Immer mehr Freiwillige wollen helfen

Luzerner zeigen noch mehr Solidarität mit Flüchtlingen

Die Luzerner Bevölkerung setzt sich in verschiedenen Formen für die Flüchtlinge im Kanton ein. (Bild: Fotolia)

Die Flüchtlingsproblematik ruft immer mehr Privatpersonen auf den Plan. Sie wollen selber helfen und nicht einfach tatenlos zusehen. Und es werden immer mehr.

Die gegenwärtige Überforderung mit den Flüchtlingsströmen ist offensichtlich. Der Kanton nimmt die Gemeinden in die Pflicht. Die Gemeinden selber haben kaum Kapazitäten und Unterbringungsmöglichkeiten. Die SVP nutzt die Gunst der Stunde für Wahlkampf, die SP/JUSO relativieren. Es ist – gelinde gesagt – ein heilloses Durcheinander. Die Folge: Angst macht sich breit, und diese wird schnell zur Wut. Hasstiraden beherrschen die Sozialen Medien.

Doch nicht nur. Je stärker die Stimmen gegen Asylsuchende werden, umso mehr legen jene zu, die im Flüchtling den Menschen, und nicht den «Sozialschmarotzer» sehen. Sie mobilisieren sich und zeigen Solidarität – setzen auf Taten statt Worte, um aktiv den Asylsuchenden im Kanton Luzern zu helfen.

Sammeln für Flüchtlinge in Calais

Die Aktion «Hilfe für Calais» stammt von verschiedenen Freiwilligen aus der gesamten Schweiz. Auch der Luzerner Micha Eicher beteiligt sich daran, wie er auf Facebook öffentlich machte. Dabei stellt er den Platz vor seiner Garage bereit, um Hilfsgüter verschiedenster Art abstellen zu können. Bis am 19. September können Sachen, wie Winterkleider, Hygieneartikel, ganze Zelte und Schlafsäcke vor der Garage an der Seidenhofstrasse 46 in Luzern abgegeben werden.

 

Liebe Freunde, es gilt uns also ernst. Unsere Garage ist leer und unsere Schränke wohl alle ziemlich voll… Bis am 19….

Posted by Micha Eicher on Sonntag, 6. September 2015

Freiwilligenarbeit: Frauensache?

«Die Zunahme ist beträchtlich», bestätigt der Caritas-Mediensprecher Urs Odermatt. Er meint damit die Anzahl der Personen, die sich für die «Freiwilligenarbeit» bei der Caritas Luzern melden. Im vergangenen Jahr haben insgesamt 372 (2013: 351) aktive Freiwillige 29’000 Stunden Freiwilligenarbeit bei der Caritas geleistet. Auffällig ist, dass von den 372 Freiwilligen drei Viertel weiblich sind. Sie unterstützen Asylsuchende und Flüchtlinge im Alltag und beim Deutschlernen, helfen im Caritas Markt mit, engagieren sich bei den «mit mir»-Patenschaften oder bei Besuchen von Strafgefangenen.

(Bild: Caritas)

(SI: Soziale Integration; mit mir: Patenschaft als «Götti/Gotti»; BI: Berufliche Integration; MI: Migration-Integration; AS: Asylsuchende; FL: Flüchtlinge)

Zwölf Prozent der Freiwilligen, die sich bei der Caritas melden, wurden letztes Jahr ans SAH Zentralschweiz (Schweizerisches Arbeitshilfswerk) verwiesen (siehe Grafik). «Derzeit sind 51 Freiwillige bei uns tätig. 16 Personen sind noch auf der Warteliste. Diese werden uns aus dem Pool der Fachstelle Freiwilligenarbeit der Caritas vermittelt», erklärt Elisabeth Gebistorf, Kommunikationsleiterin des SAH Zentralschweiz, auf Anfrage. Das SAH Zentralschweiz unterstützt Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene, also jene mit einem «positiven» Entscheid, bei der beruflichen Integration.

Solidaritätsflut sprengt die Kapazität

Die Bevölkerung nimmt das Zepter mittlerweile allerdings selber in die Hand und handelt, wie das Beispiel der «Aktion Calais» zeigt. So auch Magalie Marini vom «Chez Cassis». Gemeinsam mit ihrer Mutter Colette Casis hat die Luzernerin einen Aufruf für Sachspenden gemacht, die sie direkt ins Asylzentrum bringen werden. Das stösst auf Anklang – und wie! Wenige Tage nach dem Spendenaufruf auf Facebook haben sich bereits zu viele Leute gemeldet, am 18. September einige Sachen für Flüchtlinge an der Bruchstrasse abzugeben.

