Stimmen zum Zertifikats-Aus

Luzerner Gastro und Kultur jubeln – aber mit Vorsicht

Die gelockerten Corona-Massnahmen lösen Freude aus – doch Patrick Grinschgl von Gastroregion Luzern und Gianluca Pardini von der IG Kultur mahnen noch zur Vorsicht. (Bild: Adobe Stock/zvg)

Die Lockerungen der Corona-Massnahmen lösen bei der Gastro-, Kultur- und Eventbranche eine Welle der Erleichterung aus. Doch Luzerner Branchenvertreter warnen, sie seien noch nicht über dem Damm.

Die Zertifikatspflicht ist passé. Der Bundesrat hebt am Mittwoch den grössten Teil der bestehenden Corona-Massnahmen ab Donnerstag auf (zentralplus berichtete). Entsprechend gross dürfte die Freude in den sehr gebeutelten Gastro- und Kulturbranchen sein.

Gerade die Verschärfungen auf Weihnachten hin machte den Gastronomen einen fetten Rotstrich durch die Rechnung (zentralplus berichtete). Auch die Luzerner Klubsszene forderte schnelle Lockerungen (zentralplus berichtete).

Kultur wünscht sich Booster-Paket

Entsprechend erleichtert klingt deshalb Gianluca Pardini, Geschäftsleiter der IG Kultur Luzern: «Die heute verkündeten Lockerungen sind eine riesige Entlastung für die dauerbelastete Kulturbranche.»

Gleich im nächsten Atemzug betont er jedoch, dass damit nicht gleich wieder alles beim Alten ist. Gerade Kulturbetriebe spürten einen Publikumsrückgang: «Seit rund zwei Jahren haben Kulturbetriebe und Veranstaltungen ein Image als ‹Seuchenherd›. Jetzt braucht es auch ein sprachliches Signal von oben, dass Kulturorte wieder sicher sind.»

«Wir haben nun zwei Jahre lang gelitten und teils massive Umsatzverluste eingefahren. Die Situation normalisiert sich nicht direkt von heute auf morgen.»

Patrick Grinschgl, Präsident Gastroregion Luzern

Ähnlich wie beim Tourismus wünscht sich Pardini deshalb ein Revitalisierungspaket. Denn um den Kulturkarren wieder ins Rollen zu bringen, ist viel Arbeit gefragt. Projekte müssen wieder angegangen, Netzwerke wieder aufgebaut werden.

Dies ist nicht immer gleich einfach: Gerade die Kulturbranche ist international stark vernetzt. Will nun ein internationaler Künstler eine Tournee organisieren, sei das nach wie vor schwer umzusetzen. Für Pardini ist es deshalb klar: «Die Ausfallentschädigung ist kurz- bis mittelfristig weiterhin nötig.»

Gastronomie hat trotzdem noch viele Baustellen

Ins gleiche Horn bläst auch die Gastrobranche. Patrick Grinschgl, Präsident von Gastroregion Luzern, kommentiert die Lockerungen wie folgt: «Es ist eine wahre Freude, dass die Zertifikatspflicht endlich vorbei ist.» Gleichzeitig möchte er jedoch betonen, dass die Misere der Gastronomen damit noch nicht gegessen sei: «Wir haben nun zwei Jahre lang gelitten und teils massive Umsatzverluste eingefahren. Die Situation normalisiert sich nicht direkt von heute auf morgen.»

«Wir haben rund 20 Prozent weniger Personal im Einsatz. Der Grund: Es werden sich wohl viele nicht testen lassen, aus Angst, über die Fasnacht in Isolation zu sein.»

Christian Arnold, Geschäftsführer Coronatest24

Deshalb sei es auch wichtig, dass die Restaurants noch letzte Härtefallgelder für den ins Wasser gefallenen Herbst und Winter bekommen. Den Entscheid des Bundes, wonach zusätzliche wirtschaftliche Unterstützungen wegfallen sollen, ficht Grinschgl nicht an. «Wenn wir jetzt wieder Vollgas arbeiten können, braucht es Instrumente wie die Kurzarbeit nicht mehr.»

Zumindest für den Grossteil der hiesigen Restaurants. Für Hotels oder Restaurants, die stark vom Tourismus und insbesondere den Fernmärkten abhängig seien, bleibe die Situation nach wie vor unsicher. Auch bei Seminaren und Tagungen dürfte es eine Weile dauern, bis sich die Zahlen wieder auf ein Niveau von vor der Pandemie einpendeln.

