Steigende Arbeitslosenzahlen in Zug

«Nur wenn ich nicht beschäftigt bin, komme ich auf dumme Gedanken»

Zuletzt setzte ihm ein Schlaganfall zu – jetzt geht es im Leben von Kurt Huwyler wieder aufwärts. (Bild: Daniela Kienzler)

Wegen der Corona-Krise haben etliche Zuger ihre Arbeit verloren. Der gemeinnützigen Gesellschaft Zug kommt bei der Integration in den ersten Arbeitsmarkt eine grosse Bedeutung zu. Ein Betroffener erzählt, wie das funktioniert.

Die Arbeitslosenquote in Zug lag Ende April bei 2,5 Prozent. Das entspricht einem Anstieg von 0,2 Prozent im Vergleich zum Vormonat (zentralplus berichtete). Die Betroffenen wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren, ist eine grosse Aufgabe – zumal viele Firmen derzeit keine neuen Mitarbeiter einstellen.

Erste Anlaufstelle ist das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum Zug. Für die Beratung, Beschäftigung und Vermittlung von Sozialhilfebezügern und Asylsuchenden hingegen ist die gemeinnützige Gesellschaft Zug zuständig. 175 Personen konnten 2019 in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden. Weitere 236 Personen leisteten temporäre Arbeitseinsätze im ersten Arbeitsmarkt.

Einer von ihnen ist der Chamer Kurt Huwyler. Er kam schon als Jugendlicher mit dem Gesetz in Konflikt, wurde zweimal gekündigt und erlitt kurz nach der Aussteuerung einen Schlaganfall. Jetzt sehen die beruflichen Perspektiven des 49-Jährigen wieder besser aus, wie er im Gespräch erzählt.

zentralplus: Sie arbeiten als Hilfsmagaziner im Werkhof der Baufirma Implenia in Buchrain. Worin besteht Ihre Aufgabe?

Kurt Huwyler: Ich kümmere mich um das Material aus dem Tunnelbau. Das heisst: Ich nehme Bestellungen der Bauführer und Poliere entgegen, gebe die Ware heraus und nehme sie nach Gebrauch wieder in Empfang. Auch die Reinigung und Lagerung des Materials gehören zu meinem Aufgabengebiet: Werkzeug, Kabel, Bagger, Waggons, Gleise, Container, Bohrmaschinen, Stromgeneratoren, Förderbänder, Wasser- und Stahlleitungen, aber auch Arbeitskleidung von den Schuhen und Westen bis zum Helm – all das ist hier in ständigem Umlauf.

zentralplus: Ursprünglich haben Sie Maurer gelernt.

Huwyler: Richtig, die Lehre machte ich im Berner Oberland, nachdem ich dort im Jugendgefängnis sass.

«Den Strafverfolgungsbehörden im Kanton Zug war ich schon früh bekannt.»

Kurt Huwyler

zentralplus: Davon steht aber nichts in Ihrem Lebenslauf.

Huwyler: (lacht) Ist doch klar. In meinem offiziellen Lebenslauf stehen auch sonst nicht alle Dinge, die ich im Alter zwischen 13 und 40 Jahren erlebt habe. Ansonsten bin ich aber relativ offen, was meine Vergangenheit anbelangt. Sagen wir es so: Den Strafverfolgungsbehörden im Kanton Zug war ich schon früh bekannt. Diebstähle, Einbrüche, Handgreiflichkeiten – all das hat bei mir in jungen Jahren angefangen. Parallel dazu habe ich aber immer auch auf legale Weise mein Geld verdient. Prägend waren für mich die 13 Jahre, als ich Angestellter bei der «Papieri» war.

zentralplus: Wie es sich für einen gebürtigen Chamer gehört.

Huwyler: Genau! Schon mein Vater und mein Urgrossvater arbeiteten dort. Selbst habe ich es vom Zellulose-Hersteller bis zum Maschinenführer geschafft. Ich arbeitete Schicht, als ein Schweizer unter vielen Ausländern. Der Job war anstrengend, aber er gefiel mir. Schwieriger wurde es allerdings, als mehrmals hintereinander der Produktionsleiter wechselte. Jeder, der neu kam, wollte den ganzen Laden auf den Kopf stellen. Unmöglich!

zentralplus: Hatten Sie Mühe, Veränderungen zu akzeptieren?

Huwyler: Wenn Veränderungen gut sind, trage ich sie gerne mit. Was mich jedoch ärgerte: Da kamen oft Theoretiker und meinten, sie müssten uns Praktikern Ratschläge erteilen. Dabei hatten doch wir, die langjährigen Arbeiter, mindestens so viel Ahnung von den Abläufen. Jedenfalls habe ich in der Firma nicht alles geschluckt und meine Meinung gesagt, wie es halt meinem Naturell entspricht. Irgendwann war das Fass für meinen Chef dann voll und ich erhielt die Kündigung.

zentralplus: Das klingt nicht, als hätte Sie der Rauswurf überrascht.

