Luzerner Schuhputzer reist an die WM

«Mr. Dapper» poliert Schuhe so gut wie kaum ein anderer

Albert Gjukaj gehört zu den weltbesten Schuhpolierern. (Bild: zar)

Ein Luzerner Schuhputzer greift in London nach dem Weltmeistertitel im Schuhpolieren. Jahrelange Vorbereitung, ein Millionenpublikum in den sozialen Medien sowie begeisterte Experten stimmen ihn zuversichtlich.

Die einen schauen erst auf die Hände, andere suchen stets den Augenkontakt und dritte wiederum werden magisch angezogen von Körperrundungen. Albert Gjukajs Blick hingegen schweift immerzu nach unten. Egal, ob Mann oder Frau, «ich schaue immer zuerst auf die Schuhe». Objekte seiner Begierde sind nicht etwa ausgefallene Sneaker-Kreationen, nein. Gjukaj mag es klassisch, elegant – und vor allem hochwertig.  

Es ist kurz vor Feierabend. Die Lüftung summt leise, die allabendliche Verkehrshektik scheint im dezent beleuchteten Salon für Qualitätsschuhe an der Pilatusstrasse 14 in Luzern weit weg. Mr. Dapper nennt sich das Geschäft, das sich auf den Verkauf und Reparaturen von hochwertigen Lederschuhen spezialisiert hat.  

Gefordert: Wachs, Wasser und viel Fingerspitzengefühl

Und Herr Adrett (so die Übersetzung aus dem Englischen) nennt sich auch Mitinhaber Gjukaj selbst. Der 39-jährige Familienvater von drei Kindern lehnt sich entspannt in einem ebenso bequemen wie auslassenden Chesterfield-Sessel zurück und gibt bereitwillig Auskunft zu seinem Nischenmetier, zu seiner Faszination für das edle Fussleder generell – sowie zu seinem grossen Auftritt heute Samstag im Speziellen. Denn an diesem Tag steigen in London die Weltmeisterschaften im Schuhpolieren (World Championship of Shoe Shining). Und Gjukaj wird 20 Minuten Zeit haben, um mit einem Baumwolllappen, ein wenig Wachs, noch weniger Wasser, aber umso mehr Fingerspitzengefühl einen Schuh auf Hochglanz zu polieren – und sich gegen die Konkurrenz aus England und Japan durchzusetzen.  

Es wird Gjukajs erster Auftritt an den Weltmeisterschaften sein. Seine Ambitionen indes schmälert das nicht. «Ich gehe nach London, um zu gewinnen», sagt Gjukaj selbstsicher. Die Selbstsicherheit rührt nicht von ungefähr. Zum einen hat er bereits an den Europameisterschaften in Holland eine Silbermedaille im Schuhreparieren gewonnen, zum anderen können über sieben Jahre des beständigen Übens im Wachseinreiben nicht spurlos an ihm vorbeigegangen sein. 

Millionen folgen ihm auf Tiktok – in der Schweiz ohne Konkurrenz

Und dann ist da noch die Bestätigung von aussen, die von allen Seiten auf ihn einprasselt. Seine Schuhputz- und Reparaturvideos generieren auf Instagram Zehntausende von Klicks, auf Tiktok gar Millionen. Aber auch Experten vom Fach sind begeistert: Das Onlinemedium «The Shoe Snob» – laut bescheidener Eigenangabe «die weltweit führende Autorität für Edelschuhe» – schwärmt von Gjukajs «erstaunlichem Glanz mit unglaublicher Tiefe». 

«Ich legte immer schon grossen Wert auf saubere Schuhe.»

Albert Gjukaj

Ob diese «unglaubliche Tiefe» letztlich für den 1. Platz genügt? Womöglich. Sicher aber ist: Weil nur drei Kandidaten für den Final zugelassen wurden, wird Gjukaj letztlich so oder so auf dem Podest stehen. Und auch sicher ist: Während die Konkurrenz in Ländern wie England, Frankreich oder auch den USA nach eigenen Angaben stark sei, steht Mr. Dapper in der Schweiz so ziemlich alleine da. «Von Schweizer Konkurrenz habe ich bisher noch nichts mitbekommen.» 

