«Die Politik müsste sich schämen»

Luzern: Scharfe Kritik am Sozialdienst für Flüchtlinge

Auch wenn Luzern die Flüchtlinge mit offenen Armen begrüsst, klemmt es noch bei einigen Anlaufstellen. (Bild: Anastasiia Krutota via unsplash)

Um den Andrang von Flüchtlingen bewältigen zu können, hat der Kanton Luzern einen zusätzlichen Sozialdienst an der Baselstrasse lanciert. Dieser kassiert jetzt Kritik aus der Bevölkerung.

Seit die ersten Flüchtlinge aus der Ukraine in Luzern angekommen sind, ist klar, dass es zusätzliche Anlaufstellen braucht. «Unsere Kapazitäten beim bestehenden Sozialdienst (...) reichen nicht aus, um Schutzbedürftige aus der Ukraine und unser bisheriges Klientel zu betreuen», sagte Silvia Bolliger, Leiterin der Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen (zentralplus berichtete).

Um das Problem zu entschärfen, eröffnete die Dienststelle an der Baselstrasse einen zusätzlichen Sozialdienst. Dort liegt der Fokus auf Personen mit Status S.

Leben unter dem Existenzminimum

Gegen den Kanton und seine Angebote gibt es kritische Stimmen. Einerseits wegen des Geldes. Die finanzielle Hilfe für ukrainische Flüchtlinge liegt in Luzern weit unter dem Existenzminimum. Und das, obwohl der Kanton vom Bund monatlich 1500 Franken pro Person bekommt (zentralplus berichtete). Dass dies zum Leben in Luzern nicht wirklich reicht, hat eine unserer Redaktorinnen in einem Selbstversuch festgestellt (zentralplus berichtete).

Nun kassiert der Sozialdienst an der Baselstrasse Kritik aus der Bevölkerung. zentralplus erreichte via Twitter die Meldung, dass es bei der Stelle Wartezeiten von mehreren Stunden gäbe. «Die Politik müsste sich schämen», heisst es im Tweet.

Lässt der Kanton die Flüchtlinge im Regen stehen?

Wir konfrontierten die Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen (DAF) mit den Vorwürfen. Gibt es tatsächlich so lange Wartezeiten? «Alle Schutzsuchenden, die im Vornherein einen Termin vereinbart haben, haben keine Wartezeiten», schreibt die Stelle. Wer keinen Termin hat, müsse allerdings mit Wartezeiten rechnen.

Aktuell gäbe es eine hohe Anzahl an Klientinnen, bei denen es viel Zeit für die Abklärungen brauche. Dabei geht es darum, herauszufinden, ob die Menschen einen Anspruch auf Sozialhilfe haben. «Für diese Abklärungen müssen die Schutzsuchenden verschiedene Dokumente vorlegen, die teilweise nicht vorhanden oder unvollständig sind», so die DAF.

Die Flüchtlinge stellen viele Fragen und haben Anliegen an den Sozialdienst an der Baselstrasse. Für einige dieser Begehren, zum Beispiel, die Unterkunft zu wechseln, ist der Sozialdienst aber gar nicht zuständig. «Es braucht Zeit, diese Anliegen anzuhören und die Schutzsuchenden gegebenenfalls an eine andere Stelle zu verweisen», schreibt die DAF.

Der Sozialdienst will nun die Situation entschärfen

Das Problem scheint nicht nur unserem Leserreporter quer im Magen zu liegen. Auch der Sozialdienst reagiert nun auf die langen Wartezeiten an der Baselstrasse. Es ist ein Umbau geplant, schreibt uns die Dienststelle. «Der Sozialdienst plant, in Kürze die Räumlichkeiten zu optimieren, sodass zum Beispiel die Zuströme von Klientinnen und Klienten im Wartebereich besser gelenkt werden können.»

