Luzernerin hat Rheuma

Risikogruppe: Für Anna ist die Corona-Pandemie nicht vorbei

Anna mit ihrem Curly-Retriever Zorro. (Bild: ida)

Die Corona-Pandemie scheint für viele vorbei zu sein. Die 27-jährige Anna Troelsen aus Luzern gehört zur Risikogruppe. Eine Ansteckung ist für sie nach wie vor gefährlich. Sie sagt: Vulnerable Gruppen werden einmal mehr vergessen.

Dass auch junge Menschen an Rheuma erkranken können, wissen viele nicht. Doch Rheuma ist kein Altersgebrechen: Von 1000 Kindern leben 1 bis 2 Kinder mit Arthritis – einer entzündlichen Gelenkerkrankung.

Auch Anna Troelsen litt bereits als 5-Jährige an starken Gelenkschmerzen. Ärzte wussten lange Zeit nicht, was mit ihr los ist. Junge Betroffene und deren Eltern steht nicht selten ein Marathon an Arztbesuchen bevor, bis die Diagnose Jahre später auf dem Tisch liegt. So war es auch bei Anna: Sie wurde lange Zeit als Simulantin abgestempelt. 14 Jahre war sie alt, als die Ärztinnen bei ihr schliesslich rheumatoide Polyarthritis und Skoliose – eine Verkrümmung der Wirbelsäule – diagnostizierten.

Für Anna ist eine Corona-Infektion nach wie vor gefährlich. Dies zu einer Zeit, in der die meisten von uns zu vergessen scheinen, dass die Pandemie noch nicht vorbei ist. Ich will mehr darüber erfahren, wie die 27-Jährige mit der momentanen Situation umgeht und treffe sie deswegen in ihrer Wohnung in der Stadt Luzern. Anna begrüsst mich herzlich, schon bald streckt uns Curly-Retriever Zorro seine Nase entgegen, um die fremde Besucherin zu beschnuppern.

Rheuma: Unsichtbar krank

Anna und ich finden schnell den Draht zueinander. Der Wasserkocher brodelt, als Anna uns beiden eine Tasse Pfefferminztee zubereitet, wir sind sogleich im Thema. Ich selbst habe Arthritis – zum Glück nur an einem Knie. Als dreijähriges Kind hatte ich nach einem Unfall Schmerzen, kein Arzt, keine Physiotherapeutin konnte wirklich helfen. Mit 16 Jahren und einem erneuten Rheumaschub im Knie erhielt ich schliesslich die Diagnose. Wie es Anna geht, wenn sie einen Schub hat, mag ich mir gar nicht vorstellen: Denn Anna ist an mehreren Gelenken betroffen. Auch an den Händen. Sie hat Mühe, nur schon eine Flasche zu öffnen.

Zudem sind ihre Knochen brüchig. Weil Anna gegen die Schmerzen Cortison genommen hat, hat sie zusätzlich eine cortisonbedingte Osteoporose. Deswegen hat sie sich in den letzten Jahren mehrere Knochen gebrochen. Doch alles dieses Leiden sieht man Anna nicht an. Die Krankheiten sind nicht sichtbar, nicht offensichtlich, wenn die junge Frau nicht darüber reden würde. Sie wirkt aufgeschlossen und glücklich.

Corona ist für Anna immer noch gefährlich

Anna stellt die beiden Tassen und selbstgebackene Plätzchen auf den Tisch. Der Eindruck täuscht nicht. «Mir geht's gut. Wirklich gut.» Die Schübe und die Schmerzen sind in der letzten Zeit zum Glück ausgeblieben.

Schwierig sei es nur wegen der Corona-Pandemie. Zwar werden schweizweit noch immer Tag für Tag Hunderte neue Corona-Fälle gemeldet. Doch die Corona-Massnahmen sind passé, die Mundschutzmasken fast schon zu einem Relikt aus früheren Zeiten verkommen, Desinfektionsmittel aus den Läden verschwunden.

«Eine Ansteckung ist für mich und andere Menschen, die Teil der vulnerablen Gruppe sind, nach wie vor gefährlich.»

Anna versteht nicht, wieso die Menschen heute anders mit der Pandemie umgehen. «Vor zwei Jahren ging nichts mehr», erzählt sie. Im Frühling 2020 sprach der Bund die ausserordentliche Lage aus. Auch die Stadt Luzern war während des Lockdowns wie leergefegt (zentralplus berichtete). Der Schutz von vulnerablen Personen hatte plötzlich oberste Priorität. Doch war das nur von vorübergehender Dauer – die Menschen sehnten sich nach zwei Jahren Ausnahmezustand nach Normalität.