Woher diese Faszination für Lederschuhe? Er könne es auch heute noch nicht in Worte fassen. Klar ist: Die Passion des gelernten Automechanikers mit kosovarischen Wurzeln hat sich schon in der Kindheit manifestiert. «Ich legte immer schon grossen Wert auf saubere Schuhe.» Mit 13 kaufte sich Albert Gjukaj dann die erste Schuhcreme, bald schon interessierte er sich mehr dafür, wie ein Schuh gefertigt wird, als für sein blosses Aussehen. «Umso schmerzhafter ist es mitanzusehen, wie die eigenen Kinder sich bloss für Air Jordans interessieren», scherzt Mr. Dapper. 

Aus alt mach neu: Qualität macht es möglich

Die Faszination hat bis heute angehalten – und mit ihr ist auch die persönliche Schuhsammlung beständig angewachsen, auf gegen 60 Paar. Auch weil man hochwertiges Schuhwerk nicht wegwerfen, sondern immer wieder reparieren kann. Das ist es denn, was Gjukaj nach wie vor eine besondere Genugtuung verschafft: «Einen alten Schuh wieder so herzurichten, dass er wie neu daherkommt.» Dafür ist allerdings gute Qualität ein Muss (s. Gjukajs Tipps für den Schuhkauf).   

So riesig das Interesse in den sozialen Medien, so gross die Gewinnchancen in London: Auch im Leben des piekfein gekleideten Mr. Dapper ist nicht immer alles nur rosig. Gerade Corona habe den Nerven und dem Geldbeutel einiges abverlangt. Die neusten Zahlen stimmen ihn aber zuversichtlich. Und wer weiss, vielleicht wird ein mögliches Siegervideo von den Schuhputzmeisterschaften in London nicht nur für zig-Tausende von Klicks auf Instagram oder Tiktok sorgen, sondern auch für den einen oder anderen Neukunden.

Lust auf hochwertige Lederschuhe?

Diese Tipps hat Albert Gjukaj – bekannt als Mr. Dapper – für dich: 

  • Qualität hat seinen Preis. Wer jahrelang Freude an seinen Schuhen haben will, bezahlt 450 Franken und mehr.  
  • Der Preis allein sei aber noch kein Garant für Qualität. Denn: «Es gibt Markenschuhe für 1’000 Franken und mehr, die trotzdem bloss verleimt sind.» 
  • Was uns zum entscheidenden Punkt bringt: Suche nach rahmengenähten Schuhen. Diese Konstruktionsweise zeugt laut Gjukaj von hoher Handwerkskunst und lässt sich erst noch besonders gut reparieren. «So sehen die Schuhe auch nach Jahren wieder wie neu aus.»
  • Ein genauer Blick lohnt sich gemäss dem Experten, denn nicht alles, was rahmengenäht daherkommt, ist es auch wirklich. Wer auf Nummer sicher gehen will, vergleicht die Nähte auf dem Rahmen und unter der Sohle. Nur wenn die Stichabstände identisch sind, handelt es sich auch um einen echten rahmengenähten Schuh, erklärt Gukaj. 
  • Generell bei Herrenschuhen gilt: Mit made in England könne man nichts falsch machen. Und generell würden die hochwertigsten Schuhe aus Europa oder den USA kommen. Für Produkte aus Fernost mahnt Gjukaj: «Finger weg.» Wegen der Qualität und nicht zuletzt auch wegen den Produktionsbedingungen.  
Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Albert Gjukaj
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Marsumarsu
    Marsumarsu, 13.05.2023, 15:10 Uhr

    Kopfschüttelnd, grinsend und ohne grossen Worte weiss ich von ihm, was ich nur bestätigen kann, niemals Schuhe von grossen Modebrands zu kaufen. Die sind es nicht mal Wert in den Schrott geschossen zu werden
    Meinen alten Stiefeletten sind die Jahre anzusehen, doch Mr. Dapper hält sie Bestform.
    Ich wünsche ihm, dass an dieser Meisterschaft seine Passion für das Schuhhandwerk honoriert wird.

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