Nun wechselt die 28-Jährige in ein neues Atelier

Mo Ducommun: Luzerns Tätowiererin mit der wohl längsten Warteliste

Trägt kaum Schmuck – denn für Mo Ducommun (28) sind ihre Tattoos Kunst und Schmuck zugleich.

(Bild: ida)

Vier Jahre lang tätowierte Mo Ducommun im Tattoo-Atelier im Maihofquartier. Obwohl sie erst seit einigen Jahren tätowiert, hat sie sich zu einer der beliebtesten Tätowiererinnen der Stadt gemausert. Doch nun steht etwas Neues an.

Im Hintergrund surrt eine Tätowiernadel. An den Wänden hängen Skizzen von Rosen und anderen Pflanzen, aber auch von einer Schlange und Frida Kahlo. Es riecht nach Desinfektionsmittel und Tinte. Durch das offene Fenster pfeift ein Vogel. Mittendrin steht Mo Ducommun – die für einmal nicht die Tattoomaschine in der Hand hält, sondern bei einem Kaffee am Tisch sitzt.

In den letzten Jahren hat sich die 28-Jährige zu einer der beliebtesten Tätowiererinnen der Stadt gemausert. Wer bei ihr einen Termin will, muss je nach Projekt monatelang warten.

Schlange, Schmetterling, Rakete, Mond und dutzende weitere Motive zieren ihre beiden Arme. «Ich trage kaum Schmuck», sagt die 28-Jährige. «Mein Schmuck sind meine Tattoos.» Und diese müssten nicht immer eine «mega Bedeutung» haben. «Sie dürfen ein Bild aus vergangener Zeit sein.»

Das Pizzastück auf der Wade

Ducommuns erstes Tattoo war hingegen etwas Spezielles. Auch heute noch. Auf ihren rechten Unterarm hat sie sich mit 20 Jahren ein Papierschiff mit einem Herzen stechen lassen. Als Andenken an ihren verstorbenen Grossvater, der Fischer war.

Vier Jahre lang tätowierte sie im «Il Gatto & La Volpe» im Maihofquartier, das Marco Burdino führt (zentralplus berichtete). Nun wechselt Ducommun die Strassenseite – und wird ab Juli Teil des Teams vom «The Atelier» an der Wesemlinstrasse. Das erste Mal wird sie da bereits an diesem Samstag anzutreffen sein (siehe Infobox).

Es sei Zeit für etwas Neues, begründet Ducommun. «Ich habe eine Zeit lang stagniert, hatte eine Motivationskrise», sagt sie. «Als Tätowiererin musst du immer abliefern.» Schliesslich wird das Gegenüber, in dessen Körper die Tätowiernadel einsticht, auch ein Leben lang mit dem Tattoo leben müssen. Sie selbst sei sehr selbstkritisch und perfektionistisch. «Einerseits ist das nicht immer ganz so gesund, andererseits ist es ein Garant, dass die Arbeit gut rauskommt.» Im neuen Atelier hoffe sie nun auf einen frischen Wind – auch wenn sie das alte wehmütig verlässt.

«Damals dachte ich noch als Erstes: Um Gottes Willen, nein!»

Mo Ducommun, Luzerner Tätowiererin

Ducommun ist – wie die meisten Tätowiererinnen – eine Quereinsteigerin. Sie ist gelernte Polygrafin, arbeitete einst bei einem Verlag. Als kleines Kind schon habe sie gezeichnet. Als sie begann, ihre Skizzen auf Instagram zu posten, wurde Tätowierer Burdino auf Ducommun aufmerksam. Er schrieb sie an, ob sie nicht Lust hätte, das Tattoo-Handwerk zu erlernen. «Damals dachte ich noch als erstes: Um Gottes Willen, nein!», erzählt die Luzernerin. Nicht, weil es sie nicht interessierte. «Mehr weil ich gedacht habe, dass es ja bereits genügend Tätowierer gibt, die das nicht unbedingt tun sollten», so Ducommun. Denn da hoffe sie sich nicht einzureihen.

Dennoch liess sie der Gedanke, selbst zu tätowieren, nicht los. Sie fragte eine Bekannte, ob sie ihre Tätowiermaschine ausleihen könnte. «Eigentlich wollte ich die Maschine nur testen – doch sie meinte, ich könne ihr ja gleich etwas stechen», erzählt Ducommun. Und so kam’s, dass sie ihrer Kollegin auf dem Küchentisch ein Stück Pizza auf den Unterschenkel tätowierte. «Im Vergleich zu heute sieht das Tattoo natürlich schlimm aus», so Ducommuns Kommentar. «Aber für damals war es ganz okay.»

