Luzernerin (30) schreibt an ihrem zweiten Buch

Livia Schwander nutzte die Pandemie für einen Neuanfang

Die Luzernerin Livia Schwander hat ihren Job als Kindergärtnerin in der Corona-Zeit gekündigt, um ein Buch zu schreiben. (Bild: zvg)

Livia Schwander hat kürzlich ihren ersten Roman veröffentlicht. Darin nimmt sie den Leser mit auf eine Reise zu sich selbst. Eine Geschichte, die besonders in diesen Zeiten zum Nachdenken anregt. zentralplus hat die 30-Jährige zum Interview getroffen.

Livia Schwander sitzt am Küchentisch ihres Wohnzimmers. Sie lächelt. Letztes Jahr hat sie ihren Roman «Herzensblicke» veröffentlicht. Darin geht es um zwei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein können. Ruth, die mit ihrem Leben völlig unglücklich und überfordert ist. Und Delia, die mit Leichtigkeit und Lebensfreude durch das Leben geht. Die beiden Frauen nehmen den Leser mit auf eine Reise zu sich selbst. Klingt simpel. Aber ist es das auch? «Nicht ganz», sagt die 30-jährige Luzernerin.

Im Alter von 25 Jahren steht auch Livia Schwander an einem Wendepunkt. Eine besondere Begegnung führt dazu, dass sie sich stärker mit sich selber auseinandersetzt und sich entschliesst, auf eine Reise zu sich selbst zu gehen.

Pandemie für einen Neuanfang genutzt

Wir blicken zurück auf den März 2020: Ein neuartiges Virus verbannt Millionen von Menschen in die eigenen vier Wände. Livia Schwander arbeitet zu diesem Zeitpunkt als Kindergärtnerin und Lehrerin. Die verspürt den Drang auszubrechen. Sie beschliesst, das sichere Anstellungsverhältnis loszulassen und sich ganz der inneren Stimme zu widmen. Und sie macht damit den ersten Schritt in ein neues Leben.  

«Einen fixen Plan zu haben, bedeutet immer auch, sich bereits im Vornherein einzuschränken, weil man den natürlichen Fluss des Lebens nicht mit einbezieht.»

Livia Schwander, Buchautorin und Bloggerin

In den nächsten Wochen arbeitet Livia Schwander intensiv an ihrem ersten Roman – und folgt damit ihrer inneren Stimme. Mehrfach wird sie auf ihre Zukunftspläne angesprochen. Immer wieder antwortet sie, keine Pläne mehr zu machen. Sie folgt ihrer Intuition: «Einen fixen Plan zu haben, bedeutet immer auch, sich bereits im Vornherein einzuschränken, weil man den natürlichen Fluss des Lebens nicht mit einbezieht.» Etwas, was für Schwander fortan nicht mehr passt.

Ablenkung – für Livia Schwander kein guter Ratgeber

«Ich habe festgestellt, dass wir uns zu wenig mit den Schattenseiten unseres Seins auseinandersetzen», sagt Schwander. Sie bezeichnet die Beschäftigung mit unangenehmen Gefühlen, Wunden, Glaubenssätzen und Mustern als Schattenarbeit. Wie wichtig gerade diese Arbeit mit sich selbst ist, zeigte sich in den letzten Monaten, als die Corona-Pandemie uns in unserer Freiheit einschränkte. «Durch teils einschneidende Massnahmen hatten viele Menschen den Eindruck, man beraube sie ihrer Freiheit. Doch in Wahrheit ist Freiheit ein Gefühl. Und dieses kann uns niemand nehmen, ausser wir uns selbst», findet sie. Für Schwander gibt es mehrere Gründe, weshalb wir dieses Gefühl zu wenig in uns selbst suchen.

«Wenn wir merken, dass uns eine Situation entgleitet, lenken wir unseren Fokus schnell und oft auf andere Dinge. Wir gehen beispielsweise im Wald spazieren, hören laute Musik. Genau in diesem Moment verschliessen wir uns vor unseren Schatten.» Für Schwander ist klar, dass in diesem Moment ein innerer Konflikt entsteht, der oft auf die Umwelt und andere Menschen projiziert wird. Auch die Luzernerin hatte beobachtet, dass sie zu wenig bei sich selber war und sich zu stark von ihrem Umfeld abhängig machte.