«Unser Spendenaufruf ist auf viel mehr Ohren gestossen, als wir gedacht haben». Nun sei es etwas unklar, wohin sie die Sachen bringen werden. Denn: «So wie es aussieht, sind die meisten Asylzentren bereits voll beliefert worden», sagt Magalie Marini. Das sei sehr schön und zeige, dass eine grosse Solidarität vorhanden ist. «Es ist schön zu sehen, dass die Menschheit in der heutigen schnelllebigen und geldgierigen Welt doch noch das Herz am rechten Fleck haben», freut sich Marini.

«Wir könnten uns vorstellen, die Spenden direkt nach Italien zu bringen.»

Magalie Marini

Dankbar um Lösungen

Wohin aber nun mit den Sachspenden der mittlerweile 190 angemeldeten Personen? Derzeit seien sie noch am Lösungen suchen. «Wir könnten uns vorstellen, die Spenden direkt nach Italien zu bringen», so Marini. Und sie fügt an: «Um weitere Lösungsansätze und Chauffeure sind wir sehr dankbar.»

Asylnetz: Einsatz auf politischer Ebene

Ebenfalls von Privaten organisiert ist der Verein «Asylnetz». Der unabhängige Verein setzt sich seit den 1980er-Jahren in verschiedener Hinsicht für Asylsuchende und Menschen in der Nothilfe ein. «Anlass zur Gründung gaben damals viele kurdische Flüchtlinge. Seither setzen wir uns in verschiedenen Formen für Flüchtlinge und Menschen in der Nothilfe ein», erklärt Vorstandsmitglied Felix Kuhn. Das Asylnetz setzt sich unter anderem auch gegen eine Verschärfung des Asylgesetzes ein. Dank Spenden kann der Verein Gratisangebote wie den Mittagstisch, den Coop-Bons-Tausch und den Deutschkurs durchführen.

«Tatsächlich melden sich in letzter Zeit viele Leute, die in irgendeiner Form mithelfen wollen.»

Felix Kuhn, Vorstandsmitglied Verein «Asylnetz»

Internationale Solidaritätswelle

Nicht nur in Luzern und der Schweiz, sondern auch im Ausland setzt sich die Bevölkerung vermehrt für Asylsuchende und Flüchtlinge ein. In Island beispielsweise macht sich die Autorin Bryndis Björgvinsdottir für die Aufnahme von über 10'000 Flüchtlingen im eigenen Land stark. Gemäss einer Quote muss Island lediglich deren 50 aufnehmen.

Aussergewöhnliche Szenen am Münchner Hauptbahnhof: Dort bittet die Polizei mittlerweile die Bevölkerung, keine Hilfsgüter mehr an den Hauptbahnhof in München für ankommende Flüchtlinge bereitszustellen. Denn in den Tagen zuvor hatte die Bevölkerung zu Hunderten bereits Wasserflaschen, Windeln oder auch Äpfel spontan gespendet.

Und auch beim Asylnetz ist der Tatendrang seitens der Bevölkerung deutlich spürbar. «Tatsächlich melden sich in letzter Zeit viele Leute, die in irgendeiner Form mithelfen wollen. Sie wollen entweder Mitglied werden und mit eigenen Ideen Flüchtlinge unterstützen oder sie zahlen Geld für unseren Verein ein, damit wir unser Angebot weiterhin anbieten können», so Kuhn. Mittlerweile hat der Verein weit über 300 Mitglieder.

Des Weiteren macht der Verein immer wieder durch Kundgebungen auf Missstände im Asylwesen aufmerksam. Am 8. September ist um 14 Uhr eine Kundgebung vor dem Luzerner Regierungsgebäude geplant. Unter dem Motto «Du bist wertlos» wollen sie nochmals den Suizid eines Nothilfebezügers im Ibach ins Gedächtnis der Bevölkerung rufen.

Potential mit Laptops ausschöpfen

Wie unterschiedlich die Unterstützungsmöglichkeiten sind, zeigt auch die Gruppe «Active Asyl» aus Luzern. «Wir wollen das Potential von Asylsuchenden aktivieren, indem wir ihnen einen Computer zur Verfügung stellen und Kurse anbieten, die dazu beitragen, ihre persönlichen Ziele zu erreichen», schreiben die Organisatoren. Dazu sind die jungen Luzerner immer wieder auf der Suche nach Laptops, die nicht mehr gebraucht werden. Wie Simon Marti auf Anfrage sagt, geht «Active Asyl» nun noch einen Schritt weiter. «Am Freitag treffen wir uns und gründen einen Verein.»

Wissen Sie von weiteren Möglichkeiten und Aktionen der Luzerner Bevölkerung, um Flüchtlingen in irgend einer Form zu helfen? Teilen Sie uns diese als Community-Mitglied im Kommentarfeld mit!

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