Eine Blume, die Mo Ducommun gestochen hat:

 
 
 
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Das Einpendeln in der Selbständigkeit

Die Lust und Neugierde nach besagter Session kam auf, also meldete sich Ducommun bei Burdino, ob sein Angebot noch stehe. Zuerst schaute sie ihm einmal wöchentlich über die Schulter, lernte von ihm das Tätowierhandwerk. Als Burdino das Tattoo-Atelier eröffnete, bot er ihr einen Platz an. Erst arbeitete sie ein bis zwei Tage die Woche. Bis sie Ende 2016 ihren Job als Polygrafin endgültig an den Nagel hängte und hauptberuflich auf die Tätowiermaschine setzte. «Ich lebte immer gerne meine Kreativität aus», so Ducommun. Und beim Tätowieren könne sie das mehr als bei einem Bürojob. Das Tätowieren sei ihre Berufung und ihre Passion, wie sie heute sagt. Dass sie mit Liebe zum Detail arbeite, würden auch ihre Kunden schätzen. Weswegen Ducommun wohl nicht selten viel zu tun hat.

Walk In Day

An diesem Samstag wird Mo Ducommun das erste Mal im «The Atelier» an der Wesemlinstrasse 27 anzutreffen sei. Von 11 bis 19 Uhr findet der «Walk In Day» statt. Neben Mo Ducommun werden sechs weitere Tätowierer ausgewählte Motive mitbringen, die man sich spontan stechen lassen kann.

Denn Ducommuns Arbeit stösst auf Anklang. Wer bei ihr einen Termin will, muss teils monatelang warten, bis sie ihre Terminagenda öffnet. Beispielsweise nimmt sie einen Morgen im August E-Mails mit Anfragen entgegen. Danach ist sie grösstenteils bis Ende Jahr ausgebucht. Für kleinere Tattoos oder sogenannte «Wannados» habe sie jedoch auch zwischendurch mal Zeit. «Oder wer sich spontan von mir tätowieren lassen möchte, findet mich an Events.»

Dennoch hat Ducommun auf die harte Tour lernen müssen, wie viel sie arbeiten kann, damit es noch gesund ist. «Zu Beginn habe ich viel zu viel gearbeitet, habe mich total übernommen.» Anfänglich sei auch der Respekt da gewesen, als selbständige Künstlerin nicht mehr ein fixes Einkommen zu haben.

So ging es nicht lange, bis Ducommuns Körper nicht mehr mitspielte. Kaum selbständig, hatte sie eine Sehnenscheidenentzündung an beiden Armen. Zwei Monate musste sie deshalb das Arbeiten sein lassen. «Heute weiss ich, dass Dinge nur gut werden, wenn sie mit genügend Zeit, ohne Druck und viel Leidenschaft entstehen», so die Luzernerin.

Der nächste Kunde: Ihr Vater

«Wenn mich jemand nach meinem Stil fragt, kann ich es selbst nicht genau definieren», so Ducommun. «Während andere die eine Skizze oder ein Tattoo von mir gleich erkennen.» Am liebsten tätowiert sie ornamentale Muster, Dinge aus der Natur, vor allem Pflanzen. Aber auch dunkle Motive, Schlangen und Insekten. «Das Morbide und Melancholische fasziniert mich.»

Auch wenn die 28-Jährige ihre Handschrift selbst nicht beschreiben kann, ist es ihr wichtig, sich als Künstlerin einzubringen. Eine Skizze oder ein Tattoo zu kopieren, sei ein absolutes No-Go. Am Ende müssten beide zufrieden sein, Kunde wie auch die Tätowiererin: «Für mich ist ein Tattoo immer eine gemeinsame Sache.»

«Heute weiss ich, dass Dinge nur gut werden, wenn sie mit genügend Zeit, ohne Druck und viel Leidenschaft entstehen.»

Mo Ducommun

Bald wird Ducommun übrigens auch ihren Vater tätowieren. Eine besondere Sache – für beide. «Er ist 67 Jahre alt und es wird sein erstes Tattoo», erzählt sie lächelnd. «Er hätte sich vermutlich nie tätowieren lassen, wenn seine Tochter nicht Tätowiererin wäre.» Er wolle einen Stierkopf, das sei auf jeden Fall der Plan. Ob er aufgeregt ist? «Vermutlich bin ich aufgeregter als er. Es ist etwas Spezielles, einen Menschen, der einem so nahe steht, zu tätowieren.»

Denn für Ducommun sind Tattoos ganz normal. Dass dies nicht jedermanns Sache ist, weiss auch sie. «Die Leute schauen, wenn man gerade als Frau so viele Tattoos hat.» So auch, als sie letztens im National schwimmen ging und eine alte Frau zu ihr rüberschwamm. «Sie sagte, dass sie schon hoffe, dass mir die vielen Tattoos noch gefallen, wenn ich dann mal alt sei. Ihr jedenfalls gefalle das überhaupt nicht.» Ducommun erwiderte: «Schauen Sie, das ist Geschmackssache.» Und schwamm seelenruhig davon.

Und auch diesen Matrosen hat Ducommun gestochen:

 
 
 
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Ein Beitrag geteilt von 𝕸𝖔 𝕯𝖚𝖈𝖔𝖒𝖒𝖚𝖓 𝕿𝖆𝖙𝖙𝖔𝖔𝖘 (@moducommun) amJan 27, 2018 um 7:28 PST

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