12’000 Kilometer in 20 Jahren quer durch Europa

Luzerns einsamer Wanderer

Eine Brücke auf dem Weg nach Edirne, Türkei. (Bild: J. Schaffhuser)

Wandern ist des … Luzerners Lust. Könnte man zumindest meinen, wenn man Jürg Schaffhuser betrachtet. Der Luzerner ist während 20 Jahren von Luzern aus in alle vier Himmelsrichtungen gewandert – insgesamt über 12’000 Kilometer. Jetzt hat er sein Werk vollendet. 

«Es geht nur alleine», sagt Jürg Schaffhuser, lächelt fast schon ein wenig entschuldigend und meint damit seine Wanderungen. In den vergangenen 20 Jahren hat der Luzerner jedes Jahr einen Monat mit Wandern verbracht – mutterseelenalleine. Im Rucksack ein Zelt, ein Tagebuch und eine Kamera, im Herzen der Wunsch nach Abenteuer, Natur und Einsamkeit. Etappenweise wanderte der Luzerner von seinem Zuhause in die vier Himmelsrichtungen. Jahr für Jahr.

Ein Buch, auf das die Welt nicht gewartet hat

Nach über 12’000 Kilometern kreuz und quer durch Europa hat er sein Werk zu Hause vollendet. Mit einem Buch, das zum Hinsetzen, Nachdenken und Nachmachen anregen soll. Hat die Welt auf so ein Buch gewartet? Schaffhuser lacht. «Naja, die Welt wohl nicht.» Vielmehr sei sein Buchprojekt nebst der Aufarbeitung von Erlebtem auch das Teilen von seinen Erfahrungen mit Freunden.

«Vielleicht kann jemand von meinen Erfahrungen profitieren.»
Jürg Schaffhuser

Das Buch

Diesen Donnerstagabend feierte Jürg Schaffhuser die Vernissage seines Buches «Iverness, Edirne, Catania, Lisboa. ‹Thank you for going the distance›». Text, Konzept und Fotos im 161 Seiten dicken Buch stammen von ihm selbst, bei der Textbearbeitung war Martin Rutishauser verantwortlich. 500 Exemplare des Buches sind ab sofort in den Luzerner Buchhandlungen zu kaufen.

«Vielleicht kann ich andere motivieren, einmal von hier aus ans Meer zu wandern. Oder jemand kann von meinen Erfahrungen profitieren.» Und solche hat er viele gemacht: in einsamen Weiten im Osten, im englischen Regen und unter der brennenden spanischen Sonne. Sein Buch erzählt von eindeutigen Angeboten am Strassenrand, beissenden Hunden und «Zikadengezeter bis zum Ohrensausen».

Wandern – Tor zu einer neuen Welt

Doch sein persönliches Wanderglück habe er im Südwesten gefunden, sagt Schaffhuser. Begeistert erzählt er von archaischen Landschaften, den Pyrenäen, der mächtigen Natur. «Spanien muss man einmal durchwandert haben im Leben», findet er. Und der Luzerner Wandervogel muss es wissen. Nach dem Jakobsweg, den er vor 30 Jahren bereits einmal marschiert ist, ist seine im Buch festgehaltene Wanderung westwärts bereits die zweite quer durch Spanien. Der Jakobsweg war es auch, der ihn damals auf den Geschmack des Langdistanzwanderns gebracht hatte: Auf Empfehlung einer seinen Dozenten an der Kunstgewerbeschule hin machte er sich auf den Jakobsweg, als es noch keine wandernde Autobahn war. Ab da hatte es ihn gepackt.

«Das Wandern hat mich psychisch in andere Sphären katapultiert.»

Dieses Mal brachte Schaffhuser sein Weg von Luzern westwärts via Pyrenäen nach Spanien bis an die Küste Portugals. Lissabon, sein westlichstes Ziel, umschreibt er in seinem Buch als ein «Tor zu einer neuen Welt» für viele Gestrandete und Ankommende. Es ist aber auch Sinnbild für sein Wanderprojekt. «Es hat mich psychisch in andere Sphären katapultiert.» Er sehe dem Leben heute gelassener entgegen, könne ruhiger reagieren. «Es ist sehr beruhigend, zu wissen, dass man mit ganz wenig im Rucksack so gut überleben kann», sagt Schaffhuser.

