Konkrete Auswirkungen des Klimawandels

Langzeitprognose: So wird in 40 Jahren das Wetter in Steinhausen

Waldstock-Festival, Mutter aller Sommer-Events in Steinhausen. Auch hier werden die Sommer heisser und trockener. (Bild: wia)

Für Zuger Kinder gibt es nichts Grösseres, als auf dem Zugerberg schlitteln zu gehen. Künftig wird es dazu jedoch sehr viel weniger Gelegenheit geben, ist der Meteorologe Andreas Fischer überzeugt. Er erklärt in Steinhausen, was sich in der Region wegen des Klimawandels sonst noch ändert.

Tropennächte und grosse Hitze mag er nicht. Aber er sagt sie voraus: Andreas Fischer (40) aus Zug. Er leitet beim Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie Meteo Schweiz den Fachbereich Klimaszenarien. Zusammen mit der ETH hat er die zukünftigen Veränderungen um den Zeitraum 2060 neu berechnet. «Mein Job ist es, die Fakten zu liefern», sagt er.

Demnach wird man um den Zeitraum in 41 Jahren in Steinhausen, wo Fischer aufgewachsen ist, mit etwa 25 Hitzetagen pro Jahr rechnen müssen. Im Schnitt also fast einen ganzen Monat lang tägliche Höchstwerte von über 30 Grad Celsius. «Das ist etwa die Situation, wie wir sie heutzutage in Sarajevo auf dem Balkan kennen», sagt Andreas Fischer.

Andreas Fischer, Leiter der Klimaszenarien von Meteo Schweiz und ETH. (Bild: zvg)

Hitzesommer wie 2018 werden normal

Wie darf man sich das vorstellen, wenn man noch nie in Sarajevo war? «Der Hitzesommer 2018 gilt als guter Gradmesser für einen normalen Sommer, wie wir ihn 2060 ohne weltweiten Klimaschutz erwarten», sagt Fischer.

Mit all den Herausforderungen, die man aus dem vergangenen Sommer kennt: Brandgefahr wegen Trockenheit, austrocknende Bäche und ein mögliches Fischsterben, Fragen zur Wasserversorgung der Gemeinden und zu Bewässerungen in der Landwirtschaft und niedrige Pegelstände in den Seen, welche die Schifffahrt erschweren. Ausserdem stellten diese Hitzewellen gerade für ältere Personen ein zunehmendes gesundheitliches Risiko dar.

Grundlagen für Zukunftsplanung

Generell, sagt Fischer, gebe es vier wesentliche Entwicklungen, die in den neuen Klimaszenarien absehbar seien: Längere und intensivere Hitzephasen, trockenere Sommer, mehr Starkregenereignisse und schneeärmere Winter.

Fischer spricht am Montag in Steinhausen über das Klima in 40 Jahren – auf Einladung der Alternativen – die Grünen. Er sei aber nicht politisch engagiert, sagt er. Vielmehr ist es die Aufgabe von Meteo Schweiz, die Grundlagen zur Klimazukunft der Schweiz zu liefern, damit Massnahmen im Bereich der Anpassung und des Klimaschutzes getroffen werden können.

2060: Zwei bis drei Grad wärmer

Fischer analysiert, was der Anstieg der Temperatur um weitere 2 bis 3 Grad bis 2060 bedeutet. So viel wärmer werde es in Steinhausen und Umgebung, wenn die Treibhausemissionen weiter im gleichen Masse ansteigen, wie sie es derzeit tun. «Es braucht eine drastische Umkehr bei der Verbrennung von Öl, Gas und Kohle in den nächsten Jahren, um den Temperaturanstieg zu bremsen», sagt er.

Entwicklungen der Sommertemperaturen: Viel hängt von der Reduktion der Treibhausgasemissionen ab. (Bild: zvg)

Praktische Konsequenzen wegen dem Klimawandel sind aber ohnehin nötig. Es geht dabei um Warnsysteme, zusätzliche Stadtbegrünungen, welche die sommerliche Hitze mildern oder bauliche Massnahmen im Bereich des Hochwasserschutzes. Der Bundesrat verfolge mit seiner Strategie zur Anpassung an den Klimawandel in der Schweiz folgende Ziele, sagt Fischer: «Chancen nutzen, die sich aufgrund des Klimawandels ergeben, Risiken des Klimawandels minimieren und Anpassungsfähigkeit von Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt steigern.»

Sorge ums Schlitteln am Zugerberg

Neben allen Sachfragen beschäftigt Fischer die Zukunft seiner beiden kleinen Kinder. Denn die werden 2060 in der Mitte des Lebens stehen – sich aber mit weitreichenden Veränderungen des Wetters und des Klimas und weiteren Folgen abfinden müssen.

