Businessleute gehen seit Corona zu Pirmin Loetscher

Luzerner Mentalcoach: «Ich will kein Guru sein»

Bis er anfangs 20 war, führte der Luzerner Pirmin Loetscher ein ganz anderes Leben. 2014 gründete er das Unternehmen LIV – Life Inspired Values. (Bild: zvg)

Das Thema Achtsamkeit begleitet Pirmin Loetscher schon viele Jahre. Seit Corona suchen immer mehr Menschen den Luzerner Coach auf. Viele fühlen sich verloren, fürchten um ihren Besitz. Loetscher kennt das Thema selber gut, zwang ihn doch eine Krankheit vor bald 20 Jahren, umzudenken. Zum Glück, sagt er heute.

Pirmin Loetscher lebte als junger Mann ein schnelles Leben. Machte sich als Eventmanager früh selbstständig, ging auf Partys, kaufte sich eine teure Uhr und ein schickes Cabrio. «Ich lebte ein Leben nach aussen», formuliert es der Luzerner retrospektiv.

Dann wurde er krank. Pfeiffersches Drüsenfieber, so die Diagnose. Eine Krankheit, die eigentlich gang und gäbe ist. Nur dass sie bei Loetscher nicht nach kurzer Zeit wieder vorbei war. «Die Kehrtwende kam nicht nach wenigen Wochen. Es fing an mit Fieber, das Virus ging dann jedoch auf die Organe über, auf die Niere, die Leber. Besonders schlimm empfand ich jedoch das Herzproblem. Eine Herzbeutelentzündung führte dazu, dass ich Herzrasen hatte, Todesängste verspürte und mehrmals auf dem Notfall landete.»

Irgendwann erholte sich der Körper. Die Psyche jedoch konnte nicht Schritt halten. «Die erlebten Ängste manifestierten sich. Weiterhin blieb das Herzrasen, ich hatte Panikattacken. Aus einer körperlichen Krankheit war eine psychische Krankheit geworden.» Irgendwann begann Loetscher, sich mit Autogen- und Mentaltraining auseinanderzusetzen. Mit Erfolg. Heute ist der gebürtige Hergiswiler gesund.

«Ich habe gemerkt, dass mein Besitz mich besessen hat, nicht umgekehrt.»

Pirmin Loetscher, Mentalcoach

«Während des Heilungsprozesses merkte ich, dass es gar nicht nötig ist, mein Ego mit materiellen Dingen zu stärken. All diese Dinge, die hatte ich nämlich nicht aus Leidenschaft oder Liebe gekauft.» Sein damaliger Lebensstil bezeichnet Loetscher heute als Gefängnis. «Ich habe dabei gemerkt, dass mein Besitz mich besessen hat, nicht umgekehrt. Wenn ich arbeiten ging, tat ich das, um mir meinen gesellschaftlichen Status aufrechterhalten zu können und nicht nur, weil ich die Arbeit mit Herzblut machte.»

Der Statusverlust machte ihm nichts aus

Einige Zeit lang war Loetscher nicht zu hundert Prozent arbeitsfähig. «Damit einher ging der Verlust dieses Status. Dabei habe ich gemerkt, dass dieser gar keine Rolle spielt. Viel eher wollte ich von meinem Umfeld wegen meines Wesens akzeptiert werden.» Die Krankheit veränderte Loetschers Leben stark.

Seither absolvierte er verschiedene Ausbildungen, etwa zum Mental- und Achtsamkeitstrainer, heute arbeitet er als Coach. In den letzten zehn Jahren hat der 41-Jährige ausserdem vier Bücher geschrieben über seinen Weg und seine Erkenntnisse. 2014 gründete Loetscher das Unternehmen LIV – Life Inspired Values, deren Ziel es ist, Einzelpersonen und auch Firmen dabei zu unterstützen, ihre Potenziale zu erkennen. Stets im Mittelpunkt: das Individuum. «An der Hotelfachschule unterrichte ich zudem die Fächer Achtsamkeit und mentales Training. Man hat in der Branche gemerkt, dass es wichtig ist, dass Fachkräfte eine innere Verbindung zu sich zu haben.»