Ein Bild aus Schaffhusers Buch und von seinem Weg nach Iverness in Schottland, seinem nördlichsten Ziel (Bild: J.Schaffhuser/zvg).

Ein Bild aus Schaffhusers Buch und von seinem Weg nach Iverness in Schottland, seinem nördlichsten Ziel (Bild: J. Schaffhuser/zvg).

Nicht nur Abenteurerromantik

Gerade auch auf seiner Reise ostwärts, wo er tagelang alleine gewesen sei, in einsamen Gegenden seine ganze Infrastruktur auf dem Rücken trug, da habe er Gelassenheit gelernt, sagt Schaffhuser.

«Von Luzern ans Meer, das war immer die Devise.»

Doch die Abenteuerromantik wurde zwischendurch immer mal wieder gebremst. Beispielsweise auf ebendieser Reise ostwärts. «Mein Ziel wäre Istanbul gewesen. Von Luzern ans Meer, das war immer die Devise.» Im Osten sei dieses Meer eben das Schwarze, und daher Istanbul, erklärt Schaffhuser seine Routenplanung.

Jürg Schaffhuser (Bild: zvg.)

Jürg Schaffhuser (Bild: zvg.)

Er deutet an, dass er in Edirne, der türkischen Grossstadt an der Grenze zu Bulgarien und Griechenland, nicht freiwillig aufgehört hat. Sein Körper begann auf die grosse Belastung zu reagieren. Bis die physische Rebellion so stark wurde, dass er aufgeben musste. Eine Sehne am Fuss wollte nicht mehr und so verliess er die türkischen Grenzwärter, die ohnehin nicht verstehen konnten, warum ein Schweizer die Schlepperroute verkehrtrum gehe.

Das Tief: meteorologisch, nicht mental

Auch Tage im strömenden Regen und Nächte in feuchter Kleidung, in der Hoffnung, so würden sie wieder trocken, hat der Luzerner erlebt. Seine Wanderung gen Norden fiel auf den «schlimmsten englischen Sommer seit 50 Jahren», wie Zeitungen damals vermeldet hätten. «Da muss man eben durchbeissen», sagt er.

Tiefs habe er abgesehen von den meteorologischen im Norden aber keine wirklichen erlebt. «Das ständige Gehen, die Bewegung bringen eine sehr positive Grundstimmung zwischen Geist und Körper», erklärt der begeisterte Wanderer. So hätten die 30 bis 40 Kilometer pro Tag teilweise in «extremen Glücksmomenten» gemündet. Schaffhuser gerät ins Schwärmen, wenn er von seinen Routen erzählt.

Publizieren gehört zu Schaffhusers Alltag

Dass er seine Reisen nun mit seinem Buchprojekt quasi vollendet hat, macht ihn auch ein wenig nervös. Nicht, weil es das Ende des Projektes sei. Obwohl sich Schaffhuser als Creative Director der Luzerner Kommunikations- und Marketingagentur Velvet das Publizieren gewohnt ist, sei diese Publikation anders. «Normalerweise sind die Projekte Aufträge. Nun ist es etwas ganz Persönliches. Das macht mich verletzbarer», sagt er.

So sieht der Schlusspunkt der vier Wanderungen aus: Das Buch von Jürg Schaffhuser (Bild: J.Schaffhuser/zvg).

So sieht der Schlusspunkt der vier Wanderungen aus: Das Buch von Jürg Schaffhuser (Bild: J. Schaffhuser/zvg).

Das Ende seiner Wanderkarriere ist sein Buchprojekt indes nicht. «Ich habe bereits neue Wanderprojekte», sagt Schaffhuser und lächelt dabei selig. So wird der einsame Luzerner Wandervogel bald wieder das Zelt in den Rucksack packen und sein Herz mit Einsamkeit und Abenteuern füllen.

Weitere Impressionen von Schaffhusers Wanderungen sehen Sie in unserer Bildergalerie:

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