mehr mit ihm zu tun haben, so Bajrush weiter.

Hauptbeschuldigter mit Alkoholrückfall

Sein Anwalt fordert wegen Raufhandel, Hehlerei und versuchter Hehlerei eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten plus eine Geldstrafe für seinen Klienten. Zum Vergleich: Das Strafgericht verdonnerte den gebürtigen Kosovaren zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe. Von einem obligatorischen Landesverweis sei abzusehen, immerhin sei Bajrush mit einer Schweizerin verlobt und sein Bruder, sein wichtigster Verwandter, wohne hierzulande. «Die längere Haftstrafe zuletzt hat ihm die Augen geöffnet», so der Anwalt. Als Entschädigung dafür verlangte der Verteidiger 12’000 Franken für seinen Mandanten. Weil die Haftstrafe doch unberechtigt gewesen sei.

Das Strafgericht ordnete für Bajrush ausserdem eine Gewalttherapie und Alkoholabstinenz an. «Bei Ihnen schauen wir genau hin – es mag nicht viel leiden. Sie haben selbst gesagt, Sie seien eine andere Person, wenn Sie betrunken sind», so der Richter damals.

Anscheinend haben diese Worte zumindest zu Beginn ihre Wirkung verfehlt. So sprach Bajrush davon, nach übermässigem Alkoholkonsum wieder abgestürzt zu sein, weswegen er sich selbst in die Psychiatrische Klinik Zugersee in Oberwil einweisen liess. Zur Vorbereitung auf die Verhandlung lasse er die Therapie aktuell ruhen.

Das Urteil des Obergerichts steht noch aus. Die Richter rechnen damit, dieses noch im Verlaufe des Jahres verkünden zu können.

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