Reichsbürger und Verschwörungstheoretiker?

Massive Kritik an «Wohlfühltagen» in der Messe Luzern

In der Messe Luzern wurde bis vor kurzem noch gegen Corona geimpft – nun tritt dort an den Wohlfühltagen ein Mann auf, der die Pandemie für einen Vorwand der Regierenden hält, mehr Kontrolle auszuüben. (Bild: Emanuel Ammon / Aura)

An den «Wohlfühltagen» in der Messe Luzern dreht sich alles um Gesundheit, Esoterik und Spiritualität. Dieses Jahr ist unter den Referenten aber ein Mann, der in Deutschland hoch umstritten ist. Doch nicht nur das sorgt für Kritik.

In der Messe Luzern finden nächste Woche die «Wohlfühltage» statt. Die Veranstaltung mit rund 80 Ausstellerinnen und Referenten wird bereits zum zweiten Mal durchgeführt. Schon bei der ersten Ausgabe hatte mit Daniele Ganser eine umstrittene Figur einen Auftritt (zentralplus berichtete).

Der Historiker wurde schon vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie von der «Republik» als «Lichtgestalt einer Community, in der die Verschwörungs­theorien blühen» bezeichnet. Seine wissenschaftliche Bilderbuchkarriere bekam einen massiven Knick, als er 2006 in einem Artikel erstmals öffentlich die offizielle Version der Geschehnisse am 11. September 2001 infrage stellte. Seither wird er immer wieder für seine populärwissenschaftlichen Thesen kritisiert. Für seine Anhängerinnen ist das reine Verleumdung.

Reichsbürger wird als «Pionier im Gemeinwohlstaat» angekündigt

Auch dieses Jahr wird Ganser an den Wohlfühltagen referieren. Noch umstrittener ist allerdings der Auftritt von Peter Fitzek. Im Programm wird er als «Pionier im Gemeinwohlstaat» angekündigt. Tatsächlich handelt es sich bei dem Mann um einen Reichsbürger, der sich gemäss einem diese Woche veröffentlichen Dokumentarfilm der ARD vor zehn Jahren zum «König von Deutschland» krönen liess.

«Uns sind betreffend den Wohlfühltagen keine Rechtswidrigkeiten bekannt.»

Messe Luzern

Bei den Reichsbürgern – auch «Selbstverwalter» genannt –  handelt es sich um eine Szene, welche die Existenz oder Legitimität der Bundesrepublik Deutschland sowie deren Rechtsordnung fundamental ablehnt. Gemäss dem deutschen Verfassungsschutz wurden letztes Jahr 1'011 extremistische Straftaten von Angehörigen dieser Szene begangen.

Screenshot von der Krönung des «Königs von Deutschland» aus dem Dokumentarfilm der ARD, der diese Woche veröffentlicht worden ist.

Im Programm der Wohlfühltage klingt das freilich ganz anders. Hier kündigt Fitzek an, er werde über seine Vision einer freiheitlichen Welt reden. Dies, während die Regierenden «unter dem Deckmantel von angeblichen Pandemien, Energiekrisen und weiteren Szenarien» eine Gesellschaft totaler Kontrolle vorantreiben würden.

Gefährliche Heilungsversprechen?

Dass einem Mann wie Fitzek eine Plattform in der Messe Luzern gegeben wird, veranlasst Resolut zu heftiger Kritik. Bei Resolut handelt es sich um eine politische Organisation am linken Rande, die sich in Luzern seit Jahren gegen Rassismus und Faschismus einsetzt. Sie fordert in einem offenen Brief, dass die Veranstaltung abgesagt wird.

«In der Schweiz gilt die Meinungsfreiheit, also darf auch die Gruppe Resolut sagen und denken, was sie will.»

Ruth Stylianou-Oberli, Sprecherin der Wohlfühltage an der Messe Luzern

Kritisiert wird neben den Auftritten Gansers und Fitzeks, dass viele Referentinnen Heilung durch übersinnliche Kräfte anbieten. So würden verzweifelte Personen, die ohnehin nicht viel Geld hätten, «geködert».