«Besonders Frauen neigen dazu, ihre Identität in den Meinungen anderer Menschen zu suchen.» Oft gehen sie selbst in diesem Prozess verloren. Und was rät die Buchautorin? «Wir dürfen uns wieder mehr Raum zugestehen, um uns selbst zu fühlen und um den Moment bewusst wahrzunehmen. Es geht darum, vom Aussen nach Innen zu gehen und die Antworten auf unsere Fragen in uns selbst zu finden. Oft hilft dabei ein Forscherblick, wenn wir uns einer Thematik mit Neugier widmen.»

Forschen mit den eigenen Schattenseiten

Was sich leicht anhört, ist vor allem zu Beginn mit viel Herzschmerz und emotionalen Achterbahnfahrten verbunden. Livia Schwander rät deshalb, mit den eigenen Schattenseiten liebevoll umzugehen. «Wenn wir einen Forscherblick auf ungelöste Themen entwickeln, fällt es leichter, die nötige Distanz zu einem unangenehmen Gefühl aufzubauen. Auch das scheinbar ‹Negative› darf uns dienen, wenn wir uns dem Geschenk dahinter öffnen».

«Kinder beobachten, wenn wir Erwachsenen uns ablenken, wenn es unangenehm wird.»

Livia Schwander, Buchautorin und Bloggerin

Kinder neigen besonders stark dazu, ihnen vorgelebtes Verhalten zu imitieren. «Kinder beobachten, wenn wir Erwachsenen uns ablenken, wenn es unangenehm wird», kritisiert die gelernte Kindergärtnerin. Deshalb findet sie es gut, wenn Erwachsere Kinder darin begleiten, sich ihrer Innenwelt zu widmen.

Freiheit ausserhalb der gefestigten Strukturen des Arbeitlebens

Livia Schwander glaubt, dass bei zahlreichen Menschen derzeit ein Umdenken stattfindet. Das zeigen die Zahlen der Personen, die in den letzten Monaten den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt haben (zentralplus berichtete). Für die Luzernerin ein klares Indiz, dass viele den Wunsch hegen, sich von Strukturen und Abhängigkeiten zu lösen.

Auch Livia Schwander berichtet davon, wie befreiend es für sie war, den Schritt in ein selbstständiges Leben gewagt zu haben. Ihren Entscheid, Schul- oder Kindergartenvertretungen spontan zu übernehmen, bereut sie bis heute nicht. «Ich werde oft gefragt, woher ich dieses Vertrauen in das Leben nehme und ob ich keine Existenzängste hätte.» Ihre Antwort ist simpel: nein. Sie dürfe nun erleben, wie sich alles im Leben auf wundervolle Weise fügt, wenn sie den Fluss des Lebens zulasse.

Und wie geht es in Bezug auf die Geschichte der Protagonistinnen Ruth und Delia weiter? Derzeit schreibt Schwander an einer Fortsetzung. Diese trägt den Namen «Seelenblicke». Auch Ruth erlebt jeden Tag als neue Herausforderung. Im Unterschied zum ersten Teil hat sie aber gelernt, solche Herausforderungen als Chancen anzunehmen. Sie findet Gefallen an neuen Perspektiven. Wie es sich für eine Forscherin gehört.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Livia Schwander
  • Konsultation ihrer Website
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3 Kommentare
  • Profilfoto von Bettina Graf
    Bettina Graf, 27.01.2022, 21:40 Uhr

    Wow! Livia, du lebst vor was viele nicht wagen und machst den Menschen Mut. Und das mit deiner Sanftheit. Selbst deine Schattenarbeit kommt bei dir als Leichtigkeit daher, auch wenn sie alles andere als leicht ist. Es ist immer eine Freude von dir zu lesen.

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  • Profilfoto von Roli Greter
    Roli Greter, 27.01.2022, 06:21 Uhr

    Bravo Livia!

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  • Profilfoto von Hegard
    Hegard, 26.01.2022, 20:34 Uhr

    Super macht weiter so und wünsche viel Vertrauen und Kraft dazu.
    Es gibt immer mehr Massen Roboter.Das ist man in der Pandemie aufgefallen
    Viele haben Angst vor sich Selber.

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