Brennpunkt Expats
Sie berät Expats in Zug

«Mein Tipp für Expats: Tretet einem Verein bei»

Gay Saxby lebt seit über einem Vierteljahrhundert in der Schweiz. Sie setzt sich dafür ein, dass Expats gut integriert sind. (Bild: wia)

Gay Saxby kam vor 27 Jahren als Expat aus Südafrika in die Schweiz. Heute berät sie selbst Ausländer, die sich an das Leben im Kanton Zug gewöhnen müssen. Ein Thema beschäftigt diese im Moment besonders.

Gerade noch einmal Glück gehabt: Am gleichen Tag, an dem zentralplus Gay Saxby zum Interview trifft, reist diese nach Südafrika ab, wo sie gemeinsam mit ihrer Familie Weihnachten verbringen wird.

Doch gestresst wirkt die gebürtige Kapstädterin deshalb nicht. Gut gelaunt sitzt sie im Café Plaza in Cham und trinkt einen Ingwertee. «Ich habe gerade realisiert, dass ich heute vor 27 Jahren ausgewandert bin», erzählt die 51-Jährige. «Dennoch würde ich sagen, dass ich noch immer sehr stark mit Südafrika, und insbesondere Kapstadt verwurzelt bin.» Als Schweizerin sieht sich Saxby nicht. Dies, obwohl sie die Schweiz als ihr Zuhause sieht, längst einen Schweizer Pass hat, sehr gut Deutsch spricht und drei Kinder hat, die in Zug aufgewachsen sind.

1997 reiste die 24-Jährige in die Schweiz. Ursprünglich war geplant, ein, zwei Jahre Auslanderfahrung zu sammeln und dann wieder zurückkehren in ihre Heimat. «Zu jener Zeit hiess es in Südafrika stets: Wenn du die Möglichkeit hast, ins Ausland zu gehen, dann geh. Meist passiert das aufgrund eines Jobs oder wegen der Liebe. Bei mir war es die Liebe.» Ihr damaliger Partner hatte eine Stelle bei der Swiss Re in Zürich bekommen, sie folgte ihm.

Sofort trat sie dem Veloclub dabei

Etwas vom ersten, was Saxby in der Schweiz tat: Sie trat dem lokalen Veloverein bei. «In diesem Jahr fuhr ich Rennrad auf Leistungssportniveau. Ich hatte damals auch ein Sponsoring bekommen und stand vor der Entscheidung, ob ich Profisportlerin werden möchte. Ich entschied mich jedoch dagegen. Ich wollte das Velofahren weiterhin geniessen können.»

«Ich war wirklich ein ‹Small Town Girl›, als ich in die Schweiz kam.»

Gay Saxby, ehemalige Expat und heute Beraterin für ebendiese

Die Beziehung mit ihrem Partner ging kurz darauf in die Brüche, Saxby jedoch blieb in der Schweiz und bekam eine Stelle bei einer Bank. «Ich war damals stolz darauf, es alleine hier zu schaffen», sagt die studierte Ökonomin. Sie erinnert sich: «Ich war wirklich ein ‹Small Town Girl›, als ich in die Schweiz kam. Südafrika war zu jener Zeit, also kurz nach der Apartheid, noch sehr isoliert. Vieles war für mich neu. Was mich damals besonders beeindruckte, war, dass man hier mitten in Europa ist. Innert weniger Stunden kann man verschiedene Länder bereisen.»

Die Monotonie des Schweizers Winter als Knacknuss

Schwierig für sie waren hingegen die für sie gewöhnungsbedürftigen klimatischen Verhältnisse. «Als ich auswanderte, war es in Südafrika Sommer und hier Winter. Es machte mir zu schaffen, dass hier alles so monoton war.» Gleichzeitig lernte sie viele andere Eigenheiten der Schweiz zu schätzen. «So etwa die Ordnung, die Sicherheit und die Sauberkeit. In Südafrika ist man viel stärker aufs Überleben fokussiert.» Doch auch darin sieht sie positive Aspekte: «Es herrscht ein Stück weit Anarchie, was die Leute dazu zwingt, kreative Lösungen zu finden. Das gefällt mir.»

2002 liess sich Saxby mit ihrem neuen Partner in Zug nieder. Englisch hörte man damals in der Öffentlichkeit noch kaum. Durch das zuweilen anstrengende Beamtendeutsch der Behördenpost mussten sich Ausländer noch mit Mühe durchquälen, Beratungsstellen für Expats gab es kaum.

Das hat sich stark verändert. Viele Dokumente gibt es auf Englisch, im Zweifelsfall helfen Online-Übersetzungsinstrumente und Chat GPT weiter. «Zug tut heute sehr viel für seine ausländische Bevölkerung.» Hilfe bietet auch Saxby selber. Sie vertritt im Vorstand der Fachstelle für Migration die englischsprachige Gesellschaft.

