Hundehalter hatte Wutanfall auf Spielplatz

Luzerner beschimpfte Mütter als «Drecksjugos»

Auf einem Luzerner Spielplatz brach wegen eines Hundes ein Streit aus, der nun vor Gericht endete. (Bild: Symbolbild Adobe Stock)

Fast wäre es an jenem Tag vor dem Schulhaus im Wiggertal zu einer Schlägerei gekommen. Ein Streit um einen Hund auf dem Spielplatz endete in wüsten Beschimpfungen – und am Donnerstag nun vor dem Bezirksgericht Willisau.

«Sie haben das Recht zu schweigen. Wenn Sie antworten, können ihre Aussagen als Beweis verwendet werden. Sie müssen sich nicht selber belasten.» So in etwa fällt an den Luzerner Gerichten die Rechtsbelehrung aus, die jedem Beschuldigten vor der Befragung verlesen wird.

Nicht so an diesem Donnerstagnachmittag. Da holt der Richter am Bezirksgericht Willisau extra zu einer Ergänzung aus. «Ich dulde keine Beleidigungen in diesem Gerichtssaal. Wenn Sie ausfällig werden, kann ich Sie mit bis zu 1000 Franken büssen», teilt er dem kleinen Mann in der roten Bomberjacke mit, der vor ihm auf der Anklagebank sitzt.

«Wir hätten früher ‹was auf den Ranzen bekommen›, wenn wir so mit Tieren umgegangen wären.»

Beschuldigter

Er tut dies in weiser Voraussicht. Denn der aufgeregt wirkende ältere Herr ist wegen mehrfacher Beschimpfungen vorbestraft – und auch heute sitzt er deswegen im Gerichtssaal.

Doch heute will er niemanden beleidigen. Das verspricht er hoch und heilig – und er hält sich auch daran. Trotzdem wird im Verlaufe des Prozesses noch durchscheinen, dass der Mann sicherlich kein einfacher Zeitgenosse ist.

Er zeigte ihr, wo der «Bartli den Moscht holt»

Zunächst einmal geht es aber darum, dass der Mann seine Sicht der Dinge schildern darf. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, an einem Abend im Juli 2019 mit seinem Hund auf einen Kinderspielplatz gegangen zu sein. Obwohl dies verboten ist.  Als eine Frau ihn deshalb verscheuchen wollte, rastete der Rentner aus. Er soll der Frau den Mittelfinger gezeigt und sie und die Anwesenden als «huere Drecksjugos» bezeichnet haben.

Ersteres gibt der Mann in der Verhandlung unumwunden zu. «Ich lief am Spielplatz vorbei, da haben einige Kinder mit einem Stecken vor meinem Hund rumgefuchtelt und ihn erschreckt.» Das Tier sei traumatisiert, der Vorbesitzer habe den Hund misshandelt. «So etwas macht man nicht, wir hätten früher ‹was auf den Ranzen bekommen›, wenn wir so mit Tieren umgegangen wären», schimpft der Mann.

Als er den Kindern «wüst sagte», sei eine Frau auf ihn zugekommen und habe ihm gesagt, dass er das nicht dürfe. «Die hat ‹Drecksschweizer› zu mir gesagt», behauptet er. «Da hat es mich verjaggt.» Er habe einen Hass auf «solche Leute». Er sei ein paar Schritte auf die Frau zugegangen – habe also den Spielplatz betreten – und habe ich ihr gesagt, wo der «Bartli den Moscht holt».

Der Richter will wissen, wie die Frau ausgesehen hat, mit der es zum Streit kam. Doch das weiss der Mann nicht mehr. «So eine Ausländerin», sei es gewesen. «Ich schaue diese Frauen nicht an. Jedenfalls die sicher nicht.»

Dem Mann wurde das Leben schwergemacht

Ob er denn im Nachhinein anders reagieren würde, will der Richter wissen. Da wird der Mann plötzlich kleinlaut. «Ja», antwortet er. Er würde ruhig bleiben und weitergehen. Und dann selber eine Anzeige wegen Beschimpfung machen.

Wer hat in diesem Fall also wen beleidigt? Und wer hat angefangen? Die Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten. Eine der anwesenden Mütter hatte die Auseinandersetzung zwar mit ihrem Handy gefilmt. Doch darauf ist von einem gestreckten Mittelfinger nichts zu sehen.

Nach der Befragung flüstert der Verteidiger seinem Mandanten zu, er habe seine Sache gut gemacht. Dass der Mann etwas seelischen Beistand gebrauchen kann, sieht jeder im Gerichtssaal.

Seine seltsame Erscheinung und aneckende Art haben ihm wohl schon so einigen Kummer eingebracht. Der Verteidiger erzählt, dass der Beschuldigte in seinem Wohnquartier schon in den Monaten vor dem Vorfall immer wieder beschimpft worden ist. «Dass er da einmal auch mit einer Beleidigung reagierte, ist nachvollziehbar», findet er.

Auf dem Video ist zu sehen, dass ein Mann von seiner Frau mit aller Kraft zurückgehalten werden musste, damit er den Beschuldigten nicht körperlich angreift. Es ist offensichtlich, dass dem Streit eine längere Vorgeschichte vorausging.

Freispruch – aber ein paar mahnende Worte

Wie soll man da ein gerechtes Urteil fällen? Der Richter muss sich damit gar nicht im Detail beschäftigen. Denn im Strafbefehl wird dem Mann vorgeworfen, den Mittelfinger gezeigt zu haben, nachdem er den Spielpatz betreten habe. Alles was vorher gewesen sein könnte, sei demnach nicht relevant. Das Video laufe ab diesem Moment und darin sei nichts von einem Mittelfinger zu sehen. Entsprechend sei der Beschuldigte freizusprechen.

«Ich finde es nicht ok, was sie gemacht haben.»

Richter

Der Richter glaubt dem Mann auch, dass er nicht wusste, dass man mit einem Hund keine Spielplätze betreten darf – weil kein Verbotsschild vor Ort angebracht ist. «Ich gestehe Ihnen zu, dass sie das nicht wussten und einem Verbotsirrtum unterlegen sind», erklärt er dem Beschuldigten. Und spricht ihn auch von diesem Vorwurf frei.

«Damit will ich Ihr Verhalten aber nicht beschönigen», betont der Richter an den Beschuldigten gewandt. «Ich finde es nicht ok, was Sie gemacht haben.» Aber er müsse sich an den im Strafbefehl beschriebenen Sachverhalt halten. Der Richter schliesst die Verhandlung mit den Worten: «Zudem haben Sie sich heute anständig verhalten und einsichtig gezeigt, das hat mir gefallen. Dann hatte das Strafverfahren doch etwas Gutes bewirkt.» Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Ram Dass
    Ram Dass, 24.01.2020, 12:53 Uhr

    Das Mitführen von Hunden auf Spielplätzen, Schulhausanlagen, Sportplätzen, Friedhofsanlagen und Spitalanlagen ist untersagt. Sprich verboten. Nur – kümmert das das gros der Hundebesitzer nicht die Bohne. Respekt vor den Interessen anderer Nutzer öffentlicher Räume – Fehlanzeige!

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