Messerstecher von Hohenrain zieht Urteil weiter

Mit Hammer, Pfefferspray und Klappmessern griffen sie an

Auf dieser Wiese gleich neben dem Trottoir verstarb der erstochene Brasilianer.

(Bild: Google Maps)

Fast schon neun Jahre liegt die Tat zurück: Nach einem Handgemenge am Barfestival in Hochdorf lag ein junger Brasilianer tot neben der Strasse. Erstochen mit einem Messer. Nun liegt das schriftliche Urteil vor, der Haupttäter muss für über acht Jahre ins Gefängnis.

Alles nahm am Seetaler Barfestival in Hochdorf seinen Anfang. Und es endete kurz nach 3 Uhr in Hohenrain mit einem Erstochenen am Strassenrand. Die Tatwaffe: ein Arbeitsmesser mit neun Zentimeter langer Klinge. Das Opfer: Vilmar H., ein 24 Jahre junger Mann aus Brasilien, der in der Schweiz ein Landwirtschaftspraktikum absolvierte. Er erlag in dieser Sommernacht einer Stichverletzung und verblutete auf einer Wiese.

Der Vorfall ist schon fast neun Jahre her: In der Nacht auf Samstag, 8. August 2009, kam es zu einer wüsten Rauferei zwischen zwei Männer-Gruppen. Auf der einen Seite vier Brasilianer, auf der anderen die drei angeklagten Personen vom Balkan – ein Mazedonier und zwei Kosovaren.

Einer der Angeklagten verschwand

Das Luzerner Kriminalgericht hat die drei Beschuldigten zu Freiheitsstrafen zwischen 2,5 und 8,25 Jahren verurteilt. Dies geht aus dem nun publizierten schriftlichen Urteil hervor. Der Täter, ein heute 36-jähriger Mazedonier, ist wegen eventualvorsätzlicher Tötung verurteilt worden, weil er den tödlichen Stich verursacht hat. Die beiden Kosovaren im Alter von inzwischen 27 und 31 Jahren wurden unter anderem wegen Angriffs verurteilt.

Zur Anklage kam es erst im August 2016, acht Jahre nach der Tat. Die Verhandlung vor dem Luzerner Kriminalgericht fand im März 2017 statt. Dass sich das Verfahren derart in die Länge zog, hat verschiedene Gründe: Die Rekonstruktion des Geschehens war komplex, einer der drei Angeklagten, der ebenfalls als Täter infrage kam, war lange unauffindbar, weil er sich in den Kosovo abgesetzt hatte. Zudem verzögerte ein möglicher Interessenkonflikt des damaligen Amtsstatthalters das Verfahren. Erst 2015 konnte der Beschuldigte schliesslich im Kosovo befragt und anschliessend in der Schweiz vor Gericht gestellt werden.

Der Vorsatz war klar

Die Raufereien auf dem Festgelände und später der Tathergang an der Hohenrainstrasse sind im Urteil so weit möglich akribisch rekonstruiert. Einer der drei Angeklagten zog sich an diesem Abend durch einen Faustschlag eine blutige Lippe zu. Der Sicherheitsdienst musste schlichten und der Kosovare bekam eine Ladung Pfefferspray ab. Er wollte sich an den Brasilianern rächen, die das Fest inzwischen mit Fahrrädern verlassen hatten und auf dem Heimweg waren.

In einem BMW holten sie die Gruppe ein, der Vorsatz war klar: Die drei Männer wollten die Gruppe angreifen. Ausgerüstet waren sie mit einem Hammer für den Gerüstbau, mit Pfefferspray und zwei Klappmessern.

Kurz vor dem Dorfeingang von Hohenrain schritten die Angreifer zur Tat, die Brasilianer liessen ihre Velos fallen und wollten flüchten. Es folgte eine Auseinandersetzung am Strassenrand, die nur ein paar Minuten dauerte. Einer der Brasilianer wurde auf dem Bauch liegend in den Schwitzkasten genommen und mit dem Metallhammer auf Gesäss, Rücken und Kopf geschlagen.

Kurz vor Hohenrain geschah 2009 das folgenschwere Handgemenge mit einem Toten.

Kurz vor Hohenrain geschah 2009 das folgenschwere Handgemenge mit einem Toten.

