SRF-Fernsehreporter spricht in Zug

Nahost-Korrespondent Pascal Weber: Ein Journalist zwischen Leben und Tod

SRF-Nahost-Korrespondent Pascal Weber hat einen gefährlichen Job: Auf unserem Bild recherchiert er gerade mit Helm und kugelsicherer Weste in Mosul diesen Sommer. Neben ihm: Kameramann Diego Wettstein.

(Bild: zvg)

Als Journalist aus Krisengebieten zu berichten, ist nicht nur sehr anstrengend – sondern vor allem auch sehr gefährlich. Für SRF-Korrespondent Pascal Weber ist dies Alltag. Was er dabei alles erlebt und wie er mit Gefahren umgeht, hat er zentralplus in einem Interview erzählt – bevor er demnächst in der Bibliothek Zug über seinen Beruf spricht.

zentralplus: Wie geht es Ihnen gerade, Herr Weber?

Pascal Weber: Recht gut, danke. Im Nahen Osten steckt man als Korrespondent immer irgendwie in den Startlöchern zu einer Recherche. In den vergangenen siebeneinhalb Jahren, seit ich als Nahost-Korrespondent im Einsatz bin, habe ich es quasi nie geschafft, meine persönlichen Zeit- und Ferienpläne exakt einzuhalten, weil immer etwas dazwischengekommen ist. Und ich weiss oft morgens um neun noch nicht, was der Tag bringt und wo ich mich am Abend aufhalten werde.

zentralplus: Das kann ich mir vorstellen in einem Hotspot wie dem Nahen Osten, wo es ja immer gerade irgendwo brennt oder wo geschossen wird. Sie wohnen derzeit in Beirut. Wie lebt es sich da?

Gespräch mit Pascal Weber in der Bibliothek Zug

Der Nahost-Korrespondent des Schweizer Fernsehens, Pasacal Weber, kommt am Montag, 4. Dezember, in die Stadt Zug. Auf Einladung des Dokumentationszentrums doku-zug.ch und der Bibliothek Zug unterhält sich der Fernsehjournalist mit Werner van Gent über die politischen und sozialen Verhältnisse im Kriegsgebiet Syrien und in anderen arabischen Ländern. Die Veranstaltung, die um 19.30 Uhr in der Bibliothek Zug stattfindet, ist frei.

Weber: Ich lebe jetzt seit zwei Jahren im Libanon. Zuvor war ich vier Jahre lang in Kairo. Davor ein Jahr in Tel Aviv. Jede Destination hat ihre Vor- und Nachteile. Die vier Jahre in Kairo waren sehr lehrreich, aber auch extrem an den Kräften zehrend. Da ist der Alltag in Beirut schon viel einfacher. Beirut gehört zwar auch zum Orient, aber die Gesellschaft ist schon sehr westlich, und man kann sich relativ einfach im Land bewegen.

zentralplus: Wie ist denn das Wetter bei Ihnen?

Weber: Wir befinden uns hier nun in der Regensaison. Es hat so 18 Grad. Das feuchte Wetter dauert bis März. Wobei natürlich auch die Sonne zwischendurch rauskommt. Aber insgesamt ist das Klima mit vielen warmen Tagen und viel Sonne hier schon sehr angenehm.

«Das Gefährlichste ist das Autofahren»

zentralplus: Das glaube ich sofort. Und trotzdem ist es wahrscheinlich nicht ganz ungefährlich, da zu leben, wo Sie sich gerade befinden.

Weber: Wenn man an einem Ort wie hier lebt, gewöhnt man sich an vieles. Das Gefährlichste ist wirklich das Autofahren, weil man sich hier so gut wie nicht an die Verkehrsregeln hält. Andererseits ist die Möglichkeit von Anschlägen nicht so gross, wie man im Westen gemeinhin annimmt – obwohl man im Westen nicht vergessen darf, dass Muslime zu den grössten Opfern von islamistischen Anschlägen zählen.

zentralplus: Wie verständigen Sie sich eigentlich? Sprechen Sie fliessend Arabisch?