«Meines Erachtens hat nicht nur die Wissenschaft den alleinigen Anspruch auf Wahrheit.»

2020 erschien Loetschers viertes Buch «Der Guru in uns». Darin plädiert er dafür, sich mehr auf die eigene Intuition und den eigenen Instinkt zu verlassen. Sehr explizit legt er im Buch offen, dass seine Inhalte nicht wissenschaftlich belegt sind. «Meines Erachtens hat nicht nur die Wissenschaft den alleinigen Anspruch auf Wahrheit. In meinen Büchern schreibe ich darüber, was ich erfahren habe, ganz ohne Anspruch auf Richtigkeit. Ich will ja kein Guru sein, sondern vielmehr einen Meinungsaustausch anstossen.»

Viele Businessleute suchen seit Corona Loetschers Rat

Sich selber zu kennen und sich auf innere Werte zu berufen, ist in der aktuellen globalen Situation wichtiger denn je geworden. «Anfänglich kamen die Leute zu mir, weil sie sich ohnmächtig fühlten in dieser Lage. Gerade die zweite Coronawelle hat überdies gezeigt, dass unser System sehr fragil ist und sich längerfristig verändern wird.»

Den Wandel, den Loetscher aufgrund – oder, besser gesagt: dank – seiner Krankheit gemacht hat, sieht er nun bei seinen Kunden. «Wegen Corona kommen im Moment sehr viele Businessleute zu mir und suchen Rat. Eine Krankheit, die nicht mal die eigene ist, verändert das ganze gesellschaftliche System. Viele haben Mühe damit, dass ihre Wertvorstellungen in die Brüche gehen, weil sie etwa plötzlich Mühe haben, ihr Haus abzubezahlen», sagt Loetscher. Doch hätten diese Unsicherheiten auch Positives hervorgebracht. «Gerade die Menschen, die anfangs ohnmächtig zum Coaching kamen, möchten nun für sich einstehen, sich verändern. Aus Angst und Frust entwickelte sich bei vielen Menschen Mut. Mut ihr eigenes Leben zu leben.»

Pirmin Loetscher coacht im Moment viele Businessleute. (Bild: zvg)

Ein Eventmanager ohne Events

Nach wie vor ist Pirmin Loetscher als Eventmanager tätig, etwa bei «Emmen lacht», «Stans lacht», dem Blue Balls Festival oder als Tourmanager von Seven. Die Auswirkungen der Pandemie bekam er sehr direkt zu spüren. Alle Anlässe und Touren wurden verschoben oder abgesagt.

«Seit 22 Jahren konnte ich letztes Jahr erstmals einen Sommer ohne Arbeit geniessen.»

«Klar, das hat anfangs wehgemacht. Doch hat die unerwartete Situation auch Gutes mit sich gebracht. So hatte ich seit 22 Jahren erstmals wieder einen Sommer, den ich ohne Arbeit geniessen konnte. Sonst war ich stets mit der Organisation des Blue Balls Festivals beschäftigt.»

Flugzeuge beladen, Äpfel lesen, coachen

Überhaupt bezeichnet sich Loetscher als sehr flexibel. «Ich lasse mich nicht einschränken. Es gab Jahre, in denen war ich weniger stark beschäftigt, weshalb ich zeitweise am Flughafen arbeitete und Flugzeuge belud. Oder ich arbeitete auf dem Bauernhof und half, Äpfel zu ernten. Das waren für mich gute Erfahrungen, die mir auch beim Coaching weiterhelfen.»

Loetschers Partnerin Bianca Sissing ist studierte Psychologin, gelernte Floristin, arbeitet ebenfalls bei LIV und führt das firmeneigene Yogastudio. Und auch sonst ist Sissing keine Unbekannte in der Schweiz. 2003 gewann sie die Miss-Schweiz-Wahlen. «Wie ich, lebt auch sie in zwei Welten. Sie war durch ihren Titel an vielen Events präsent. Gleichzeitig legt sie ihren Fokus aufs Yoga und damit auf eine Tätigkeit, die sich sehr stark mit dem Individuum und der Achtsamkeit auseinandersetzt.»

