Luzern: Rettungshunde-Verein probt den Ernstfall

Leben retten mit dem besten Freund des Menschen muss gelernt sein

Vor dem Suchlauf erfolgt die Lagebesprechung mit den Prüfungsexperten.

(Bild: Tijana Nikolic)

Beim Schulhaus Staffeln in Reussbühl wurde am Samstag geschnüffelt, gebellt und gescharrt. Der Verein für Such- und Rettungshunde hatte zum Eignungstest eingeladen. Geprüft wurden dabei nicht nur die Hunde, sondern auch deren Herrchen.

Am Samstagmorgen gab es auf der Baustelle des Schulhauses Staffeln in Reussbühl folgendes Szenario zu bestaunen: Es gibt in der Nacht auf heute Samstag um vier Uhr morgens ein Erdbeben der Stärke 7,5. Danach folgen weitere schwere Stösse. Schäden bis in 15 Kilometern Entfernung werden festgestellt.

16 Hundeführer aus der Innerschweiz sind aus diesem Anlass mit ihren Suchhunden ausgerückt, um Verletzte zu bergen. Beim Eintreffen auf der Schulanlage holen sich die Hundeführer bei einer Lagebesprechung die wichtigsten Infos bezüglich der genauen Geschehnisse und der Sicherheitslage und nehmen mit ihrem treuen Begleiter sogleich die Spuren auf.

Es ist Vertrauen gefragt

Das Team muss sich vollständig vertrauen. Der Hund verlässt sich auf seinen Geruchssinn und nimmt die menschliche Witterung auf. Sobald er auf etwas gestossen ist, fängt er an zu bellen oder zu scharren. Für den Menschen ist dies das deutliche Zeichen eines Fundes.

«Der Hund sollte auf keinen Fall an seinem Führer kleben.»

Barbara Bühler, Präsidentin Redog-Regionalgruppe Innerschweiz

Aber ein Szenario bleibt glücklicherweise ein Szenario. Die Rückbauarbeiten des Schulhauses Staffeln sind weiterhin in vollem Gange und entsprechend bot das Gelände eine gute Gelegenheit für den «Schweizerischen Verein für Such- und Rettungshunde» (Redog), einen Eignungstest über das Verhalten von Suchteams bei einem Erdbeben durchzuführen. «Solche Baustellen sind sehr praktisch für unsere Arbeit. Zur Not geht das aber auch in Werkhöfen», sagt Barbara Bühler. Sie ist die Präsidentin der Redog-Regionalgruppe Innerschweiz.

Der Ernstfall will geprobt sein

Redog bildet Suchhunde-Teams aus, die bei einem Erdbeben oder Erdrutsch verschüttete Personen aufspüren. Bevor sie in einem Ernstfall eingesetzt werden, müssen sie neben verschiedenen Prüfungen mit Gegenständen und Parcours auf unterschiedlichen Leistungsstufen auch mehrere Eignungstests absolvieren.

Beim Test auf dem Staffeln-Baugelände wurden drei Suchopfer unter Trümmern und im dunklen Inneren des Gebäudes versteckt, welche die Hunde durch die menschliche Witterung innert 20 Minuten aufspüren mussten. «Vier Begutachter beobachten beispielsweise, ob der Hundeführer den Hund lesen kann und dadurch die Übersicht behält», erklärt Bühler.

Von einem Opfer gleich zum nächsten

Das Zusammenspiel zwischen Mensch und Tier wird genau beobachtet. Sie müssen einander blind vertrauen und aufeinander eingehen. «Der Hund sollte aber auf keinen Fall an seinem Führer kleben. Das würde die Suche beeinträchtigen», betont Bühler.

Geprüft wird auch, wie intensiv der Hund einen Fund anzeigt, oder ob er einfach weiterläuft. «Erst wenn der Suchhund eine Stelle deutlich signalisiert, kann der Besitzer hingehen und das Opfer ansprechen», so Bühler. Hunde unterscheiden die Gerüche von unterschiedlichen Personen und gehen gleich weiter zur nächsten, wenn sie eine Person gefunden haben.