Weber: Nein, ich kann Arabisch auf einem Niveau sprechen, dass mich der Taxifahrer versteht. Für inhaltlich komplexe Interviews reicht mein Arabisch nicht. Im Libanon wechseln viele Leute auch sofort auf Englisch oder Französisch, wenn sie merken, dass ihr Gesprächspartner nicht perfekt Arabisch spricht.

«Wir legen unser Leben in die Hände dieser lokalen Mitarbeiter»

zentralplus: Wie recherchieren Sie denn?

Weber: Wir sind immer auf lokale Dolmetscher angewiesen. Diese sind allerdings viel mehr als nur Übersetzer. Sie sind unsere wichtigsten Begleiter, unsere Fahrer, unsere Augen und Ohren. Sprich: Sie sorgen letztendlich für unsere Sicherheit, lotsen uns durch Krisengebiete und sind dafür mitverantwortlich, dass wir wieder gesund nach Hause kommen. Wir legen unser Leben in die Hände dieser lokalen Mitarbeiter.

zentralplus: Das hört sich aber ziemlich kompliziert an … Wie kommt man denn an solche Leute ran und wie kann man ihnen vertrauen?

Weber: Es gibt viele jungen Leute, die kommen in die Hotellobbys, wenn sie wissen, dass sich dort Medienleute aufhalten. Diese jungen Leute kennen sich meist sehr gut aus, sprechen Englisch und Französisch und wollen etwas verdienen. Die andere Möglichkeit, an solche Leute heranzukommen, sind Journalistennetze, wo solche Führer und Dolmetscher vermittelt werden. Oder Journalistenkollegen empfehlen einem jemanden.

Pascal Weber und Kameramann Diego Wettstein im Irak.

Pascal Weber und Kameramann Diego Wettstein im Irak.

(Bild: zvg)

zentralplus: Haben Sie dabei auch schon schlechte Erfahrungen gemacht?

Weber: Ja. Wir – sprich: Kameramann Diego Wettstein und ich – haben auch schon die Erfahrung gemacht, dass wir jemandem nicht mehr getraut haben und uns deshalb kurzfristig entschieden haben, eine andere Person auszuwählen. Und dann gibt es natürlich noch die ganz grossen Fernsehsender, die dann vor Ort plötzlich das Doppelte und Dreifache hinblättern von dem, was wir zahlen. Da können wir dann nicht mehr mithalten.

«Unser Ziel bei Recherchen ist es nicht, an Orte zu gehen, wo gerade gekämpft wird.»

zentralplus: Das ist ja fast wie auf dem Basar. Und wie oft tragen Sie die kugelsichere Weste bei Recherchen in Krisengebieten?

Weber: Unser Ziel bei Recherchen ist es eigentlich nicht, an Orte zu gehen, wo gerade gekämpft wird. Wir begleiten auch grundsätzlich keine kämpfenden Truppen. Diese Limite setzen wir uns und versuchen sie einzuhalten. Allerdings gibt es immer wieder Graubereiche. Etwa, als wir eine Geschichte über einen Feldarzt in Mosul gedreht haben. Da war es klar, dass wir nicht allzu weit von der Front entfernt sein würden.

Die Sache mit den Heckenschützen

zentralplus: Aber es gibt doch in Krisengebieten immer wieder irgendwo Heckenschützen – gerade in Regionen, wo es vermeintlich ruhig ist. Oder nicht?

Weber: Bei den Heckenschützen weiss man zumeist, wo sie ihre Standorte haben. 

zentralplus: Waren Sie trotzdem schon mal in Lebensgefahr?

«Offen gestanden bin ich ein Schisshase und möchte nicht mein Leben für meinen Beruf aufs Spiel setzen.»

Weber: Ja. In Mosul begleiteten wir einmal einen General auf Frontbesuch. Dabei wurde unser Konvoi vom IS zuerst mit Mörsergranaten beschossen, dann versuchte sich ein Selbstmordattentäter mitten im Konvoi in die Luft zu sprengen. Es war unser Glück, dass dieser Attentäter zwei Minuten, bevor wir mit dem General an diese Stelle kamen, entdeckt wurde und sich daraufhin in die Luft sprengte, ohne dass er jemand anderen ebenfalls tötete. Um dem Gefechtsfeuer dann zu entkommen, mussten wir an zwei Sniper-Stellungen vorbeifahren. Das war sehr unangenehm. Gott sei Dank ist nichts passiert. Normalerweise versuchen wir solche Situationen zu vermeiden. Denn offen gestanden bin ich ein Schisshase und möchte nicht mein Leben für meinen Beruf aufs Spiel setzen.

zentralplus: Aber macht Ihnen denn angesichts solcher Gefahren Ihre Arbeit wirklich Spass?