«Solche Praktiken sind aber nicht nur schändlich, weil sie den Menschen das Geld aus der Tasche ziehen. Sie können bis zum Tod führen, wenn sie bei Menschen mit schweren Krankheiten wie etwa Krebs angewendet werden, da sie echte Therapieformen verzögern oder verhindern», schreibt Resolut im offenen Brief. Die Absender bleiben anonym.

Messe Luzern will den Wohlfühltagen nicht den Riegel schieben

Die Messe Luzern sieht keinen Grund, die Veranstaltung abzusagen: «Die Wohlfühltage haben schon einmal bei der Messe Luzern stattgefunden und diese Veranstaltung wurde ohne Vorkommnisse durchgeführt», heisst es in einer Stellungnahme.

Für die Organisation der Wohlfühltage sei man in einem guten Einvernehmen mit dem Veranstalter. «Auch sind uns betreffend den Wohlfühltagen keine Rechtswidrigkeiten bekannt. Sollten solche entstehen, würden wir die nötigen Schritte einleiten», schreibt die Messeleitung weiter.

Anonyme Kritik sorgt für Irritation

Ruth Stylianou-Oberli, Sprecherin der Wohlfühl-Tage-Erlebnis-Messe in Luzern, ist von den Vorwürfen sehr überrascht: «Die Wohlfühltage finden seit acht Jahren im Maihof statt, vor zwei Jahren wurden sie das erste Mal in der Messe Luzern durchgeführt. Es gab nie irgendwelche Reklamationen von Besuchern. Im Gegenteil. Es ist eine wundervolle Messe, die auf viel Begeisterung stösst.»

Zu den einzelnen Vorwürfen nimmt Stylianou-Oberli nicht Stellung. «In der Schweiz gilt die Meinungsfreiheit, also darf auch die Gruppe Resolut sagen und denken, was sie will. Wir sehen das inhaltlich ganz anders und weisen diese unbegründeten Vorwürfe deshalb ganz klar zurück.»

Irritierend findet Stylianou-Oberli, dass die Gruppierung zwar eine Vielzahl der Gäste an der Messe namentlich anprangert, selber aber anonym bleiben will. «Es kann jeder vorbeikommen und sich selber ein Bild machen, was von diesen Vorwürfen zu halten ist», meint sie.

Das sagt der Nachrichtendienst des Bundes (NDB)

Das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz informiert aktiv über die Szene der Reichsbürger und warnt vor deren Aktivitäten. Damit der Schweizer Nachrichtendienst präventiv tätig werden kann, reicht hingegen ein ideologischer oder politischer Hintergrund von Personen, Organisationen oder anstehenden Ereignissen nicht aus. Ausschlaggebend sind tatsächliche Gewaltbezüge. Das heisst: das Verüben und Fördern von Gewalt oder der konkrete Aufruf zur Gewaltanwendung von Personen, Organisationen oder anstehenden Ereignissen. «Personen, die sich ideologisch oder politisch radikalisieren, fallen somit nicht in das Aufgabengebiet des NDB, solange kein konkreter Gewaltbezug feststellbar ist», schreibt NDB-Sprecherin Isabelle Graber auf Anfrage.

Das Phänomen «Reichsbürger» und ähnliche treten ihr zufolge vor allem in Deutschland und Österreich auf. «Einzelne Aktivitäten wurden auch in der Schweiz verzeichnet. Gewalttätige Aktivitäten in der Schweiz konnte der NDB bisher nicht verzeichnen.»

Verwendete Quellen
  • Republik-Artikel: Die Methode Ganser
  • WOZ-Artikel: Das Ganser-Phänomen
  • Dokumentarfilm über Peter Fitzek in der ARD
  • Infoartikel des deutschen Verfassungsschutzes zum Thema Reichsbürger
  • Website von Resolut
  • Website der Wohlfühltage Luzern
  • E-Mailkontakt mit der Mediensprecherin der Messe Luzern
  • Telefonat mit der Sprecherin der Wohlfühl-Tage-Erlebnis-Messe
  • Mailkontakt an Isabelle Graber, Sprecherin NDB

