Mütter von Schülern schlagen Alarm

Mit Baracken – so kämpft Zug gegen Raumnot

Vom Provisorium zum Baudenkmal geworden: Schulanlage Gimenen in Zug. (Bild: mam)

Die Stadt Zug wächst, ebenso die Zahl der Schulkinder. Doch die Politiker der reichen Stadt haben in der Vergangenheit lieber gespart und die Steuern gesenkt als in die Bildung investiert. Daher gibt’s für die Kinder keine Schulen, sondern einfach neue Baracken.

«Freiwilliger Unterricht zu abenteuerlichen Zeiten», weil die nötigen Räumlichkeiten fehlen. Auswärts turnen und eine «prekäre Situation bei der schulergänzenden Betreuung». Ausserdem viel zu wenig Problembewusstsein bei den Politikern: Das trieb Caroline Hirtt und Marilena Amato Mengis, beides Vertreterinnen von Eltern-Lehrer-Gruppen an städtischen Schulen, vor kurzem dazu, einen flammenden Appell an alle Zuger Gemeinderätinnen und Gemeinderäte zu schicken. Und anschliessend per Leserbrief auch in der «Zuger Zeitung» Alarm zu schlagen.

Die beiden hatten sich im Spätherbst die Debatte zum gemeindlichen Schulraumkonzept im Zuger Stadtparlament angesehen. Stete Veränderungen und technologische Entwicklungen machten die Planung nicht einfach, geben Hirtt und Amato zu. «Dies darf aber keine Entschuldigung sein, einfach nichts zu tun oder abzuwarten», schrieben sie den Gemeinderäten.

«Bildung sollte Priorität haben»

Die Bildungsstätten sollten zuoberst auf der Prioritätenliste der Politikerinnen und Politiker stehen. Deshalb sollten die Politiker aktiv «agieren und nicht nur reagieren», «umsetzen und nicht nur planen». Damit die Schulen in Zug ihren Auftrag erfüllen können.

Wie eine Bestätigung von Hirtts und Amatos Weckruf wirkt eine Bauausschreibung im Zuger Amstblatt. Dort sind neue Schulbauten angekündigt – in Form von provisorischen Baracken. Ein Pavillon soll beim Schulhaus Kirchmatt zu stehen kommen, wo im kommenden Schuljahr ein neuer Kindergarten geschaffen wird.

Der Sparwut zum Opfer gefallen

Ein weiterer Pavillon wird bei der Schulanlage Herti hingestellt. Dieses erinnert heute schon an ein Barackendorf: Neben den festen Schulbauten gibt es dort bereits drei Provisorien – davon zwei doppelstöckige, mit besserem Ausbaustandard.

2013 war ein konkretes Bauprojekt zur Erweiterung und Instandsetzung des Schulhauses Herti im Stadtparlament abgelehnt worden. Damals schrieb die Stadt Zug vorübergehend rote Zahlen und die Gemeinderäte packte die Sparwut.

Steuersenkung statt Herti-Ausbau

Mittlerweile badet man wieder in Millionen-Überschüssen, der Steuersatz wurde von 60 Prozent im Jahr 2013 auf aktuell 54 Prozent gesenkt. Aber der Mangel an Schulraum hat sich seither verschärft.

«Wir haben uns nach dem Scheitern des Bauprojekts für die Schulanlage Herti unverzüglich auf den Ausbau des Schulhauses Riedmatt konzentriert», sagt die Schulvorsteherin Vroni Straub (CSP). Der Erweiterungsbau konnte kürzlich in Betrieb genommen werden. Hier, im äussersten Westen von Zug, und im Süden – in Oberwil – gibt’s genügend Räume.

Guthirt-Schulhaus stösst an Grenzen

Überall sonst ist die Lage kritisch: Im Schulhaus Guthirt braucht es im Schuljahr 2022/2023 neue Räumlichkeiten, die nicht vorhanden sind. Also muss sich das Bildungsdepartement schleunigst etwas einfallen lassen und Platz in der Umgebung organisieren. Gemäss Vroni Straub soll eine Machbarkeitsstudie zeigen, wo kurz- und langfristig räumliche Bedürfnisse abgdeckt werden können.

In der grössten Zuger Primarschule im Herti wird derweil munter drauflos improvisiert, bis dereinst ein neues Bauprojekt realisiert wird, das absehbar teurer zu stehen kommt als das 2013 abgelehnte.

Raumbedarf im Zentrum

Auch im Schulkreis Zentrum gibt es Raumnot. Hierzu gehören die beiden grösseren Schulhäuser Kirchmatt und Burgbach, die Aussenstellen Gimenen und Hänggeli und die Kindergärten Grünring und Daheim.

Bisher hat man sich im Zentrum damit beholfen, dass man Platz im Schulhaus Maria Opferung in Anspruch genommen hat. Dort befindet sich die Heilpädagogische Schule, ausserdem auch die Schulergänzung und einige Klassen der Regelschule.

Maria Opferung: Verzicht auf Sanierung

Doch die Schule Maria Opferung soll abgerissen werden. In einigen Räumen wurde eine Naphtalin-Belastung festgestellt. Diese Räume werden momentan belüftet. «Wir haben kein akutes Problem, aber sehr wohl Handlungsbedarf», sagt Stadträtin Vroni Straub.  Auf eine absehbar nötige Renovation wird daher verzichtet – lieber möchte man neu bauen.