(Bild: Google Maps)

Er verblutete auf der Wiese

Kurz darauf kam es zum Handgemenge mit dem Messer – und schliesslich stach eine Klinge in die linke Brust von Vilmar H. Als sie das Blut sahen, flüchteten die Täter mit dem Auto. Der gesamte Angriff dauerte maximal drei Minuten.

Der Erstochene schaffte es noch, sich von der Strasse zu entfernen, legte sich in die Wiese und sagte laut Protokoll: «Die haben mich gestochen.» Die eintreffenden Polizisten und Sanitäter versuchten eine Viertelstunde lang, den stark blutenden Mann zu reanimieren, jedoch vergeblich: Vilmar H. verblutete am Tatort. Wer den tödlichen, neun Zentimeter langen Stich ausführte, wollte keiner der Beteiligten genau gesehen haben.

Die Täter versuchten noch in der Nacht, Spuren zu verwischen und Beweise zu vernichten, die Tatwerkzeuge landeten im Altmetall am Arbeitsort und waren danach nicht mehr auffindbar.

Gewaltbereitschaft ist erwiesen

Der Haupttäter wurde aufgrund von übereinstimmenden Aussagen und Indizien identifiziert. Er trug bei der Tat das Messer auf sich und seine eigenen Aussagen waren «durchwegs unglaubhaft und teilweise schlichtweg gelogen». Ob er den Stich gezielt oder unkoordiniert im Rahmen des Gerangels ausgeführt habe, blieb offen – jedoch stand er als Täter fest, seine Gewaltbereitschaft sieht das Gericht als erwiesen an: «Er hat im Gerangel ein Messer gezogen, dieses eingesetzt und dadurch den Tod eines Menschen herbeigeführt.»

Der Mann aus Mazedonien lebt seit 1990 in der Schweiz, er wurde vom Kriminalgericht der eventualvorsätzlichen Tötung schuldig gesprochen. Zudem muss er neben der Messerstecherei weitere Vergehen verantworten, etwa mehrfache Körperverletzung, Drohung und Sozialbetrug. Ausserdem muss er sich wegen häuslicher Gewalt verantworten, weil er seine Frau mehrfach verletzt und bedroht hatte: Er schlug sie, warf sie zu Boden und gegen die Wand.

Der Mann wurde zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren und 3 Monaten und einer Geldstrafe von 5400 Franken verurteilt, 207 Tage hat er bereits verbüsst. Zudem muss er den Eltern des Todesopfers 30’000 Franken Genugtuung bezahlen. Bis zu seiner Festnahme hat der Mann bei einer Gerüstbaufirma gearbeitet, seit 2012 lebt er mit seiner Familie von der Sozialhilfe.

Der Apotheker aus dem Kosovo

Der zweite Angeklagte muss sich wegen Angriffs sowie mehrerer Vergehen gegen die Verkehrssicherheit verantworten – er erhielt 3 Jahre und 6 Monate Freiheitsstrafe (89 Tage bereits verbüsst) und 11’000 Franken Geldstrafe.

Der dritte Beteiligte schliesslich, der sich in den Kosovo abgesetzt hatte, ist nur des Angriffs schuldig, vom Vorwurf der eventualvorsätzlichen Tötung wurde er freigesprochen. Belastend kam bei ihm hinzu, dass er sich mehrere Jahre nicht um das Verfahren gekümmert und somit die Ermittlungen erheblich erschwert habe, «obwohl er wusste, dass jemand getötet worden war», heisst es im Urteil. Erst 2015, als er erfuhr, dass er von den anderen Beschuldigten ausdrücklich belastet wurde, meldete er sich freiwillig bei den Strafverfolgungsbehörden und half massgeblich, den Fall aufzuklären.

Der Mann, der im Kosovo als Apotheker arbeitete, wurde zu 2 Jahren und 6 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt (25 Tage schon verbüsst). Davon muss er acht Monate unbedingt vollziehen, 22 Monate bedingt. Die drei müssen zudem Verfahrenskosten von insgesamt rund 130’000 Franken berappen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die drei Beschuldigten haben Berufung angemeldet. So dürfte sich bald das Kantonsgericht mit dem Fall befassen.

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