«Zu Beginn hatten die Menschen noch Respekt vor Corona – jetzt empfinden es die meisten als harmlos.» So zeigt auch ein Blick in hiesige Busse, dass nur noch die wenigsten Menschen freiwillig eine Schutzmaske tragen. «Doch die Pandemie ist ja immer noch da», sagt Anna. «Eine Ansteckung ist für mich und andere Menschen, die Teil der vulnerablen Gruppe sind, nach wie vor gefährlich.»

Denn die Sache ist die: Viele Medikamente, die gegen Rheuma wirken, sind sogenannte Immunsuppressiva. Sie wirken entzündungshemmend – schwächen zugleich aber das Immunsystem. Das heisst: Man wird anfälliger für Krankheiten.

Bei den Menschen ist das Verständnis fast komplett weg

Anna war deswegen vorsichtig. Das war sie aber schon vor Corona. Sie erzählt: «Weil ich wusste, das mein Immunsystem durch die Medikamente geschwächt ist, sagte ich beispielsweise ein Treffen ab, wenn ich wusste, dass jemand ein wenig erkältet ist. Oder ich mied vor einer Prüfung grosse Menschenansammlungen, damit ich nicht Gefahr laufe, noch krank zu werden.» Ihr Umfeld hatte dafür nicht immer Verständnis.

Das änderte sich während Corona. «Ich habe mich sehr zurückgezogen und auch bei Treffen mit Freunden zurückgesteckt», so Anna. Ihr Umfeld verstand das. «Schliesslich ging es ja allen gleich: Alle wollten sich vor einer Infektion schützen», so Anna. So traf sie sich mit ihren Freundinnen draussen auf einen Spaziergang – mit Abstand.

Ärzte haben ihr erst davon abgeraten, sich gegen Corona zu impfen. Und auch Anna hatte ein schlechtes Bauchgefühl. Denn immer wieder hatte sie heftige Nebenwirkungen auf Medikamente – wie etwa Magen-Darm-Probleme. Aufgrund ihres Untergewichts brachte sie dies wiederholt in einen kritischen Zustand. Ein Allergietest bestätigte ihr schlechtes Bauchgefühl: Anna zeigte eine allergische Reaktion auf den Corona-Impfstoff.

Anna erkrankte an Corona – und ist noch immer müde

Obwohl Anna zurücksteckte – an die Fasnacht konnte die leidenschaftliche Fasnächtlerin nicht verzichten. Dennoch habe sie auch da aufgepasst – sich schliesslich aber durch ihren Freund im Februar 2022 mit dem Corona-Virus angesteckt. «Es fühlte sich an, als ob ich während der Corona-Erkrankung die grössten Rheuma-Schübe hatte.» Neben den extremen Gelenkschmerzen war sie erschöpft, schlief zu Spitzenzeiten bis zu 20 Stunden am Tag. «Ich war so neben der Spur, dass ich gar nicht wirklich realisierte, was um mich geschah» Auch nach der Genesung war Anna immer noch schlapp. Noch heute braucht sie mehr Schlaf als früher.

«Ich darf mich nicht übernehmen, sonst mache ich nur Rückschritte.»

«Das Ganze machte mir Angst», erzählt Anna rückblickend. «Insbesondere, weil ich merkte: Ich darf mich nicht übernehmen, sonst mache ich nur Rückschritte.» Sie machte sich Sorgen, dass sie ihr Jus-Studium abbrechen müsste. Für die ehrgeizige Luzernerin war dies nicht einfach. «Es brauchte eine Weile, bis ich mir selbst eingestehen konnte: Lieber habe ich länger am Studium, lieber mache ich nur kleine Schritte, bis ich etwas in der Hand habe – als einfach alles hinzuschmeissen.»

Ein treuer Begleiter war und ist ihr Hund Zorro. Anna blickt hinter sich, wo der Curly-Retriever in seinem Hundebett schläft. Er habe eine strenge Nacht hinter sich, sie schmunzelt. «Er ist der Friedlichste von allen», sagt Anna. «Er spürt, wenn ich Schmerzen oder keine Kraft habe. Dann ist es für ihn okay, wenn wir auch mal nur einen kleinen Spaziergang gemeinsam unternehmen.»

Zorro wurde für Anna Troelsen zu einem treuen Begleiter. (Bild: ida)

Es gibt auch Corona-Impfstoffe für Menschen wie Anna

Was Anna nicht wusste: Es gibt mit «Evusheld» ein präventives Arzneimittel von Astra-Zeneca, das Swissmedic jedoch erst im September 2022 zugelassen hat. Dieses ist für Menschen gedacht, die immunsuppressive Medikamente einnehmen oder denen von einer Covid-Impfung abgeraten wurde. Anna erfuhr davon jedoch erst, als sie von der Rheumaliga Schweiz, wo sie sich im Betroffenenrat engagiert, angefragt wurde, ob sie an einem Video mitwirken möchte. Von Ärztinnen, Spitälern oder Fachstellen hat sie kein Wort über diese Möglichkeit gehört. «Da frage ich mich schon: Wenn ihr es nicht schafft, mich zu informieren, wen informiert ihr dann?»

