Luzern sucht Strassenstrich: Warum Emmen warnt und andere blocken
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Der Stadtrat hat versprochen, einen neuen Standort für den Strassenstrich zu prüfen. Eine Analyse hat erst gestartet – und bei manchen Gemeinden weiss man nicht einmal, dass überhaupt gesucht wird.
Nacht für Nacht stehen zehn bis fünfzehn Prostituierte am Luzerner Strassenstrich. Im Ibach, abgelegen im Industriegebiet.
In den letzten Jahren wurde es immer wieder gefährlich für die Frauen. Raubüberfälle. Drohungen mit einer Pistole (zentralplus berichtete) und einer Axt. Eine von den Prostituierten auf dem Strich – Emiliya – ist heute tot. Ihr Mörder konnte bis heute noch nicht zur Rechenschaft gezogen werden (zentralplus berichtete).
Seit über zehn Jahren arbeiten Frauen im Ibach – einem Ort ohne soziale Kontrolle. Die Probleme waren bekannt, doch geändert hat sich wenig.
Ja, der Stadtrat will
Im Dezember 2023 erklärte der Stadtrat, man wolle die Standortfrage neu prüfen – und der regionale Entwicklungsträger Luzernplus solle das Thema koordinieren. (zentralplus berichtete).
Im Mai 2025 bekräftigte er: LuzernPlus sei mit einer Analyse beauftragt (zentralplus berichtete). In seiner Stellungnahme auf ein Postulat ging er zudem noch weiter: Die Stadt will mit den Gemeinden Ebikon, Horw, Emmen und Kriens nicht nur nach alternativen Standorten für einen Strassenstrich suchen, sondern auch gleich Umschau halten nach einem passenden Gebäude. Dieses könnte – direkt beim Strich – als Laufhaus oder Wohnhaus mit Arbeitsplätzen für die Prostituierten dienen.
Das erste Postulat wurde im Dezember 2023 überwiesen, über das Neuere debattiert das Stadtparlament an seiner Sitzung vom 15. Mai.
Eine Umfrage bei den Gemeinden Kriens, Horw, Ebikon und Emmen zeigt: Die Standortsuche stockt.
Zwischen Ahnungslosigkeit und Abwehr
Drei Gemeinden halten sich relativ wortkarg: Kriens habe sich in den letzten Jahren «nicht mit diesem Thema beschäftigt», schreibt der Krienser Mediensprecher. Die Stadt habe auch keine passenden Orte oder Liegenschaften.
Der Horwer Gemeinderat hält fest, dass er keine Gesprächseinladung von Stadtrat oder LuzernPlus gekriegt habe. Ebikon verweist an Luzernplus, diese würden im Auftrag der Gemeinden eine Analyse durchführen.
Emmen gibt ausführlich Antworten. Die Gemeinde zeige sich offen, «in Gespräche zu gehen», stellt aber klare Forderungen: «keine einfache Verlagerung der Problematik in unsere Gemeinde». Das akzeptiere man nicht, schreibt Gemeinderat Beat Niederberger, der für Soziales und Gesellschaft zuständig ist.
Emmer wollen härter gegen Prostitution in Wohngebieten vorgehen
Er führt aus, dass die Gemeinde aktuell das Bau- und Zonenreglement überarbeitet. «In diesem Zusammenhang haben diverse Bürgerinnen und Bürger verschärfte Massnahmen gegen Prostitution in Wohngebieten gefordert, indem sie im Prozess der Mitsprache entsprechende Einsprachen vorbrachten.»
«Tatsächlich befinden wir uns aktuell noch in einem sehr frühen Stadium der Abklärungen.»
Flavio Desax, Luzernplus
Niederberger sagt, dass sie diesem Anliegen seitens der Bevölkerung unbedingt Rechnung tragen wollen. «Das schränkt die Auswahl möglicher Standorte bereits im Ansatz stark ein.»
Zu potenziell geeigneten Orten für den Strassenstrich oder Gebäude für ein Laufhaus kann sich Niederberger nicht äussern.
Wohnen neben dem Strassenstrich – schwierig
Da wohnen, wo andere ihre sexuelle Dienstleistungen auf der Strasse anbieten, ist kein leichtes Unterfangen. So wurde auch in Luzern der Strassenstrich vom Tribschen in den Ibach verdrängt – vom Wohnquartier ins Industriegebiet.
Und auch Emmen hat diese Erfahrungen gemacht. «Hier in Emmen hatten in der Vergangenheit strassenstrichähnliche Vorkommnisse meist zu schnellen Reaktionen seitens der Bevölkerung geführt und somit kaum länger Bestand», sagt Niederberger. Auch die zunehmende Verlagerung der Prostitution in Wohnungen (zentralplus berichtete) wurde jüngst zum Politikum in Emmen. Anfangs Februar reichten Politikerinnen eine Interpellation ein, die Fragen zur Sexarbeit in Wohnräumen stellt.