Ausserdem war sie bis vor kurzem als sogenannte Schlüsselperson bei der Gemeinde Cham tätig und fungierte dort als Bindeglied zwischen der Gemeinde und zugewanderten Personen aus anderen Kulturen. Auch als Lebenscoach hat Saxby oft mit der englischsprachigen Bevölkerung des Kantons Zug zu tun.

Expats in Zug

Im Jahr 2004 lebten rund 105'000 Personen im Kanton Zug. Davon 22'000 Ausländer, was einem Anteil von 20,3 Prozent entspricht. Heute liegt die Gesamtbevölkerung bei 132'500 Personen. Über 40'000 sind Ausländer, was einem Anteil von 30,3 Prozent gleichkommt (zentralplus berichtete). Insbesondere der Anteil der Personen aus gewissen Ländern hat in dieser Zeit zugenommen. Die Anzahl der Personen aus Grossbritannien etwa hat sich in dieser Zeit mehr als verdreifacht. Im Jahr 2023 lebten 2331 Personen aus dem Vereinigten Königreich in Zug.

Auch die Zahl der Französinnen hat sich verdreifacht (Jahr 2023: 1376). Noch klarer ist die Tendenz bei der russischen Bevölkerung. 2006 lebten 175 Russen in Zug, 2023 waren es 916 Personen. Die südafrikanische Bevölkerung macht da einen vergleichsweise kleinen Anteil aus. Waren es im Jahr 2006 noch 60 Personen, lag die Zahl 2023 bei 199.

Psychische Gesundheit ist auch bei Expats ein Thema

Was ihre Kunden derzeit bewegt? «Im Moment ist die psychische Gesundheit bei vielen ein Thema. Sie sind unsicher, wie sie vorgehen müssen und wohin sie sich wenden können, um Hilfe zu bekommen.» Dies nicht zuletzt deshalb, weil es schwieriger sei, Therapeuten zu finden, die Englisch sprechen. «Das Thema hat zugenommen in den letzten Jahren. Ich merke, dass insbesondere junge Menschen betroffen sind.» Ein Vorteil sei, dass die englischsprachige Community in Zug sehr stark vernetzt sei und sich in vielen Bereichen gegenseitig unterstütze.

«Ich denke, Expats haben heute ein grösseres Interesse, sich in der Gesellschaft zu engagieren.»

Gay Saxby

Seit Saxby nach Zug kam, hat sich die Zahl der englischsprachigen Bevölkerung vervielfacht. «Ich denke, Expats haben heute ein grösseres Interesse, sich in der Gesellschaft zu engagieren. Früher war man diesbezüglich vielleicht etwas weniger offen.» Und weiter: «Mittlerweile gibt es so viele Expats, dass sie nicht nur unter sich bleiben können. Dass es heute eine stärkere Durchmischung zwischen Schweizerinnen und Ausländern gibt, schätze ich sehr.»

Gay Saxby freut sich über die Durchmischung der Kulturen

Zu spüren bekam sie diese Entwicklung erst kürzlich. «Ich habe im Oktober angefangen, sogenannte ‹Death Cafés› zu organisieren. Menschen, die das Bedürfnis haben, über den Tod oder ihre Trauer zu sprechen, treffen sich jeweils in der Bibliothek Zug.»

Sie fährt fort: «Der Anlass findet zwar auf Englisch statt, doch war sicher die Hälfte der Teilnehmer aus der Schweiz. Darunter waren auch solche, die die Bibliothek per Zufall besuchten und spontan teilnahmen. Das war so toll!» Saxby sagt: «Ich glaube, viele Menschen haben ein Bedürfnis nach tiefgründigeren Gesprächen in dieser ungezwungenen Form.»

Was rät Gay Saxby ausländischen Neuzuzügern, damit ihr Leben in Zug leichter wird? Sofort beginnt sie, drei Punkte aufzuzählen: «Erstens, ganz klar: Lernt Deutsch. Zweitens: Tretet einem Verein bei. Vereine sind Grundsteine der Schweizer Gesellschaft. Hier lernt man viel über die Denkweise und die Kultur der Schweizer.» Und drittens: «Seid offen für Neues. Schweizer haben nicht das Bedürfnis, neue Freundschaften mit Ausländern zu schliessen. Darum sollte man selber aktiv auf sie zugehen.»

Saxbys Tee ist ausgetrunken. Sie blickt auf die Uhr. Zeit, ihr Gepäck zuhause zu holen. In wenigen Stunden hebt das Flugzeug Richtung Südafrika ab.

Verwendete Quellen
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