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15 Kommentare
  • Profilfoto von Heike Walter
    Heike Walter, 29.08.2022, 15:12 Uhr

    Danke für die gute Darstellung. Ist selten zu finden. Vorschlag: Das Königreich Deutschland wird oft mit Reichsbürgern und Gewalt gleichgesetzt. Das finde ich hochgradig verfälscht und irreführend. Ich würde mich freuen, wenn jemand sich damit tatsächlich auseinandersetzt und einen neutralen Bericht nur mit nachprüfbaren Fakten bringt und Vermutungen und Spekulationen weglässt. Gibt es heute noch sauberen Journalismus oder sind alle Gehirngewaschen und gekauft?

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  • Profilfoto von Hans Peter Roth
    Hans Peter Roth, 26.08.2022, 16:27 Uhr

    Die überzeugende Logik des NDP: Eine Bombe ist erst dann gefährlich, wenn sie explodiert ist.

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  • Profilfoto von Christof
    Christof, 26.08.2022, 07:48 Uhr

    Ja, der Fitzek, ganz ein schräger Vogel. Im Sinne der Rede- und Meinungsfreiheit gibt es sicher nichts gegen die Durchführung einzuwenden, aus moralischer Sicht und Prestigegründen wäre es sicher gut ein bisschen genauer zu filtern, welche Anlässe man zulässt – insofern die Messe mit Geldern aus der öffentlichen Hand subventioniert wird, ist da durchaus auch ein öffentliches Interesse da, seriöse Anlässe durchführen zu lassen.

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    Sepp, 25.08.2022, 19:28 Uhr

    Solch eine Paranoidenversammlung ist doch nichts schlimmes?

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  • Profilfoto von Anaximander
    Anaximander, 25.08.2022, 10:21 Uhr

    «Wohlfühlen» als Gegenposition zu «Angst» ist als politisches Stilmittel die letzten zwei, drei Jahre wieder mal massiv ins Hintertreffen geraten. Kommt wohl unter anderem daher, dass man Wohlfühlen als Herrschaftstechnik nicht wirklich empfehlen kann.

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  • Profilfoto von Linus Ruegge
    Linus Ruegge, 25.08.2022, 09:53 Uhr

    Wenns nicht so empörend wäre, könnte ich darüber lachen: Die Messe Luzern AG, die nur dank dem kantonalen Impfzentrum und Mietzinserlass von Stadt und Kanton überhaupt noch existiert, beherbergt jetzt Schwurblis. Die öffentliche Hand sollte sich gut überlegen, ob sie weiterhin Steuergelder auf die Allmend schicken will, wenn dort gleichzeitig Verschwörungstheorien verbreitet werden, die dazu dienen sollen, unser Gemeinwesen zu zerstören. Die Messe Luzern AG darf solchen Leuten keine Plattform bieten.

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    • Profilfoto von Dunning-Kruger
      Dunning-Kruger, 25.08.2022, 10:11 Uhr

      Haben Sie’s schon gelesen? Ihr roter SP-Bundesrat A. Berset ist nun offiziell auch ein Schwurbler. Er hat in seinem Wohnort Belfaux FR eigens eine Einsprache gegen eine Swisscom 5G-Antenne eingereicht. Und sich – natülrich – damit durchgesetzt. In seiner Argumentation gegen die Antenne ist auch von Strahlung und Kindergärten und Schulen die Rede. Lesen Sie in der Tagespresse nach. Fazit: Mache mir ernsthafte Sorgen, dass nun auch die «moderaten» Linken zur Schwurbler- und Flacherdler-Szene übersiedeln.

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      • Profilfoto von Kommentarschreiber
        Kommentarschreiber, 25.08.2022, 17:33 Uhr

        @Dunning-Kruger
        Ja, interessanterweise finden das gewisse Kreise erst 4 Jahre später heraus, dass der Berset 2018 sich als Antennengegner geoutet hat, schon komisch. Ein andermal war er Diktator, dann wieder fremdgehender Ehebrecher oder linker Skandalpilot….aber eben, nichts zu schade, um Feindbildbewirtschaftung zu betreiben.