In der Gastronomiebranche stünden zudem noch weitere Baustellen an: So zum Beispiel bleibt die Frage, wie schnell die bezogenen Covid-Kredite zurückbezahlt werden müssten (zentralplus berichtete). Auch mit einem Fachkräftemangel und dadurch entstandenem Preisdruck kämpfen Gastronominnen weiterhin (zentralplus berichtete).

Viele Entlassungen bei Corona-Testcenter

Für Coronatest24 hat die Aufhebung der Zertifikatspflicht grosse Auswirkungen. Total hat die Luzerner Firma rund 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Pro Tag hat das Unternehmen zwischen 500 und 1000 Schweizer Zertifikate ausgestellt und zwischen 900 und 1300 Tests durchgeführt.

Diese «Schweizer Zertifikate» braucht es nun nicht mehr. Geschäftsführer Christian Arnold sagt, dass dies zwangsläufig personelle Konsequenzen hat: «Wir brauchen rund 70 Prozent weniger Personal. Die Zertifikate auszustellen war ein grosser administrativer Aufwand. Nun fällt diese Arbeit weg.»

Schon bevor der Bundesrat seine Entscheidung veröffentlicht hat, war es für Arnold klar, dass es am kommenden Wochenende weniger zu tun gibt. «Wir haben rund 20 Prozent weniger Personal im Einsatz. Bereits eine Woche vorher wurde um 30 bis 40 Prozent reduziert. Der Grund: Es werden sich wohl viele nicht testen lassen, aus Angst, über die Fasnacht in Isolation zu sein.»

Dass nun die 5. Jahreszeit mit voller Power kommen kann, sieht Christian Arnold für die Gesellschaft gemischt positiv: Er befürchtet, dass wir den Kater wohl nach den Feiern in den Zahlen sehen werden. «Ich rechne nach der Fasnacht mit einem Anstieg der Fälle.»

Auch wenn Coronatest24 nun nicht mehr so viel zu tun hat, die Testcenter bleiben noch bestehen. «Bis Ende 2022 wird es Coronatest24 sicher noch geben. Die Erfahrungen aus dem Ausland zeigen, dass die Pandemie nach Omikron nicht unbedingt zu Ende ist.»

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Patrick Grinschgl, Präsident GastroregionLuzern
  • Telefonat mit Gianluca Pardini, Geschäftsleiter IG Kultur Luzern und Luzerner Bar & Clubkommission
  • Medienmitteilung Bundesamt für Gesundheit
  • Telefonat mit Christian Arnold, Geschäftsführer Cotonatest24
  • Medienberichte von zentralplus
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4 Kommentare
  • Profilfoto von Marc
    Marc, 16.02.2022, 17:38 Uhr

    Nur weil der Bundesrat mal wieder Geld über Gesundheit stellt, natürlich auf ewigen Druck der üblichen Jammer- und Lobbyisten Verbände, heisst das noch lange nicht, dass Kulturorte und Restaurants ab sofort wieder sicher sind. Just sayin›. Ich werde sicher bis zur wärmeren Jahreszeit zuwarten, obwohl ich fast nichts lieber täte als endlich wieder einmal ein cooles Konzert zu besuchen. Und die Gastrobranche mit dem unsäglichen Platzer ist bei mir sowieso untendurch.

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    • Profilfoto von Daniela Übersax
      Daniela Übersax, 16.02.2022, 18:04 Uhr

      Ich mag den Platzer auch nicht. Deswegen aber gleich die ganze Gastrobranche in Sippenhaft zu nehmen, finde ich dennoch falsch. Das ist wie wenn ein Ausländer sagen würde, er mag keine Schweizer wegen Ueli Maurer…

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      • Profilfoto von Marc
        Marc, 16.02.2022, 22:01 Uhr

        Da hast Du natürlich recht Daniela. Ich hätte gerne eine Liste der Betriebe die Mitglied in dem Verband sind, damit ich die Anderen bevorzugen kann. Gibt’s das? Aber sollte es das geben, würde ich diese Liste wenn ich Platzer wäre ganz schnell vom Netz nehmen.

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    • Profilfoto von Fabrizio
      Fabrizio, 16.02.2022, 23:13 Uhr

      Er kann einem sympathisch sein oder nicht, doch nur weil das grösste Hetzblatt der Schweiz es so penetrant auf Platzer abgesehen hat, heisst es nicht per se das er einen schlechten Job macht. Wer schon so lange wie er in so einer Position dabei ist, muss definitiv auch viel Gutes gemacht haben.

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