Glosse zur Einweihung des Luzerner Bahnhofs

Liftmusik und Bodylotion – ein Bahnhofsfest voller Highlights

Am Bahnhof Luzern findet gerade das «Grosse Einweihungsfest» statt. Nichts wie hin. Oder auch nicht. (Bilder: jav)

Der Luzerner Bahnhof hat seit diesem Donnerstag viele neue tolle Einkaufsmöglichkeiten für alle Shopaholics. Das schreit nach einer Hammer-Party, dachten sich die SBB und kündigten an: «Grosses Einweihungsfest». zentralplus hat lange gesucht – und schliesslich auch etwas gefunden.

Wir feiern den Konsum! Der Luzerner Bahnhof hat mehr Shops bekommen. Nun können wir auch spätabends und sonntags unsere dringlichen Einkäufe machen – wie bauchfreie T-Shirts für fünf Franken kaufen, billigen Modeschmuck, teure Parfüms und Lidschatten. Endlich!

Erste Klasse, weisse Tischchen

Und weil die SBB sich sehr über die neuen Einkaufsmöglichkeiten in der Touristenstadt freut, schmeissen sie ein Fest. «Das grosse Einweihungsfest im Luzerner Bahnhof» findet Donnerstag und Freitag statt und bietet alles was das Herz begehrt. Mit «musikalischen Darbietungen erster Klasse», weiss eingefassten Stehtischchen und – nicht zu vergessen – einer schicken roten Kordel zur Abtrennung der Festivitäten vom gemeinen Pendler (siehe Filmaufnahmen).

Am Donnerstag ist von Festivitäten-Trubel erstmal nichts zu bemerken. Vor dem Billigschmuckladen Claire’s stehen Leitern herum, vor dem Bilettautomaten verwirrte Touristen. Nicht einmal Surprise-Verkäufer oder studentische Müsterchen-Verteiler lassen sich unter den Pendlern finden. Doch vor zwei, drei Geschäften weisen Ballon-Girlanden auf einen möglichen Event hin.

Freundlich tröpfelt der Jazz

Und dann – Musik. Wir folgen ihr und finden vor dem Coop den Hotspot des Einweihungsfestes. Es lauscht das vornehmlich pensionierte Publikum andächtig der Jazzband, welche gemäss Programm bereits seit vollen drei Stunden auf der Bühne stehen soll. Und das merkt man: Freundlich tröpfelt der Jazz.

Vor dem Bahnhof hat sich eine Vertreterin der nicht-materiellen Welt aufgestellt. Sie verteilt Flyer von Gott. Diese scheinen aber nicht ganz so attraktiv zu sein wie die Gutscheine für Gratis-Bodylotion und die leuchtenden Prozent-Flyer, die im Untergrund neben den Stehtischchen verteilt werden. Das und die neuen kulinarischen Angebote ziehen die Leute eher an.

Bei den neuen Take-away-Restaurants haben sich nämlich doch einige Schüler, Herren in Anzügen und Wanderer versammelt. Die scheinen sich jedoch in der dunklen Ecke wohler zu fühlen als im VIP-mässig eingezäunten Fest-Bereich.

Wozu eine Mall of Switzerland?

Aber für die SBB ist es mit Musik und Stehtischchen noch lange nicht getan. Denn tatsächlich haben im Bahnhof Luzern «insgesamt 46 Geschäfte geöffnet». Calida, Rituals, The Body Shop, H&M, Mobilezone, Joe And The Juice sind neu vor Ort. Neben den bereits heimischen, Claire’s, Interdiscount, Koffler, Tschümperlin, Chicoree, Maxx, Beer of the World und so weiter und so fort.

Und was darf ganz ami-mässig in einer modernen, konsumorientierten Gesellschaft in der Nähe der Shoppingmeile auf keinen Fall fehlen? Richtig. Ein Foodcorner für die leibliche Stärkung – mit Little Istanbul, Dean & David, Holy Cow und Bobby + Fritz. Dazu kommen Bachmann, Läderach und der Sushi-Laden.

Kaufen kann man im Bahnhof natürlich immer noch Blumen, Kioskartikel, Taschen und Schlüssel und auch Bücher. Oder lassen Sie sich die Haar schneiden. Und neben dem Coop darf neu natürlich auch die Migros im Untergrund nicht fehlen. Wofür eigentlich eine Mall of Switzerland bauen?

Künftig werden die Reisenden gar nicht mehr weiterziehen. Sie haben ja alles, was ihr Herz begehrt. Die SBB kann also ihr Travel-Center bald auch dichtmachen – dann könnte der Manor gleich noch einziehen. Oder der Casagrande. So können die Touristen endlich per Zug statt per Car anreisen und müssen trotzdem nur wenige Meter Fussweg in Kauf nehmen.

Der Gotthard hat Schuld

Wirklich unglaublich bei diesem Fest der Sinne: «Der Eintritt ist frei», heisst es bei der SBB. Also nichts wie hin, wenn Sie nicht schon was Besseres vorhaben.

Falls das wirklich der Fall sein sollte – seien Sie vom Fest nicht zu enttäuscht. Man scheint schon alle Kapazitäten für die Gottharderöffnung aufgebraucht zu haben. Und für die Luzerner reicht es ja, wenn endlich mal die Geschäfte offen sind.

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