Orientalische Häppchen lösen Mexikaner ab

Luzerner Neustadt erhält einen Mezze-Tempel

Die 41-jährige Cihangir Nimet im Vögeligärtli.

(Bild: giw)

Wie die Italiener lieben die Schweizer ihren Aperitiv. Weniger bekannt ist hierzulande jedoch die kunterbunte Häppchen-Kultur des Nahen Osten. Das will eine türkischstämmige Luzernerin mit einem neuen Restaurant in der Neustadt ändern. Den Mut für die Selbständigkeit gab ihr ein lebensgefährlicher Zusammenbruch.

Ab Mitte Oktober eröffnet in der Frankenstrasse an Stelle des Restaurants «The Mexican» das Lokal «Salash». Derzeit werden Mitarbeiter gesucht, darunter zwei Köche und fünf Servicemitarbeiter.

Obwohl es zu einem Wechsel kommt, bleibt das kulinarische Angebot international. «Salash» setzt auf Mezze-Spezialitäten und verspricht «oriental food sharing». Was darunter zu verstehen ist, erklärt die neue Betreiberin Nimet Cihangir: Salash bedeutet übersetzt aus dem Türkischen soviel wie unkompliziert, familiär, hemdsärmelig, unbekümmert, nonchalant oder zwanglos.

Eine Mahlzeit ohne Risiken

Das passt ganz gut zu Cihangir selbst, die gerne lacht und auch sofort jedem das Du anbietet. Auch die Stellenausschreibungen für das Lokal verzichten gänzlich auf Formalitäten. Die 41-Jährige liebt die Häppchenkultur ihres Heimatlandes, die Tapas des Ostens (zentralplus berichtet).

«Das erinnert mich an meine Kindheit in Hergiswil, wo das gemeinsame Essen sehr wichtig war.» Ihr Vater und auch ihre Mutter haben in der Glasi als Schichtarbeiter gearbeitet – beide sind gebürtige Türken. Man wartete immer auf den Vater, nicht nur aus Ehrerbietung, sondern weil der Familientisch ein Ort des Austausches war.

Dieses Gefühl will sie auch mit Salash kultivieren. «Bei Mezze erhält nicht jeder ein einziges Gericht, sondern eine breite Auswahl an verschiedenen Speisen.» Dabei würden die Mahlzeiten selbst zum Thema, man komme sich auch mal in die Quere beim Griff nach einer Schale – so entstünden lebendige Gespräche. Im Gegensatz zum traditionellen Restaurantbesuch sei das Risiko mit einer Mahlzeit bedient zu werden, die einem nicht wirklich mundet, auf ein Minimum reduziert.

Hummus statt Foccacia

Seit sie in ihren jungen Jahren mit ihrem damaligen Ehemann in der Türkei lebte und dort in die Welt der Gastronomie eingeführt wurde, träumte sie davon, ein eigenes Restaurant zu führen. Mezze werde da am Abend im laizistischen Umfeld gerne zu Alkohol gegessen, beispielsweise zu Raki, einem Änisschnaps.

Gemeinsam mit Freunden läutet man den Feierabend ein, es schwingt das Gefühl des italienischen Apéros mit. Doch statt Foccacia und Parmegiano gibt es Hummus, Salate und Auberginenmousse, angereichert mit fernöstlichen Gewürzen, Olivenöl, Zwiebeln und Knoblauch. Die Rezepte aus ihrer Kindheit und den jungen Jahren wird sie auf den Geschmack der europäischen Kundschaft anpassen.

«The Mexican» an der Frankenstrassen in der Luzerner Neustadt.

«The Mexican» an der Frankenstrassen in der Luzerner Neustadt.

(Bild: giw)

 

Bevor Cihangir den Mut für den Schritt in die Selbstständigkeit fand, vergingen Jahrzehnte, in denen sie in diversen Branchen arbeitete. Und sie musste dem Tod wortwörtlich in die Augen blicken. Sie arbeitete damals im Kader einer grossen Schweizer Firma im Bankingbereich. «Ich erlitt einen Hirnschlag und ein Burnout zugleich», erzählt die Mutter einer damals 17-jährigen Tochter. Wäre sie einige Minuten später entdeckt worden, so würde Cihangir heute nicht im Vögeligärtli sitzen und von ihren Plänen sprechen.

«Viele haben mir gesagt: Mit 41 Jahren ein Restaurant zu eröffnen – spinnst du?»

Cihangir rappelte sich wieder auf und erhielt eine Stelle bei einem Freund. Doch etwas hatte sich verändert. «Plötzlich war mir klar, dass Geld letztlich nicht wichtig ist», sagt Cihangir. Wichtiger sei ihr das Zusammensein mit ihrer Tochter und eine Arbeit, die sie erfülle.

«Viele haben mir gesagt: Mit 41 Jahren ein Restaurant zu eröffnen – spinnst du?» Doch Cihangir lässt sich nicht beirren. Klar habe sie Respekt. «Wenn man einmal dort war, wo ich war, dann gibt es so etwas wie Risiko kaum mehr», sagt sie.

Nimet macht einen Abstecher in die mexikanische Küche

In Luzern sei die Tradition der Mezze kaum im kulinarischen Mainstream angekommen – insbesondere nicht in ihrer Generation. Hingegen sei das urbane, alternative Umfeld ihrer Tochter, welche beim Radio «3fach» arbeitet und das MAZ besucht, auf den Geschmack gekommen. «Sie ist begeistert von der Idee und unterstützte mich auch bei der Erarbeitung des Konzepts.»

«Ich mache nichts, was ich nicht wirklich verstehe»

Cihangir ist denn auch vom Standort nahe der Hochschulen Luzern und inmitten des Stadtzentrums überzeugt. Die Restaurantbesitzerin sieht es schon etwas als Nachteil aber auch als Chance, dass das nahöstliche Essen in der Zentralschweiz noch nicht besonders gut etabliert ist. «Ich könnte auch einfach ein italienisches Restaurant eröffnen, das läuft immer.» Doch dahinter könne sie nicht stehen. «Ich mache nichts, was ich nicht wirklich verstehe», sagt Cihangir.

Es wird im neuen Restaurant jedoch nicht nur gegessen – es sollen auch vereinzelte kulturelle Anlässe wie Gitarrenkonzerte oder Lesungen von übersetzten türkischen Büchern stattfinden. Auch eine kleine Bibliothek soll Platz finden in der Gaststätte. Cihangir will die Vielfalt pflegen in ihrem Lokal, Menschen aller Kulturen und Schichten sollen sich willkommen fühlen.

Bis Mitte Oktober das «Salash» seine Tore öffnet, macht die gebürtige Türkin jedoch einen Ausflug in die mexikanische Küche. Nach der Sommerpause Anfang August wird sie mit dem bisherigen Konzept und dem gleichen Personal das «The Mexican» führen. Das Lokal wird sie leicht umgestalten, es soll ein frisches, buntes Interieur werden. Ganz im Stile der nahöstlichen Küche.

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