Tendenziell scheint es gemäss Niederberger keine mehrheitsfähige Lösung in Wohnzonen zu geben, was eine Verlagerung in Gewerbezonen nahelegen würde. Doch das löst das Problem nicht, sondern verschiebt es nur. Einerseits müsse man die Sicherheit der Sexarbeiterinnen gewährleisten, andererseits auch die Anliegen der Anwohnerschaft ernst nehmen – etwa Sicherheit, Ruhe und weniger Verkehr.
Ein Jahr später gings weiter
Dezember, 2023: Gross verkündete Martin Merki, damals noch städtischer Sozial- und Sicherheitsdirektor, an einer Sitzung des Stadtparlaments: «Wir nehmen die Suche nach Lösungen für andere Standorte wieder auf.»
Seither scheint sich – zumindest punkto Standortfrage – nichts getan zu haben. Das zeigt eine Anfrage von zentralplus bei Luzernplus. «Tatsächlich befinden wir uns aktuell noch in einem sehr frühen Stadium der Abklärungen – konkret haben bisher bezüglich Verlegung Strassenstrich Luzern noch keine Gespräche zwischen uns und den beteiligten Agglomerationsgemeinden stattgefunden», sagt Mediensprecher Flavio Desax.
«Sollten weitere Standorte ins Auge gefasst werden, müsste das städtische Reglement angepasst werden.»
Melanie Setz, Sozial- und Sicherheitsdirektorin Stadt Luzern
Er könne deswegen nichts zu Strategie und Zeitpunkt sagen. Auf erneutes Nachhaken seitens zentralplus sagt Desax, dass die K5-Gemeinden im Frühling 2025 das Anliegen geäussert hätten. «Wir sind sehr interessiert daran, die Thematik rasch zu lösen. Damit wir aber gute Resultate erarbeiten können, brauchen wir nun erstmal Zeit.»
Analyse hat jetzt gestartet
Die Stadt bestätigt, dass sich die Stadt- und Gemeinderäte von Luzern, Ebikon, Kriens, Emmen und Horw im Februar 2025 getroffen hätten, gemeinsam mit einer Vertreterin von Luzernplus. Dies im Rahmen einer periodisch geplanten Sitzung. «Die raumplanerischen Abklärungen haben jetzt gestartet», sagt Sozial- und Sicherheitsdirektorin Melanie Setz. Luzernplus habe ein Planungsbüro damit beauftragt.
Also über ein Jahr nach dem Postulat. Es scheint, als ob die Standortsuche nur zögerlich voranschreitet. Flavio Desax sagt, dass das Thema komplex sei und gute Resultate ihre Zeit bräuchten.
Die städtische Sozial- und Sicherheitsdirektorin betont die Wichtigkeit der Sicherheit der Sexarbeiterinnen im Ibach. Die Stadt hätte gemeinsam mit dem Verein Lisa und der Luzerner Polizei auch einiges dafür getan. So wurde für die Prostituierten ein zweiter Container aufgestellt und etwa eine Notrufsäule errichtet.
Sperrzonen erschweren Suche
«Sollten weitere Standorte ins Auge gefasst werden, müsste das städtische Reglement angepasst werden», so Setz. Denn das städtische Reglement sieht sogenannte Sperrzonen zum Schutz der Anwohnenden vor. Käuflicher Sex ist an Strassenabschnitten, wo Häuser stehen, die nicht geschäftlich genutzt werden, verboten. Ebenso an ÖV-Haltestellen. Das Reglement ist seit 2012 in Kraft, damit wurden Prostituierte aus den Wohngebieten im Tribschen- und Kreuzstutzquartier getrieben.
Schon nach dem Mord an Emiliya 2014 wurde über Alternativen gesprochen – auch damals mit Luzernplus. Gefunden wurde nichts.
- Schriftlicher Austausch mit Beat Niederberger, Gemeinderat Emmen
- Schriftlicher Austausch mit Anian Heierli, Bereichsleiter Kommunikation Gemeinde Ebikon
- Schriftlicher Austausch mit Marc Lustenberger, Kommunikationsverantwortlicher Stadt Kriens
- Schriftlicher Austausch mit Christian Volken, Kommunikationsbeauftragter Gemeinde Horw
- Schriftlicher Austausch mit Flavio Desax, Projektleiter Kommunikation bei LuzernPlus
- Schriftlicher Austausch mit Melanie Setz, städtische Sozial- und Sicherheitsdirektorin
- Stellungnahme des Luzerner Stadtrates auf das Postulat 11
- Stellungnahme des Luzerner Stadtrates auf das Postulat 265
- Medienarchiv von zentralplus