Studie stellt Zuger Pflegebereich schlechtes Zeugnis aus

Lästereien über Patienten: Gewerkschafterin macht Stress verantwortlich

Die Arbeit in der Pflege ist teils belastend – der VPOD fordert deshalb Massnahmen. (Bild: Symbolbild Adobe Stock)

Eine junge Psychiatrie-Mitarbeiterin hat über Whatsapp vertrauliche Daten von Patienten weitergeleitet und sich über diese lustig gemacht. Ein «Ventil» sei das gewesen, weil die Arbeit so belastend sei, sagte sie vor Gericht. Aus Sicht der Gewerkschaft VPOD besteht in der Branche Handlungsbedarf.

In der Pflege zu arbeiten ist kräftezehrend. Das Umfeld ist schwierig: Man arbeitet in Schichten, nah am Menschen und steht unter grossem Druck. «Das ist eine schwierige Ausgangslage, um gute Arbeit zu leisten», sagt Viviane Hösli.

Als Zentralschweizer Regionalsekretärin des Verbands des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) kennt sie sich mit den Arbeitsbedingungen in der Zuger Psychiatrie gut aus. Dass Mitarbeitende aber derart zynisch werden, dass sie praktisch aus «Notwehr» per Whatsapp über Patienten herziehen (zentralplus berichtete) hat sie bislang nicht mitbekommen. «Die meisten Mitarbeitenden sind mit viel Herz bei der Arbeit», sagt Hösli.

Es sei aber tatsächlich so, dass die Arbeit sehr belastend sein könne. «Wenn ein Mensch in einer psychiatrischen Klinik ist, dann befindet er sich in einer absoluten Ausnahmesituation. Nichts funktioniert mehr, wie es sollte. Das sind schwierige Situationen.» Deshalb sei die Arbeit sehr personalintensiv.

Zufriedenheit der Mitarbeitenden ist in Zug unterdurchschnittlich

Hösli geht davon aus, dass die Zufriedenheit von Pflegemitarbeitenden in den Zuger Psychiatrien im Vergleich zu anderen Kantonen deutlich niedriger ist. Sie schliesst dies aus einer Befragung, welche die ETH 2018 unter Assistenzärztinnen und -ärzten im Psychiatriebereich durchgeführt hat. Besonders im Bereich Führungskultur ortete die Studie in Zug Handlungsbedarf.

«Der Konflikt zwischen Anspruch und Realität wird immer grösser.»

Viviane Hösli

Die Gewerkschafterin macht unter anderem das Tarifssystem Tarpsy für den steigenden Druck auf das Pflegepersonal verantwortlich. «Mit diesem hat man versucht, die Arbeit mit Menschen zu standardisieren – was nicht funktioniert», so Hösli. Entstanden sei ein hoher Kostendruck. «Und in der Psychiatrie gibt es dafür nur eine Lösung: Es wird beim Personal gespart.»

Es kommt häufiger zu Eskalationen

Die Arbeit werde verdichtet. Die Mitarbeitenden müssten mehr Patienten gleichzeitig betreuen. «Es kommt häufiger vor, dass Situationen eskalieren», weiss Hösli. Was die Arbeit noch stressiger mache, seien die eigenen Ansprüche der Mitarbeitenden. «Diese wollen gute Arbeit machen. Schliesslich haben sie sich einmal bewusst für diesen Beruf entschieden. Doch der Konflikt zwischen Anspruch und Realität wird immer grösser.»

Je höher der Druck, desto grösser werde die gesundheitliche Gefährdung. Manche Mitarbeitenden würden mit Burn-out-Symptomen reagieren, andere mit Suchterkrankungen. Die innere Distanzierung durch Lästereien ist eine weitere Bewältigungsstrategie der ungesunden Art. «Viele Betroffene wechseln letztlich den Job, so dass sich der Fachkräftemangel zusätzlich verstärkt – es ist ein Teufelskreis», so Hösli.

Es braucht mehr Unterstützung für die Mitarbeitenden

Wie könnte man das Problem lösen? «In diesem Punkt sind sich die Gewerkschaften und die Arbeitgeber für einmal einig: Die Leistungen in der psychiatrischen Pflege müssen fair abgegolten werden», fordert Hösli. Wenn mehr Mittel zur Verfügung stehen, könnte auch mehr Personal eingesetzt werden. Dafür kämpfe der VPOD.

Zudem müsse mehr in die psychische und physische Gesundheit der Mitarbeitenden investiert werden. «Es braucht persönliche Beratungen und Supervisionen, in denen die Mitarbeitenden eine gesunde Art finden, mit dem Stress umzugehen», so Hösli. Leider seien es genau solche Angebote, die dem Spardruck erfahrungsgemäss als erstes zum Opfer fallen würden.

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