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Was einigen Anwohnern ein Graus ist, freut den Hirschkäfer – aufgrund der grossen Mengen an totem Holz hat er im Eichwäldli einen Lebensraum gefunden. Derweil wird auch auf dem Areal des ehemaligen Schiessgeländes Platz für ein gefährdetes Tier geschaffen. Das passt nicht allen.
Das Eichwäldli – ein angeblich vernachlässigtes Waldstück am Stadtrand – sorgt für Unmut auf der Luzerner Allmend (zentral+ berichtete). Anwohner wünschen sich ein stadtnahes Erholungsgebiet – ohne Berge von Totholz, Brombeerstauden und Sümpfe. Zudem fordern Hundebesitzer weniger Einschränkungen. Ganz in der Nähe sind ebenfalls kritische Stimmen zu vernehmen. Zusammengefasst würden der Arten- und Naturschutz über die Bedürfnisse der Stadtbevölkerung gestellt werden, so der Vorwurf.
Beim Eichwald handelt es sich um ein Sonderwaldreservat, das als «überregional bedeutendes Natur- und Kulturobjekt» erhalten werden soll. Und genau dafür würde das Stadtforstamt sorgen, erklärt Max Lang, Forstverwalter und Präsident der Korporation Luzern, die für die Bewirtschaftung und Pflege des Eichwäldli zuständig ist.
«Waldstücke in unmittelbarer Stadtnähe sind immer eine besondere Herausforderung.»
Max Lang, Präsident der Korporation Luzern
«Klar wäre ein Park für die Bevölkerung wahrscheinlich schöner», sagt Lang und betont gleichzeitig, dass dies in absehbarer Zeit nicht realisierbar sei. Das Eichwäldli wird noch bis 2060 ein Sonderwaldreservat des Kantons Luzern bleiben. «Sonderwaldreservate dienen der Förderung der Biodiversität und dem Artenschutz und sollen deshalb so bewirtschaftet werden, dass die Ansprüche der Zielarten an ihren Lebensraum erfüllt werden», so Lang weiter.
«Es werden gezielte forstliche Eingriffe ausgeführt, um den Lebensraum von geschützten Tier- und Pflanzenarten – wie etwa dem Hirschkäfer – zu erhalten (siehe Box). Dass dabei Alt- und Totholz liegen gelassen wird, ist wichtig und entspricht den Bestimmungen des Kantons.» Dass der Wald nicht gepflegt werde, wie dies von einzelnen Anwohnern wahrgenommen wird, stimme somit nicht.
«Das sieht dann halt nicht wie im Disneyland aus.»
Max Lang
Artenschutz hat auch auf Allmend Vorrang
Der Hirschkäfer fühlt sich im Eichwäldli pudelwohl. Und das ist keine Selbstverständlichkeit: Aufgrund der Zerstörung seines Lebensraums – beispielsweise durch zu intensive Forstwirtschaft – gilt der Hirschkäfer als stark gefährdet und ist europaweit geschützt. Um zu überleben, benötigt er Eichenwälder mit einer Mindestmenge an totem Holz.
Auch die Gelbbauchunke gehört in der Schweiz zu den gefährdeten Tierarten. Die Ursachen für den drastischen Bestandsrückgang sind ebenfalls im Verlust seines Lebensraums zu finden: unter anderem die Trockenlegung von Feuchtgebieten, die Verbauung von Flüssen wie auch die Technisierung der Landwirtschaft.
Eine ähnliche Ausgangslage zeichnet sich auf dem Areal des ehemaligen Schiessgeländes auf der Luzerner Allmend ab. Auch hier soll innerhalb der Naturschutzzone ein Lebensraum für gefährdete Tiere entstehen. Das passt jedoch nicht allen Anwohnern, wie es seitens des Quartiervereins Biregghof-Grünegg heisst.
Krater- statt Wasserlandschaft
Aufgrund der mit Schwermetallen belasteten Böden hat die Stadt beim ehemaligen Schiessplatz ein Sanierungs- und Renaturierungs-Projekt durchgeführt. Dabei musste auf mehr als zwei Hektaren Fläche bis zu 40 Zentimeter Boden abgetragen werden. Auch wurden rund 6’500 Quadratmeter Wald gerodet, die mittlerweile neu begrünt und mit einheimischen Bäumen und Sträuchern bepflanzt wurden.
«Es ist nicht das, was man sich primär unter einem Naherholungsgebiet vorstellt.»