Huwyler: Das stimmt. Ich wurde vorgängig mehrmals verwarnt. Aber auf dem Arbeitsmarkt wimmelte es von Stellenangeboten, und ich war zuversichtlich, etwas Neues zu finden. So war es denn auch. Relativ schnell startete ich in der Produktion der V-Zug als Maschinen-Operateur, war also dort im Einsatz, wo Elemente für Geschirrspüler, Waschmaschinen, Backöfen und Tumbler produziert wurden. Acht Jahre lang ging es gut, doch dann gab es wieder Ärger – diesmal wegen arbeitsrechtlichen Fragen. Schliesslich wurde mir auch dort gekündigt. Nach der Anstellung bei V-Zug wurde es dann echt schwierig, etwas Neues zu finden. Ich wurde arbeitslos und musste zwei Jahre lang stempeln.

zentralplus: Das nagt am Ego.

Huwyler: Nicht bei mir. Denn ich war ein vielbeschäftigter Arbeitsloser! Ich meldete mich bei der GGZ-Jobbörse und erhielt diverse Aufträge. Ich arbeitete bei Firmen im Lager, machte Transporte, Büroräumungen und Umzüge, stand an der Abfüllablage, rüstete Autoteile und so weiter. Ich war ständig auf Achse, nahm Jobs an, für ein paar Wochen oder Tage, aber auch nur für ein, zwei Stunden. Denn ob Sie’s glauben oder nicht: Ich arbeite gerne! Ich packe an und habe viel Energie. Im Militär habe ich es bis zum Feldweibel geschafft, und 15 Jahre lang diente ich der Freiwilligen Feuerwehr. Im Prinzip bin ich sogar zum Arbeiten geboren! Nur wenn ich nicht beschäftigt bin, komme ich auf dumme Gedanken. So viel habe ich mittlerweile über mich selbst gelernt.

«Ich habe mir vorgenommen: Diesmal vermassle ich es nicht.»

zentralplus: Kurz nach der Aussteuerung erlitten Sie einen Schlaganfall.

Huwyler: Oh ja, das war happig! Zu der Zeit war ich im Bauteil-Laden der GGZ beschäftigt. Ich ging morgens zur Arbeit und sah plötzlich nicht mehr klar. Statt einem Bild hatte ich zwei Bilder, die aufeinander zuliefen, gleichzeitig vor Augen. Ganz eigenartig! Ich fühlte mich wie beduselt, torkelte herum, griff ins Leere. Mein Chef dachte, ich sei betrunken und schickte mich nach Hause. Beim Bahnhof Zug kippte ich dann um. Meine Hauptschlagader war verstopft, das Gehirn wurde nicht mehr mit Blut versorgt. Ich musste reanimiert werden.

zentralplus: Sie hätten tot sein können.

Huwyler: Allerdings. Es ging mir dann auch eine lange Zeit richtig mies. Über ein Jahr lang war ich krankgeschrieben.

zentralplus: Und kamen wieder auf dumme Gedanken?

Huwyler: Nein. Ich wollte wieder arbeiten, aber ich wusste auch, dass Bewerbungen nichts nützen. Mit der Stelle bei der Implenia klappte es schliesslich dank dem guten Netzwerk der GGZ. Der Chef des Implenia-Magazins spielt nämlich mit meinem Jobcoach von der GGZ Alphorn. Die beiden kennen sich also privat und kamen überein, dass ich – als es mir wieder besser ging – in Buchrain ein dreimonatiges Arbeitstraining absolvieren soll. Dies tat ich, und man war zufrieden mit mir. So erhielt ich im November 2019 eine 50-Prozent-Stelle als Hilfsmagaziner. Per Anfang April 2020 konnte ich sogar auf 100 Prozent aufstocken. Ich habe mir vorgenommen: Diesmal vermassle ich es nicht.

ggz@work: Rekord bei der Integrationsquote

Aufgrund der positiven Wirtschaftslage unterstützte ggz@work im Jahre 2019 insgesamt zwar weniger Stellenlose als im Vorjahr: 299 erhielten eine geregelte Tagesstruktur mit sinnvoller Beschäftigung und sozialen Kontakten, 406 Personen wurden beruflich abgeklärt, beraten und gecoacht. Dafür fand mit 43 Prozent ein ausnehmend hoher Anteil dieser Menschen den Anschluss in den ersten Arbeitsmarkt. Laut Geschäftsführer Carl Utiger ein neuer Rekord. Zusätzlich wurden rund 118'000 temporäre Arbeitsstunden an Firmen, Institutionen und Private vermittelt.

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon