Gesellschaft
Zweifelhafte Hilfsorganisation – Neubad reagiert

Mutmasslich Rechtsradikale sollten Geld aus Anlass im Neubad erhalten

Das Neubad in der Stadt Luzern. (Bild: zvg)

Eine externe Veranstaltung im Luzerner Neubad wollte Geld für eine Hilfsorganisation in der Ukraine sammeln. Doch deren Mitglieder tragen auf Bildern rechtsradikale Symbole und Flaggen. Als das bekannt wird, handelt das Neubad sofort.

Jede Woche dürfen Interessierte die Küche des Kulturzentrums «Netzwerk Neubad» in der Stadt Luzern mieten. Nicht selten wird die sogenannte Gastküche genutzt, um für wohltätige Zwecke Geld zu sammeln. So auch diese Woche: Die Veranstaltung «Soli-Dinner für Ukraine» am Samstag verspricht ukrainische Küche und will die Einnahmen an eine ukrainische Hilfsorganisation spenden.

Doch zwei Tage vor der Veranstaltung stellen sich plötzlich Fragen über die politische Gesinnung der Organisation in der Ukraine. Es ist schon weit nach 22 Uhr, als die E-Mail eines unbekannten Absenders das Team vom Neubad erreicht. Darin enthalten ist ein PDF mit mutmasslichen Beweisen für eine rechtsradikale Ausrichtung der Hilfsorganisation in der Ukraine.

Auch zentralplus hat vom Absender das Dokument erhalten. Er selbst wolle anonym bleiben, wie er auf Anfrage mitteilt.

Die Organisation versorgt verletzte Soldaten

Die Spenden des Anlasses sollten an eine ukrainische Freiwilligenorganisation gehen. Diese beschäftigt sich seit 2014 mit der Versorgung von verletzten Soldaten an der Front. Die Ausbildung der Mitglieder ist stark militärisch geprägt. Gemäss ukrainischen Medienangaben hat die Organisation bisher über 2'700 Soldaten gerettet.

Auf dem ersten Bild auf der Organisationswebsite posiert eine Gruppe Freiwilliger in Militärkleidern mit einer Flagge. Diese ist waagrecht geteilt, der obere Teil ist rot, der untere schwarz. In der Mitte prangt das Logo der Hilfsorganisation.

Die Flagge ist in der Ukraine nicht unbekannt. Sie gehörte zur Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN), die Anfang des 20. Jahrhunderts gegen ausländische Besatzungen kämpfte. Im April 2015 erklärte das ukrainische Parlament ihre Mitglieder zu Unabhängigkeitskämpfern. Ausländische Historiker stufen die OUN allerdings als faschistisch und rechtsradikal ein.

Rechtsradikale Symbolik

Nicht nur die OUN nutzte die schwarz-rote Flagge, auch die rechtsextreme Organisation Prawyj Sektor (Rechter Sektor) bedient sich dieser Farben. Der «Rechte Sektor» entstand 2013 aus mehreren radikal-nationalistischen Organisationen und wurde ein Jahr später zu einer politischen Partei. Auf ihrer schwarz-roten Flagge prangt ein Dreizack, wahlweise mit einem Schwert in der Mitte oder mit zwei Gewehren rechts und links.

Das Logo findet sich auch im Zusammenhang mit der Hilfsorganisation. Auf zahlreichen Uniformärmeln von Mitgliedern ist das Symbol aufgenäht – das zeigen Bilder auf ihrer offiziellen Facebook-Seite. Sowohl die Website als auch der Auftritt in den sozialen Medien machen deutlich: Die Organisation scheut sich nicht, die schwarz-rote Flagge und den Dreizack zu zeigen – beides Symbole rechtsradikaler Gruppierungen in der Ukraine.

Auch bekannte Mitglieder der Hilfsorganisation präsentieren sich in den sozialen Medien. Eine junge Frau, die bereits dem Fernsehsender BBC die Organisation vorstellte, zeigt sich auf ihrem Profil gemeinsam mit zwei Männern in deutscher Wehrmachtsuniform. Daneben ist auf Ukrainisch zu lesen: «Wir wissen nicht, was passiert wäre, wenn die Deutschen gewonnen hätten. Aber sehen Sie sich an, wie Deutschland heute lebt.»

Neubad ist dankbar für die Aufklärung

Bereits am Morgen nach der E-Mail reagierte das Neubad-Team und schrieb an den Absender: «Vielen Dank für dein Feedback und wertvolle Recherche. Wir gehen der Sache sofort nach und melden uns bei dir.» Gegenüber zentralplus erklärt die Geschäftsleiterin Nathalie Brunner, was hinter den Kulissen geschah.

«Wir wollen weiterhin Gutes tun und werden in Zukunft tiefer recherchieren. Das nehmen wir mit.»

Nathalie Brunner, Geschäftsleiterin Neubad

«Wir haben die Hilfsorganisation im besten Gewissen von einer Mitarbeiterin prüfen lassen», erklärt sie. Da das Neubad die Veranstalter des Soli-Dinners persönliche kenne, habe es aber keine vertiefte Recherche gegeben. Auch einen Anlass habe das Kulturzentrum nicht gehabt. «Uns waren die ukrainischen Fahnen und Symbole nicht geläufig.» Als Reaktion auf die E-Mail kontaktierte die Geschäftsleitung sofort die externen Veranstalter des Soli-Dinners – auch diese hätten von der problematischen Symbolik nichts gewusst.

Im ersten Schritt entfernte das Neubad den Link zur Veranstaltung von seinen Kanälen. Im zweiten Schritt habe sich das Kulturzentrum in Absprache mit den externen Veranstalterinnen dafür entschieden, nicht an die Hilfsorganisation zu spenden. Stattdessen soll das Geld aus dem Soli-Dinner an eine zertifizierte Organisation in der Schweiz gehen, erklärt Nathalie Brunner. Sie resümiert: «Wir wollen weiterhin Gutes tun und werden in Zukunft tiefer recherchieren. Das nehmen wir mit.»

Verwendete Quellen
  • Website der Hilfsorganisation
  • Facebook-Auftritt der Hilfsorganisation
  • Bundeszentrale für politische Bildung über ukrainischen Nationalismus
  • Bundeszentrale für politische Bildung über den Aufstieg einer «unzivilen» Gesellschaft
  • Facebook-Profil eines medienbekannten Mitglieds der Organisation
  • Artikel des «Frontliner» über die Organisation
  • Website des Neubad zur «Gastküche: Soli-Dinner für Ukraine»
  • Telefonat mit Nathalie Brunner, Neubad Luzern
  • Schriftlicher Austausch mit einer anonymen Quelle
Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.


Gesellschaft
Apple Store IconGoogle Play Store Icon