Die Prüfungsexperten beobachten das Geschehen ganz genau.

Die Prüfungsexperten beobachten das Geschehen ganz genau.

(Bild: Tijana Nikolic)

Laut Bühler sei es nicht so schlimm, wenn eines der drei Opfer beim Test nicht geborgen werde, sofern alles drum herum stimme. «Das Team kann trotzdem bestehen.» Mittels eines ausgeklügelten Systems werde am Schluss eine Note vergeben: «Die Höchstnote ist 5,45. Um den Test zu bestehen, muss das Team mindestens eine 4,29 schaffen», so Bühler.

Suchopfer erhalten Matten und Schlafsäcke

Die gespielten Suchopfer hätten an ihren Plätzen genug Raum und seien mit Matten und Schlafsäcken versorgt. «Als ich einmal die Opferrolle spielte, hatte ich genug Zeit zum Lesen oder Schlafen», scherzt die gelernte Lehrerin. Früher hat sie mit Lawinenhunden trainiert. «Ich war schon immer fasziniert von der Arbeit mit den Tieren.»

«Die Hunde müssen problemlos in einem Zelt schlafen können.»

Barbara Bühler

Die Anforderungen an Suchhunde sind gross: Einerseits sollten sie sozialverträglich sein, aber auch ihren natürlichen Beutetrieb nicht verlieren. «Bei Auslandseinsätzen müssen sie in der Lage sein, im Flugzeug oder im Helikopter ruhig zu bleiben. Bei Ankunft am Suchort sollten sie aber sofort vollen Einsatz leisten können», sagt Bühler. Die Vierbeiner müssten auch arbeiten wollen, was man ihnen am besten in den ersten 16 Lebenswochen mittels verschiedener Übungen beibringe.

Hunde müssen kälte- und hitzeresistent sein

Die zwölf Regionalgruppen von Redog leisten regelmässig Einsätze in Erdbeben- und Erdrutschgebieten im Ausland. «Deswegen ist es auch sehr wichtig, dass die Hunde kälte- und hitzeresistent sind, sowie problemlos in einem Zelt schlafen können», führt Bühler aus.

«Meinen ersten und zugleich brutalsten Auslandseinsatz hatte ich nur zwei Wochen nach meinem ersten Einsatztest bei Redog nach einem Erdbeben.»

Bruno Maurer, Suchhunde-Führer

Bruno Maurer aus Reussbühl war mit verschiedenen Suchhunden insgesamt schon neun Mal im Ausland bei Trümmersuchen dabei. In der Osttürkei, in Mexiko, Armenien, Indonesien, Algerien und Japan hat er bei Bergungsarbeiten nach Erdrutschen, Gasexplosionen oder Tsunamis geholfen.

«Wir konnten nur noch Tote bergen»

Der ehemalige Polizist war 28 Jahre lang Diensthundeführer und während 25 Jahren Lawinenhundeführer. «Meinen ersten und zugleich brutalsten Auslandseinsatz hatte ich nur zwei Wochen nach meinem ersten Einsatztest bei Redog in der Osttürkei nach einem Erdbeben. Wir konnten nur noch Tote bergen», erinnert sich Maurer.

Das Zusammenspiel zwischen Hund und Herrchen muss passen:

Als Polizist habe er jedoch gelernt, solche Ereignisse zu verarbeiten. «Mit der Zeit kam die Erfahrung bei Sucharbeiten. Meistens kommt aber doch alles anders als erwartet.» Heute nehme er es einfach gelassener, sagt Maurer.

Trotz seiner langjährigen Erfahrung muss auch er jedes Jahr einen Einsatztest absolvieren. So auch am Samstag mit seinem Retriever Thorin in Reussbühl. «Es ging alles gut. Thorin hat alles prima gemacht. Nur ich hatte die falsche Lampe auf dem Helm, als wir in den Innenräumen suchen mussten», gesteht er. Thorin sei für ihn wie ein Kind. Es mache ihm Spass, mit dem Tier etwas Sinnvolles zu machen und dabei Menschenleben retten zu können.

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