«Wer krank ist, fällt durchs Raster.»

Als Teil der vulnerablen Gruppe fühlt sich Anna nicht wirklich gehört und verstanden. «Die Leute haben irgendwie total vergessen, dass wir existieren.» Besonders jene, die zwar krank sind oder sich besonders schützen müssen, denen man es aber nicht offensichtlich ansieht. «Dieses Unverständnis verärgert mich. So wie mich auch Reaktionen verletzen, wenn ich meinem Umfeld erkläre, dass ich mich nach wie vor schützen muss. Und dieses dann meint: ‹Jetzt tu doch nicht so.› Ich wünsche mir, dass man Menschen wie mir, die Teil der vulnerablen Gruppe sind, wieder mehr Verständnis entgegenbringt.»

Mit dem Rückenpanzer auf den Schlitten

Anna musste sich wegen ihrer Krankengeschichte schon oft durchkämpfen – und neue Wege finden. Eigentlich wollte sie die Matura abschliessen, um Jus zu studieren. Anwältin, das war schon als Kind ihr Traumberuf. Sie besuchte die Kantonsschule Reussbühl – doch die Absenzen wegen Physio- und Spitalterminen häuften sich derart, dass sie die Schule schliesslich abbrechen musste. Anna besuchte drei weitere Gymnasien, stand aber immer wieder vor demselben Problem. «Es haperte immer wieder an denselben Orten», so Anna. «Wer krank ist, fällt durchs Raster.» Schliesslich absolvierte sie die KV-Lehre, die ein Mittel zum Zweck gewesen sei. Jetzt studiert Anna an einer Fachhochschule Jura im 4. Semester und arbeitet in einer Kanzlei im Kanton Schwyz.

Die Corona-Zeit hätte man nutzen können, um an diesen Problemen zu arbeiten und Lösungen für chronisch erkrankte Menschen zu finden. Offener zu werden. Zu einem Teil sei das auch gelungen: So kann Anna heute noch vom Fernunterricht am Studium aus teilnehmen. Aber nur, weil sie sich dafür einsetzte und kämpfte. Auch kann sie vom Homeoffice aus arbeiten, was für die junge Frau eine grosse Erleichterung ist. «Das ist aber auch nur möglich, weil meine Chefin so offen ist und mir das ermöglicht.»

Die Krankheit soll in Annas Leben nicht Überhand nehmen. Den brüchigen Knochen und Meinungen der Ärzte zum Trotz – Anna will schlitteln gehen. Derzeit klärt sie ab, ob es mit Rückenpanzer geht. «Ich bin da recht erfinderisch, wenn es darum geht, Alternativen zu finden», sagt sie und schmunzelt.

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4 Kommentare
  • Profilfoto von LD
    LD, 27.12.2022, 16:18 Uhr

    Deswegen bzw. wegen Einzelgefährdungen haben wir zweimal dem Abbau der Grundrechte zugestimmt, 2 1/2 Monate die Alten in den Altersheimen eingesperrt, ganze Wirtschaftszweige an den Rand des Ruins gebracht, Masken tragen, soziale Distanzierung erleiden müssen und kamen unter massiven Impfdruck mit experimentellen Stoffen, die nur provisorisch zugelassen sind und und. Die wirtschaftlichen, sozialen und psychischen Schäden sind noch nicht aufgearbeitet.
    Die Alleinherrschaft des Bundesrates über die Grundrechte gilt noch bis 2032…
    Wir haben die Gesellschaft gerettet. Nobel, nicht?

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  • Profilfoto von Peter Bitterli
    Peter Bitterli, 26.12.2022, 19:18 Uhr

    Die Frau kann tun und lassen, was sie will. Aber bitte nicht Andere damit belästigen und in eine Verantwortung zerren, wo Eigenverantwortung angesagt ist. Ob sie „versteht“, wie die Mehrheit die Sache sieht, ist nachgerade komplett egal.

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  • Profilfoto von mebinger
    mebinger, 26.12.2022, 18:00 Uhr

    Langsam lohnt es sich nicht mehr zu kommentieren, die Pandemie ist vorbei! Basta und ich sage dies als Risikopatient.

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    • Profilfoto von Benno Müller
      Benno Müller, 26.12.2022, 23:04 Uhr

      Dann lassen Sie doch Ihre Kommentare! Nur weil sie als Risikopatient «kä Luscht» mehr haben, haben Sie null Recht für andere zu entscheiden, die offenbar ein gesundes Leben als weniger selbstverständlich ansehen.

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