Weber: Ja, denn für jemanden wie mich, der Politikwissenschaft, Geschichte und Völkerrecht studiert hat, sind solche Krisenregionen extrem spannend und interessant.

zentralplus: Kriegt man aber nicht irgendwann die Krise, ständig über eine Krisenregion berichten zu müssen?

Weber: Natürlich kann es langfristig frustrierend sein, über so eine Region zu berichten, in der die Menschen wegen Geld und Macht unter gewaltigen Konflikten leiden müssen. Ich habe aber meinen Grundoptimismus nicht verloren und masse es mir als Europäer auch nicht an, über die Zustände im Nahen Osten zu urteilen. Man darf nicht vergessen, dass sich die arabischen Staaten im Zuge des Arabischen Frühlings in einer grossen Revolution befinden. Sprich: Diese Staaten und Gesellschaften sind auf dem Sprung in die Moderne. Und das ist für viele Menschen ein extrem schmerzhafter Prozess. Vor allem für die jungen Leute, die vorwärtskommen wollen.

Krieg in Syrien wird noch dauern: Tummelfeld vieler Interessengruppen

zentralplus: Apropos schmerzhaft. Wann wird denn dieser furchtbare Krieg in Syrien endlich zu Ende sein?

Weber: Der Krieg wird noch so lange nicht fertig sein, solange Präsident Assad in dem Mass an der Macht bleiben will, dass er das ganze Land zurückerobern möchte. Solange Assad nicht zu wirklichen politischen Reformen bereit ist – und das wird er nie sein –, wird es immer gewalttätigen Widerstand gegen ihn geben. Die Lage in Syrien ist so verworren, nicht zuletzt aufgrund der Vielzahl an Playern, die dort mitmischen wollen. Da sind zum einen die beiden Weltmächte USA und Russland, die sich einmischen. Dann sind da die Regionalmächte Türkei, Iran und Saudi-Arabien. Und es gibt rund 30 lokale Gruppierungen, welche allesamt auf irgendeine Art und Weise die Geschehnisse im Land selbst beeinflussen können.

zentralplus: Und was ist mit Israel und den Palästinensern? Hat der neue internationale Fokus zuerst auf die Al-Kaida und dann auf den IS-Terror dazu beigetragen, dass sich die Gemüter etwas abgekühlt haben? Man hatte ja oft den Eindruck, dass sich Konflikte zwischen Israel und den Palästinensern oftmals hochschaukeln, weil wieder mal Fernsehkameras da waren, die das Ganze in die Welt ausgestrahlt haben.

Weber: Nein, es hat dem Konflikt nicht gut getan. Ministerpräsident Netanjahu hegt nicht im Ansatz den Willen, eine Zweistaatenlösung zu schaffen. Er will nichts verändern, weil es Israel momentan gut geht und die Sicherheitslage recht stabil ist. Die Palästinenser sind derzeit schwach – teilweise selbstverschuldet, teilweise verschuldet durch das Verhalten der arabischen Länder rundherum. Vor allem aber auch, weil sie in 50 Jahren unter israelischer Besatzung nicht wirklich etwas entwickeln konnten.

zentralplus: Man schaut sich Ihre Reportagen im Fernsehen immer wieder gerne an, weil Sie so leidenschaftlich und gleichzeitig authentisch und seriös wirken. Wie schaffen Sie das immer?

«Ich mache eigentlich nichts speziell. Ich muss lediglich das Gespür haben, wo ich mein Mikrofon hinhalten kann und wo nicht.»