«Ich hielt wenig vom Miss-Schweiz-Wettbewerb.»

Kennengelernt hat sich das Paar an einem Anlass in Luzern, an dem Bianca Sissing gearbeitet hatte. «Eigentlich hatte ich gar keine Lust, dorthin zu gehen. Das Schicksal wollte es aber offenbar so. Ich hielt wenig vom Miss-Schweiz-Wettbewerb und fragte Bianca als Erstes quasi, ob sie fähig sei, ihre Arbeit gut zu machen.» Aus der anfänglichen Provokation entstand jedoch bald ein tiefgründigeres Gespräch. Eines führte zum anderen, seit 2010 ist das Paar verheiratet.

Selbst den Luzerner Nebel mag Loetscher

Seit fünf Jahren lebt das Paar in der Stadt Luzern und fühlt sich sehr wohl hier. Was hält die beiden in der Leuchtenstadt? «Die Nähe zur Natur. Ich liebe die Kombination aus Bergen und Wasser, ausserdem liebe ich die vier Jahreszeiten. Wenn man im Einklang mit der Natur lebt, lebt man auch mit diesen Rhythmen.» So sei im Herbst, wenn die Blätter fallen, Zeit, um zur Ruhe zu kommen und Energie zu tanken für den kommenden Frühling. «Darum mag ich auch den Nebel. Wenn er nicht gerade vier Monate andauert.»

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6 Kommentare
  • Profilfoto von Marco
    Marco, 03.02.2021, 08:01 Uhr

    Wer den Text gelesen hat, weiss was mit «Äpfel lesen» gemeint ist: «… ich arbeitete auf dem Bauernhof und half, Äpfel zu ernten.»

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  • Profilfoto von Hans Hafen
    Hans Hafen, 02.02.2021, 20:42 Uhr

    «…Äpfel lesen» – was ist das denn für eine virtuose, rare Fertigkeit liebe Valeria Wieser? Also doch ein Guru! Schliesslich kann längst nicht jeder «Äpfel lesen»! Ich lese aktuell gerade saure Apfelringe…auf apfelsinisch!

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    • Profilfoto von CScherrer
      CScherrer, 03.02.2021, 07:36 Uhr

      Schon sehr befremdlich, dass man solchen «Äpfel-Leser» überhaupt eine Plattform gibt. Was kommt nach dem «Apfel-Lesen»? Das Äpfel rauchen? Für den Laien ist diese Scharlatanerie nicht auseinander zu halten. Die Krankenkassen werden es nicht anerkennen oder kommt da dem Protagonisten seine frühere Tätigkeit zu Gute? Man weiss es eben nicht. Als Ex-Miss Schweiz wird man also Yoga- oder Tantratante oder übt sich im Witze erzählen. Vielleicht sollten die sich alle selbst mal therapieren.

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      Sandra Klein, 03.02.2021, 08:53 Uhr

      Äpfel lesen bedeutet im hiesigen Sprachgebrauch Äpfel auflesen. Sollten Sie auch mal praktizieren, das hilft ungemein beim Textverständnis. Dann verschwindet auch der Esoterik-Verdacht. Zudem ist es deutlich nachhaltiger, als Äpfel liegen zu lassen…

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    • Profilfoto von Gery Weber
      Gery Weber, 03.02.2021, 08:57 Uhr

      Text gelesen, CScherrer? Sonst helfen Therapien recht gut gegen Phobien jeglicher Art.

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    • Profilfoto von CScherrer
      CScherrer, 03.02.2021, 13:37 Uhr

      @Gery Weber: Den Artikel verstehe ich als Satire, nicht mehr und nicht weniger. Ich wedle von Weitem mit dem Raucherstäbli und wünsche einen entspannten Tag.

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