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  • Profilfoto von Stefan Kuster
    Stefan Kuster, 25.08.2022, 09:37 Uhr

    Ein Hoch auf die Meinungsvielfalt, die Redefreiheit und das sich wohl fühlen.

    Gut, lässt sich die Messeleitung und die Veranstalterin hier wegen ein paar kritischen Stimmen nicht aus dem Konzept bringen. Im Zeitalter wo Kinderbücher wie #Winnetou aus dem Verkehr genommen und Konzerte wegen #Rastalocken abgesagt werden, braucht es ein klares JA zu Kultur und Vielfalt.

    Dass Regierungstreue hier bereits wieder Verschwörungen und Staatsfeindlichkeit wittern, kennen wir ja bereits aus der Pandemie-Zeit. Es ist deren erneuter Versuch hilfeschreiend Aufmerksam zu erlangen, in einem System, welches sich selbst ad absurdum führt.

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    • Profilfoto von Buddha Pest
      Buddha Pest, 25.08.2022, 10:18 Uhr

      Auf den Punkt gebracht. Danke Herr Kuster.

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    • Profilfoto von Michel von der Schwand
      Michel von der Schwand, 26.08.2022, 07:18 Uhr

      Immer wieder niedlich, wie geistig Besserbemittelte als Regierungstreue dargestellt werden, die irgendwelche Verschwörungen und Staatsfeindlichkeit wittern. Solange man sich in der Dauerschwurbler-Welle dreht und dreht, umso mehr verliert man wohl den Bezug zur Realität. Oder fehlt es einfach am Intellekt? Die Vermutung, dass das Rotieren in der Dauerschwurbler-Welle auf den Intellekt schlägt, ist wohl tatsächlich nicht falsch.

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  • Profilfoto von Michel von der Schwand
    Michel von der Schwand, 25.08.2022, 08:44 Uhr

    Die Schweiz ist tatsächlich in vielen Belangen ein grossartiger Staat! Freiheit wird gelebt! Jeder darf seine Meinung frei äussern ohne Angst zu haben, dass er dafür bestraft, standesrechtlich erschossen, aufgehängt oder verbrannt wird. Ob geistig minderbemittelt, dumm und verblödet, spielt keine Rolle. Sogar Flacherdler dürfen ohne Visum in die Schweiz einreisen. Herrlich!

    Selbstverständlich geht es der Messe Luzern auf der anderen Seite nicht um die Meinungsfreiheit, sondern einfach nur darum, dass man Auslastungsstatistik der Messe verbessern kann und schlussendlich auch Einnahmen generiert. Nicht jedermanns Kernkompetenz ist die Kommunikation. Diese «Raucherstäbchen-Gedächtnisveranstaltung» sollte als das gesehen werden was diese auch ist: Eine satirische Veranstaltung, welche wohl nur durch die Konsumation von Halluzinogenen erträglich ist

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  • Profilfoto von Opi Kron
    Opi Kron, 25.08.2022, 07:29 Uhr

    “dreht sich alles um Gesundheit, Esoterik und Spiritualität”

    Doch eher um Gesundheitsschädigung?

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    • Profilfoto von Gruesse vom Einhorn Schlachthaus
      Gruesse vom Einhorn Schlachthaus, 25.08.2022, 10:05 Uhr

      Was gesundheitsschädigend ist, ist immer auch eine Frage der Perspektive.
      Persönlich halte ich z.B. die Anhänger der Gruppe Resolut für schwer zwangsneurotisch und psychopathologisch geschädigt. Anders kann ich mir ihr gesellschaftlich pathogenes Wirken beim besten Willen nicht erklären. Aber anderes Thema: Wann gibt es endlich wieder eine Messe für Realsozialismus, Einparteiensysteme und antifaschistischen Mauerbau auf der Allmend? Wissen Sie zufällig mehr?

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      • Profilfoto von Antischwurbel
        Antischwurbel, 26.08.2022, 17:08 Uhr

        Was Gesundheitsschädigend ist, ist einzig eine Frage der Fakten.

        Evidenzbasiert, weisch, nicht Meinungsbasiert.

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