«Rosa Beton» in Zug – fremde Gewächse in der Kritik
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Kann diese Pracht schlecht sein? Japanische Zierkirsche.
(Bild: Carmen Steiner)Die Stadt Zug möchte die Achse zwischen Bahnhof und See verkehrsberuhigen und zur Begegnungszone umfunktionieren. Das Siegerprojekt eines Gestaltungswettbewerbs kommt nun unter Druck – aber nicht wegen des Verkehrs, sondern wegen Pflanzen, die so herrlich blühen wie kaum andere sonst.
An der japanischen Kirschblüte scheiden sich die Geister. Die Landschaftsarchitekten des Büros BBZ Bern haben deren herrliche Erscheinung genützt, um den Wettbewerb um die Neugestaltung der Alpen- und Gotthardstrasse zu gewinnen. Betroffen ist also die Umgebung zwischen Bahnhof Zug und See.
Dort sollen die Strassen saniert, verkehrsberuhigt und neu gestaltet werden. Es geht aber auch darum, die Achse zwischen Bahnhof und See, die in der Gründerzeit erbaut worden war, als solche zu kennzeichnen (zentralplus berichtete).
Bienen gehen nicht an gefüllte Blüten
BBZ Bern tut dies, indem sie die Pflanzung von japanischen Zierkirschen entlang der Achse vorsieht. Das ist günstiger als die Gestaltung durch teure Natursteine – und erst noch schöner, denn die Kirschbäume erblühen im Frühling in herrlichem Rosa.
(Bild: mam)
Leider ist die japanische Blütenkirsche, die von den Berner Landschaftsarchitekten wegen ihrer rosa Blüte und ihrem gedrungenen Erscheinungsbild bevorzugt wurde, ein fremdes Gewächs. Bienen und einheimische Insekten könnten die verschwenderische Pracht der Blüten nicht nützen, ist verschiedenen Lesern von zentralplus aufgefallen.
Kirschen sollen es schon sein
Der Zuger Autor Adrian Hürlimann etwa kritisiert dies in einem Kommentar auf zentralplus und bezeichnet die Zierkirsche als «rosa Beton». Er schlägt die Pflanzung von einheimischen Gewächsen vor, die von den örtlichen Insekten genutzt werden könnten – zum Beispiel die Kornelkirsche.
(Bild: mam)
«Die Wahl der Baumart ist noch nicht in Stein gegossen», sagt Tino Buchs, Geschäftsführer von BBZ Bern, die mit ihrem Projekt «Chriesi» den Wettbewerb gewonnen haben. «Kirschen scheinen mir zwar schon passend», sagt er. Aber welche Sorte es sein wird, gelte es bei der Umsetzung der Pläne noch genauer anzuschauen.
Gelbe statt rosa Blüten
Die Kornelkirsche – auch Tierlibaum genannt – blüht nicht rosarot, sondern gelb. Die Farbe sei indes nicht ausschlaggebend, sagt Buchs. Wichtig bei der Wahl eines Stadtbaums sei, «dass er Zukunft hat». Sprich, dass er in seiner Umgebung gedeiht und auch erwartbare Klimaveränderungen wegstecken könne.
(Bild: Flickr /Andreas Rockstein)
Dies gilt für die Kornelkirsche, die eigentlich lieber noch wärmeres Klima hat als jenes im nebligen Zug. Aber sie wuchs hier schon vor langer Zeit, wie man dank den Archäologen weiss. Denn sie ist keine Kirschenart, sondern ein Hartriegelgewächs. Daraus machten die Menschen der Pfahlbauerzeit Pfeilschäfte für die Jagd. Ein solcher Steinzeitpfeil wurde auf dem Zugerberg gefunden.
Bisher null einheimische Bäume
«Das Projekt ‹Chriesi› wurde wegen der allgemeinen hohen Qualität und nicht wegen der Bäume ausgewählt», sagt Claudius Berchtold, der im Tiefbauamt der Stadt Zug für die öffentlichen Anlagen verantwortlich ist. Man bevorzuge die örtliche Fauna bei Neubepflanzungen aber durchaus, sagt er.
(Bild: mam)
Ein Augenschein vor Ort zeigt indes, dass dies nicht immer so war. An der gesamten Alpenstrasse steht kein einziger Baum, der natürlich in Zentralschweizer Wäldern oder auf Feldern wachsen würde. Am lokalsten sind die grossen ahornblättrigen Platanen bei der reformierte Kirche – und diese Art ist eine künstliche Kreuzung, die im Mittelmeerklima von Südfrankreich häufig ist.
Früchte machen Arbeit
Es sei «durchaus denkbar», dass man die Verwendung einheimischer Bäume zur Neugestaltung der Alpenstrasse prüfen werde, so Berchtold. Aber: «Fruchttragende Bäume werden in der Innenstadt wegen den herabfallenden Früchte und der damit verbundenen Begleiterscheinungen in der Innenstadt nur selten gepflanzt», sagt der Stadtzuger Pflanzenfachmann.
(Bild: Flickr /Andreas Rockstein)
Mit Begleiterscheinungen meint er zertretene Früchte, Reklamationen von Passanten wegen des klebrigen Matsches und einen erhöhten Reinigungsaufwand.
Auf Kornelkirsche verzichtet
Die Kornelkirsche trägt Früchte, die zwar säuerlich schmecken, aber durchaus essbar sind. Was ihr aber nicht immer zu Vorteil gereicht, wie ein Fall aus Süddeutschland zeigt. Das Internetportal «Baden online» meldete vor Jahresfrist, dass in Offenbach im Nachhinein auf eine Neubepflanzung eines Strassenrandes durch die Kornelkirsche verzichtet wurde, «weil die Früchte kräftig am Boden kleben bleiben, wenn man sie nicht sofort entfernt». Stattdessen setzt die Stadt am Oberrheingraben nun auf … rosarote japanische Zierkirschen.
(In diesem Beitrag werden Bilder von Andreas Rockstein vom Sharingdienst flickr verwendet. Hier die Nutzungsbedingungen.)
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