Xaver Hartmann, Präsident Quartierverein Biregghof-Grünegg
Im Rahmen dieses Projekts fand auch eine ökologische Aufwertung des Areals statt: Kleingewässer für die gefährdeten Gelbbauchunken und andere Amphibien sollten entstehen. Bis jetzt ist von den Tieren in den «Kleingewässern» noch nicht viel zu sehen. Die kleinen Seen sind vom warmen Wetter ausgetrocknet. (siehe Bild).
(Bild: zvg)
Quartierverein hat es sich anders vorgestellt
«Wir hätten schon gehofft, dass alles etwas grüner wird», sagt Xaver Hartmann, Präsident des Quartiervereins Biregghof-Grünegg. Insgesamt sei das Projekt zwar gelungen, jedoch sei das Areal für den allgemeinen Gebrauch sehr eingeschränkt. «Es ist nicht das, was man sich primär unter einem Naherholungsgebiet vorstellt», so Hartmann. Obwohl er den Naturschutz an sich sinnvoll fände, übertreibe es die Stadt auf der Allmend.
«Nur noch wenige Wege führen durch das Areal – und diese dürfen nicht verlassen werden», kritisiert Hartmann. Spiele in der Natur, die gerade für Stadtkinder wichtig seien, wären somit nicht mehr möglich. Auch Hundebesitzer fühlen sich eingeschränkt, da sie ihre Vierbeiner aus Rücksicht auf die Pflanzen- und Tierwelt an der Leine führen müssen. «Hündeler können ihre Tiere mittlerweile nirgends mehr frei laufen lassen», so Hartmann und bedauert, dass die Stadt nun scheinbar nicht mehr nur die Pferde, sondern auch die Hunde von der Allmend vertreiben wolle.
«Es ist ein Wald – und kein Park.»
Stefan Herfort, Umweltschutz der Stadt Luzern
Erholungsraum – nicht für alle?
Ist demnach die Allmend längst nicht mehr ein Erholungsraum für alle? Was sagt man seitens der Stadt dazu? Stefan Herfort vom Umweltschutz der Stadt Luzern wehrt sich: «Das ist ganz und gar nicht so. Wir setzen sinnvolle und politisch gewollte Massnahmen um und berücksichtigen auf der Allmend ganz viele verschiedene Bedürfnisse gleichzeitig.» Alle Nutzergruppen von Jogger über Naturliebhaber bis Hundebesitzer wurden miteinbezogen.
Hier werde der Naturschutz nicht höher gewichtet als die Bedürfnisse der Stadtbewohner, so Herfort. «Wir legen zum Beispiel die Wege so, dass sie für die Waldbesucher durch die Natur führen.» Und der Wald müsse nicht überall begehbar sein. «Alte Eichen sind zum Beispiel nicht ungefährlich, wenn die schweren Äste herunterfliegen. Es ist ein Wald und kein Park.»
Hundebesitzer könnten ihre ihre Hunde nicht frei laufen lassen, weil der Bereich der ehemaligen Schiessplätze auf der Allmend bereits 2009 zur Naturschutz-Zone erklärt wurden. «Das ist eine Einschränkung. Es gibt jedoch sehr viele Anwohner und Nutzer des Naherholungsgebiets, die sich an gleicher Stelle über frei laufende Hunde im Natuschutzgebiet und im Bereich der angrenzenden Sportanlagen beklagen», sagt Herfort.
Dass schliesslich die Gewässerlandschaft noch etwas verlassen aussieht, habe Gründe. «Einige der Weiher sind wegen der extremen Trockenheit den letzten Wochen ausgetrocknet, was für Kleingewässer, die vor allem durch Regen gespeist werden, ein ganz natürlicher Vorgang ist. Zudem wurden die Gewässer erst im letzten Jahr angelegt, weswegen sie noch kaum bewachsen sind.», erklärt Herfort.
Zählungen im Frühsommer hätten gezeigt, dass die Gewässer bereits von über 500 Gelbbauchunken besiedelt wurden. Eine Amphibenart, die als stark gefährdet gilt. «Dies ist nicht nur ein Erfolg für den Artenschutz, sondern bietet für den Allmend-Besucher die einmalige Chance, diese seltene Amphibienart vom neu angelegten Naturerlebnisrundweg aus zu beobachten oder in der Dämmerung dem eindrücklichen Konzert der Unken zuzuhören.»
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