Fischer selbst denkt daran, mit ihnen die kommenden Winter auf den Zugerberg schlitteln zu gehen. Für seine Enkel hingegen wird dies wohl ein seltener Spass, da mit der Erwärmung auch die Schneefallgrenze in höhere Lagen steigt. «Unterhalb von 1000 Metern wird die Schneebedeckung bis Mitte Jahrhundert bei ungebremstem Klimawandel gegenüber heute um etwa die Hälfte schwinden», sagt Fischer.

Zyklische Schwankungen

Doch gab es seit der Jahrtausendwende nicht auch eine Reihe von schneereichen Wintern mit gutem Schlittelwetter am Zugerberg? «Ja, das habe ich auch so beobachtet», sagt er.

Man müsse jedoch berücksichtigen, dass das Klima natürlicherweise schwanke. Von Jahr zu Jahr, regional, aber auch wegen Konstellationen, die zyklisch über mehrere Jahre und Jahrzehnte hinweg auftreten. «Deswegen sind Beobachtungen über längere Zeiträume hinweg so wichtig.» 60 Jahre seien eine genügend lange Periode, um Entwicklungen zuverlässig zu berechnen.

Auch höhere Lagen sind betroffen

Auch höher gelegene Wintersportorte wie Andermatt bleiben von der Klimaerwärmung nicht verschont. Besonders im Frühjahr vermindern sich die Schneefälle. Dies führe dazu, dass sich übers ganze Jahr betrachtet die Anzahl Tage mit Schneefall bis Mitte Jahrhundert von über 85 pro Jahr auf rund 60 Tage reduziert.

Die Saison wird auch für hoch gelegene Wintersportorte kürzer.

Veränderungen im Schneefall ergeben sich durch zwei gegenläufige Effekte: Die erhöhten Temperaturen führen einerseits dazu, dass ein grösserer Anteil der Niederschläge als Regen fällt. Andererseits fallen im Winter gesamthaft mehr Niederschläge. «Aber insgesamt kann die steigende Niederschlagsmenge den Anstieg der Temperatur besonders in den tieferen Lagen keineswegs kompensieren», sagt Fischer. Er ist sich sicher: Die Winterlandschaft der Schweiz zeigt sich in 40 Jahren seltener in Weiss.

Weniger weisse Pracht für Steinhausen

Eine Entwicklung, die laut Fischer schon vor längerem eingesetzt habe. Gegenüber 1970 schneie es in der Höhe von Orten wie Steinhausen – auf 424 Metern über Meer – nur noch halb so oft wie damals.

Nullgradgrenze: Dramatischer Anstieg vorhergesagt. (Bild: zvg)

Seit 1864 hat sich das Klima weltweit um ein Grad erwärmt. In der Schweiz betrug die Veränderung zwei Grad, also das Doppelte. Mit dem Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 sollen Treibhausemissionen drastisch vermindert und die Erwärmung auf zwei Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit begrenzt werden. Fast alle Staaten der Erde sind beigetreten, ein kleiner Rest hat mindestens seine Absicht bekräftigt, es bald zu tun. Indes wollen die USA und Brasilien das Abkommen wieder aufkünden.

Klimaerwärmung nicht natürlich erklärbar

Eine Frage an den Klimaexperten zum Schluss: Gab es in vorindustrieller Zeit nicht die «Kleine Eiszeit», die erst 1850 endete? Welche noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts zu Missernten und einer grossen Hungersnot in Irland führte?

«Stimmt», sagt Fischer. Doch Fakt sei, dass die Erderwärmung insbesondere seit 1960 nicht mit natürlichen Ursachen zu erklären ist: «Sie ist menschengemacht.»

Anpassen müssen wir uns in jedem Fall

Bei Meteo Schweiz berücksichtigt man für die Berechnung der Klimaszenarien 60 Simulationen, die das Wetter über Europa bis 2100 Schritt für Schritt berechnen. Dabei werden Annahmen zum künftigen globalen Treibhausgasausstoss getroffen: In einem Fall wird angenommen, dass die Emissionen weiterhin ungebremst steigen. Im anderen Fall führen weltweite Klimaschutzmassnahmen zu drastischen Verminderungen des Treibhausgasausstosses.

Ziel ist, wie gesagt, Grundlagen für Entscheide in Politik, Verwaltung und Wirtschaft bereitzustellen. Weil aber auch im günstigsten Szenario die Temperatur weiter ansteigen wird, ist für Andreas Fischer klar: «Wir müssen uns in jedem Fall auf die künftige Klimaveränderung einstellen und uns daran anpassen.»

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