Weber: Vielen Dank für das Kompliment. Ich mache eigentlich nichts speziell. Vielleicht liegt es daran, dass ich von allen Journalisten beim SRF den einfachsten Job habe. Denn die Geschichten, über die ich hier berichte, liegen regelrecht auf der Strasse. Und die meisten Geschichten sind eben immer irgendwo existenziell und gehen um Leben und Tod. Ich muss lediglich das Gespür haben, wo ich mein Mikrofon hinhalten kann und wo nicht.

zentralplus: Ist es aber nicht grundsätzlich schwierig, aus Ländern zu berichten, in denen es keine offizielle Wahrheit gibt – sondern nur die jeweiligen Wahrheiten der einzelnen Kämpfer und Interessengruppen?

Weber: Es ist in der Tat sehr speziell, über Gesellschaft und Politik in Ländern zu berichten, wo es keine offiziellen Wahrheiten – oder anders gesagt: keine aggregierten Übereinkünfte – gibt. Dieser Zustand gründet sich in den arabischen Staaten nicht zuletzt auf die Rolle der Religion auf der einen Seite sowie der autokratischen politischen und patriarchalen gesellschaftlichen Zustände auf der anderen Seite.

zentralplus: Was heisst das konkret?

«Es gibt in diesen Staaten keinen Raum, in dem öffentliche Diskurse angstfrei geführt werden können.»

Weber: Das heisst konkret: Der Wille von Gott wird nicht infrage gestellt. Ebenso wenig der vom Präsidenten. Und schlussendlich wird konsequenterweise vielleicht dann auch der Wille des Familienoberhaupts nicht infrage gestellt. Es gibt in diesen Staaten keinen Raum, in dem öffentliche Diskurse angstfrei geführt werden können.

zentralplus: Und welche Konsequenzen hat das dann auf Ihre Berichterstattung?

Weber: Ich sage mir, die Wahrheit gibt’s nicht. Es gibt nur die Lebenswahrheit jedes Einzelnen, den ich interviewe: die vom Händler am Eck. Oder von der Mutter, die ihren Sohn im Krieg verloren hat. Diese Menschen lasse ich zu Wort kommen und gebe ihre Weltsicht so authentisch wie möglich weiter. Deshalb mache ich auch nie Interviews mit den Mächtigen – die würden mir nur ihre langweilige Propaganda erzählen.

«Man wird etwas unpünktlicher»

zentralplus: Welche Lebensgewohnheiten übernimmt man eigentlich, wenn man schon so lange wie Sie im Nahen Osten lebt?

Weber: Man wird etwas unpünktlicher.

zentralplus: Leben Sie alleine oder haben Sie Familie?

Weber: Ich habe Familie und zwei kleine Kinder. Wir sind eine ganz normale Schweizer Familie. Meine Kinder sind eineinhalbjährig und viereinhalbjährig. Mein älterer Sohn ist im Nahen Osten geboren, für ihn ist der Orient seine Heimat – abgesehen von den Ferienwochen auf dem Bauernhof meiner Schwiegereltern im Thurgau. Er geht hier auf eine internationale Schule.

zentralplus: Und wie kommt Ihre Frau mit Ihrem Job zurecht?

Weber: Meine Frau muss wegen meines Berufs viel einstecken oder zurückstecken. Das ist selbstverständlich nicht immer einfach. Andererseits versuche ich, so viel Zeit wie möglich für meine Familie aufzubringen. Und im Sommer machen wir regelmässig zwei Monate Ferien in der Schweiz, damit wir uns richtig erholen. Sonst könnte ich diesen anstrengenden Job hier nicht ausüben.

Pascal Weber berichtete früher über Sport

Der Rapperswiler Pascal Weber hat seine Stelle im Nahen Osten 2010 angetreten. Der 1973 geborene SRF-Fernsehjournalist studierte Politikwissenschaft, Geschichte der Neuzeit und Völkerrecht an der Universität Zürich.

Dieses Studium gebe ihm das nötige Rüstzeug für seine derzeitige Funktion in dieser Krisenregion, teilte das Schweizer Fernsehen mit. Pascal Weber arbeitete seit 1999 für das Schweizer Fernsehen. Als Redaktor und Produzent war er zunächst in der Sportredaktion tätig, in denselben Funktionen arbeitete er während der letzten vier Jahre für «10vor10».

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