Um das Problem zusätzlich zu entschärfen, plant die Dienststelle, weiteres Informationsmaterial zu erstellen. Informationsbroschüren und Webseiten auf Ukrainisch sollen die wichtigsten Fragen klären, bevor die Flüchtlinge an die Baselstrasse gelangen.

Tipp: Termin vereinbaren

Die Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen empfiehlt den Flüchtlingen, sich möglichst vor dem Besuch an der Baselstrase anzumelden. «Falls eine Terminvereinbarung nicht möglich ist, empfehlen wir, den Sozialdienst möglichst früh am Vormittag aufzusuchen, wenn die Wartezeiten eher kurz sind und möglichst nicht nach dem Mittag, wenn die Frequentierung besonders hoch ist», so die DAF.

Verwendete Quellen
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7 Kommentare
  • Profilfoto von Louis Henseler
    Louis Henseler, 03.06.2022, 09:40 Uhr

    Mir sind zwei Flüchtlingsfamilien bekannt, welche nach zehn Wochen nun erstmals vom Kanton finanzielle Unterstützung erhalten haben. Die Rechnung von der Serafe für Radio- und Fernsehgebühren war schneller im Briefkasten. Ohne die materielle Unterstützung durch die Hausbesitzerin sowie mehreren Gönnern, welche die beiden Familien mit Naturalien unterstützt haben, wären die beiden Flüchtlingsfamilien wohl kaum über die Runden gekommen. Die Erwachsenen haben sich sehr schnell Arbeit gesucht und üben Tätigkeiten im Stundenlohn und auf Abruf aus. Dieser finanzielle Zustupf aus Lohnarbeit wird noch von der kantonalen Unterstützung abgezogen. Als Aussenstehender mit Einblick in die Status-S-Szene habe ich Mühe, diese administrativen Vorgänge richtig einzuordnen. Ich werde auch den Verdacht nicht los, dass sich der Kanton am Elend der ukrainischen Flüchtlinge noch bereichert.

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  • Profilfoto von Dunning-Kruger
    Dunning-Kruger, 01.06.2022, 13:39 Uhr

    Jede/r der/die Sozialhilfe bezieht, liegt unter dem Existenzminimum!
    Denn, es wird zwischen dem betreibungsrechtlichen Existenzminimum nach SchKG und dem Sozialen Existenzminimum unterschieden. Das Soziale Existenzminimum ist immer und in jedem Fall markant tiefer als das betreibungsrechtliche Existenzminimum. So wollen es die Gesetze.
    An diesem Faktum ändert auch kein «Selbstversuche» der Welt irgendetwas. Dieser ist rein perspektivisch und keinesfalls objektiv.

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  • Profilfoto von Peter Bitterli
    Peter Bitterli, 01.06.2022, 12:29 Uhr

    Sollen doch die Motzer selber Geld in die Hand nehmen und Arbeit leisten, wenn sie von ihrem ewigen Schuld- und Schamkult runterkommen und unbedingt einer beispiellos privilegierten Flüchtlingsgruppe noch kräftigere Unterstützung anbieten wollen. Ich fände das ehrenhaft.

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    • Profilfoto von Beter Pitterli
      Beter Pitterli, 01.06.2022, 13:20 Uhr

      definieren Sie: «beispiellos privilegierten Flüchtlingsgruppe» Herr Bitterli (selten einen passenderen Namen gelesen)….

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      • Profilfoto von Peter Bitterli
        Peter Bitterli, 01.06.2022, 14:38 Uhr

        Mach ich. Sobald er sich selbst definiert hat.

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      • Profilfoto von Setzen, sechs!
        Setzen, sechs!, 01.06.2022, 16:31 Uhr

        Rote Bete(r) meinte, sprechen Sie bitte nicht bloss von Flüchtlingen.
        Sondern per definitionem unbedingt auch von Flüchtlinginnen…

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    • Profilfoto von Russenlover_Beter_lic.phil.
      Russenlover_Beter_lic.phil., 03.06.2022, 16:15 Uhr

      Kommentar gelöscht

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