Weil aber die Stadt Zug die Heilpädagogische Schule für den ganzen Kanton betreibt, hätte die Stadt Zug vom Kanton auch gern eine Beteiligung an den Baukosten. Darüber würden Gespräche geführt, sagt Straub.

Das Schulhaus Maria Opferung soll einem Neubau weichen. (Bild: mam)

Neuer Trakt für Sekundarstufe

Zu guter Letzt braucht auch die Sekundarschule Loreto mehr Kapazitäten.  Der Bau eines zusätzlichen Trakts ist dort beabsichtigt, derzeit wählt eine Jury ein konkretes Projekt aus. Und auch die Musikschule hat zu wenig Platz – kann aber nun Räume im Haus des Lernens an der St. Oswalds-Gasse nutzen (zentralplus berichtete).

Schulvorsteherin Vroni Straub fragt sich, wie es soweit kommen konnte. «Vielleicht haben wir einfach zu wenig laut gejammert», sagt sie. «Vielleicht haben die Stadtschulen einfach zu gut und zu flexibel auf die Situation reagiert». Sodass die Gemeinderätinnen und Gemeinderäte den Ernst der Lage nicht genügend schnell erkannten.

200 Millionen Franken für neue Schulen

Vroni Straub glaubt daran, dass das Stadtparlament mittlerweile die Zeichen der Zeit erkannt hat. «Wir werden in den kommenden Jahren rund 200 Millionen Franken in Schulbauten investieren», sagt sie.

Sonst werden eben Baracken aufgestellt. Dazu hat Vroni Straub zweierlei zu sagen: «Keine einzige Zuger Gemeinde kommt ohne Schulprovisorien aus». Diese erlebten einen regelrechten Boom in der ganzen Schweiz.

Pavillons erfreuen sich grosser Beliebtheit

Grund ist die verstärkte Einwanderung seit den Nullerjahren. Die lang- und mittelfristige Infrastruktur-Planung in der Schweiz war nicht auf einen so schnellen Bevölkerungsanstieg ausgelegt gewesen.

Muss mit einem Parlament klarkommen, das in den vergangenen Jahren vor der Raumnot der Schulen die Augen verschloss: die Zuger Bildungsvorsteherin Vroni Straub (CSP). (Bild: zvg)

Zweitens weist Vroni Straub darauf hin, dass sich einige der Pavillons einer ausserordentlichen Beliebtheit bei Lehr- und Betreuungspersonen sowie bei den Kindern erfreuen. So liess man bei der Erweiterung des Schulhauses Riedmatt neben dem festen Bau eine Art Container-Lösung stehen, die von den Benutzern heiss geliebt wird.

Provisorien werden zu Denkmälern

Überdies ist eine Schule aus Pavillons mittlerweile denkmalgeschützt. Die Anlage Gimenen wurde vom Architekten Fritz Stucky, einem bekannten Pionier für industrielles Bauen, aus seinen dafür entwickelten Fertigbauelementen erstellt.

Ein zweiter Stucky-Pavillon steht seit Urzeiten beim Schulhaus Loreto. Er soll aber nicht bis in alle Ewigkeit stehen bleiben. «Wir wollen in Zukunft wieder vermehrt auf richtige Schulhäuser, aus Schulen aus Stein setzen», sagt Vroni Straub. Ausserdem wolle der Stadtrat dem Mangel an schulergänzenden Betreuungsmöglichkeiten zu Leibe rücken, der ausser in Oberwil in der ganzen Stadt besteht. «Wir möchten uns von einer Angebotsorientiertheit hin zu einer Bedarfsorientierung entwickeln.»

In kurzer Zeit wächt Bevölkerung um 50 Prozent

Damit hat sich die Stadtregierung ein grosses Ziel gesetzt. Denn in Sachen Schulbau besteht in Zug nicht nur ein grosser Nachholbedarf, sondern eine absehbar riesige Zusatznachfrage. Die Stadtplaner rechnen mit einem Anstieg der Bevölkerung um die Hälfte in den nächsten 20 Jahren.

Unter den 15'000 zusätzlichen Einwohnern von Zug werden zahlreiche Kinder sein, die einen Kindergarten oder eine Schule besuchen müssen und vielleicht auch zum Mittagstisch und in die Freizeitbetreuung geschickt werden.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Martin King
    Martin King, 17.05.2020, 19:51 Uhr

    Missmanagement Pur.
    Es gibt meiner Meinung nach, ein systematisches Problem
    1. Wenn das für die Verwaltung zuständige Team keine professionellen Administratoren sind.
    2. Die politisch gewählte Person, die die Position einnimmt, braucht auch die administrativen Fähigkeiten und wissen, oder zumindest soll dafür geschult sein.

    Leider scheint Stadtzug noch nicht des professionelles Verwaltungsarbeitsniveau einer modernen westeuropäischen Stadt gemeistert zu haben, aber es gibt sicherlich einem hochprofessionellen Steuerverwaltungssteam von Weltklasse.

    Es kann nicht sein, dass nach 7 Wochen «Lockdown» die Schulführung führt immer noch nicht, die Lehrkräfte für sich selbst sorgen müssen, nicht einmal auf schulebene koordiniert.

    Katastrophe

    Führung ist gefragt

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