Zuger Strafgericht befasst sich mit Familienstreit

Klägerin über ihre Schwiegermutter: «Sie ist die böseste Frau der Welt»

Bezirksgericht Willisau, Symbolbild, Gericht (Symbolbild: zvg)

Eine gebürtige Kosovarin soll unter ihren Schwiegereltern und ihrem Ex-Mann gelitten haben. So sei sie mehrfach in der Wohnung eingesperrt worden. Auch zu Gewalt soll es im Familienstreit gekommen sein, mit welchem sich nun das Zuger Strafgericht auseinandersetzen muss.

Eingesperrt in der eigenen Wohnung: Genau dies soll über Monate hinweg einer heute 29-jährigen Frau in Cham widerfahren sein.

Dies ist einer der Gründe, weshalb sich am Dienstag der Ex-Mann der besagten Frau sowie dessen Eltern in Zug vor dem Strafgericht verantworten mussten. Die Klägerin wohnte bis April 2016 zusammen mit ihrem damaligen Mann sowie dessen Bruder und Eltern gemeinsam in einer Wohnung.

«Nie Teil der Familie»

Ein Umstand, der rasch für Probleme sorgte, wie die Klägerin vor Gericht erklärte. «Meine Schwiegereltern akzeptierten mich nie als Teil der Familie, warfen mir vor, nur mit ihrem Sohn zusammenzusein, um in die Schweiz kommen zu können», sagte die gebürtige Kosovarin mithilfe eines Dolmetschers.

«Sie vereint alles Schlechte in sich.»

Opfer über Schwiegermutter

Die Vergangenheit der 29-Jährigen ist dabei alles andere als klar. Ein entfernter Verwandter von ihr, der als Zeuge auftrat, sagte, sie sei nach ihrer Zeit im Kosovo in Schweden bereits einmal verheiratet gewesen. Jedoch habe ihr damaliger Mann eine andere Frau gehabt und die Ehe sei in die Brüche gegangen. Dies habe er jedoch nur gehört.

Unklare Vergangenheit

Zwischenzeitlich war die Rede davon, die Klägerin sei davor sogar zweimal verheiratet gewesen. Sie selbst widersprach dem, bestätigte jedoch eine frühere Ehe. Sie seien nach der Heirat im Kosovo jedoch nicht nach Schweden, sondern nach Slowenien gezogen.

Der anwesende Verwandte der Frau leitete nach eigenen Aussagen die Beziehung zwischen ihr und ihrem Ex-Mann, einem guten Kollegen des Verwandten, ein. Er tauschte nämlich die Handynummern der beiden aus und dachte sich, sie könnten zusammenpassen.

Nachdem sich die beiden 2013 kennengelernt hatten, heirateten sie im Juli 2014 in Cham. Die Klägerin zog in die erwähnte Wohnung in Cham ein. So weit waren sich die Parteien auch noch einig. Doch danach war es um die Harmonie geschehen.

«Mehrere Stunden eingesperrt»

Denn anschliessend erhob die Kosovarin schwere Vorwürfe gegen ihre Schwiegereltern. «Immer, wenn sie rausgingen, um einzukaufen oder zu spazieren, sperrten sie mich in die Wohnung ein.» Vor allem die Schwiegermutter beschuldigte sie dabei.

«Alle haben auf sie gehört.»

Opfer über Schwiegermutter

Ihr damaliger Mann, der zu dieser Zeit als Verkäufer im Schichtbetrieb oft gearbeitet habe, habe nichts dagegen unternommen. Aus diesem Grund sind die Schwiegereltern unter anderem wegen mehrfacher Freiheitsberaubung angeklagt. Bei der Schwiegermutter verlangt die Zuger Staatsanwaltschaft eine bedingte Freiheitsstrafe von zwei Jahren.

Beim Schwiegervater kommt zudem eine Widerhandlung gegen das Waffengesetz aufgrund des Besitzes von zwei Klappmessern dazu. Für ihn wird eine Freiheitsstrafe von 12 Monaten gefordert plus eine Busse von 400 Franken. Zudem macht die Klägerin bei ihren Schwiegereltern eine Zivilforderung von jeweils 10’000 Franken geltend.

Das Kommando hatte die Schwiegermutter

Mit der Schwiegermutter ging sie besonders hart ins Gericht. Mit ruhiger Stimme sagte sie: «Für mich ist sie die böseste Frau der Welt. Sie vereint alles Schlechte in sich.»

Die Schwiegermutter – wie der Rest der Familie ebenfalls aus dem Kosovo stammend – habe dem Opfer von Anfang an klargemacht, dass sie in dieser Wohnung das Kommando habe. Sie sei jeweils einfach in das Schlafzimmer oder auch ins Bad gekommen – Privatsphäre Fehlanzeige. «Alle haben auf sie gehört.»

Todesdrohungen des Ehemanns?

Weil der heute 41-jährige Ex-Mann der Klägerin nichts gegen das Einsperren unternahm, wird ihm Mittäterschaft bei mehrfacher Freiheitsberaubung vorgeworfen. Dazu Tätlichkeiten, Widerhandlung gegen das Waffengesetz und mehrfache Drohung. Mehrmals habe er das Opfer mit dem Tod bedroht, auch mit einem Messer in der Hand.

«Ich habe sie als Tochter gesehen.»

Angeklagter Schwiegervater

Für ihn fordert die Staatsanwaltschaft eine bedingte Freiheitsstrafe von zwei Jahren plus eine Busse von 800 Franken. Hinzu kommt die Zivilforderung der Klägerin in der Höhe von 15’000 Franken.

Dass den Schwiegereltern zusätzlich Nötigung (Schwiegermutter) respektive Mittäterschaft bei Nötigung (Schwiegervater) vorgeworfen wird, hat mit den Ereignissen am Abend des 6. April 2016 zu tun.

Um Hilfe geschrien

Das Opfer erzählte die Ereignisse von damals aus ihrer Sicht: «Ich hatte Streit mit meiner Schwiegermutter. Dann kam mein Mann nach Hause.» Der habe seiner Mutter die Stange gehalten und das Opfer gegen den Schrank geschubst. Sie sei daraufhin zur Tür raus ins Treppenhaus geflüchtet und habe dort um Hilfe geschrien.

Die Einzigen, die herbeieilten, waren jedoch ihr Mann und dessen Eltern. Diese hätten sie gepackt und zurück in die Wohnung geschleift. Die Schwiegermutter habe zudem auf sie eingeschlagen, während die anderen beiden sie festgehalten hätten. «Ich habe geblutet und Hämatome davongetragen», sagte sie.

Finanziell auf eigenen Beinen

Anschliessend sei sie mit ihrem Mann zum erwähnten Zeugen gefahren und zur Polizei gegangen. Sie habe danach eine Zeit lang bei ihrem Verwandten und dessen Frau gelebt, bis sie eine eigene Wohnung gefunden hatte.

Längst stehe sie finanziell auf eigenen Beinen, arbeite als Servicekraft in einem Zuger Restaurant. Kontakt zu ihrem Ex und dessen Familie habe sie keinen mehr.

Die zierliche Frau sass mit strengem Blick da, die Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Nur einmal wurde sie etwas emotional, als sie durch die Verteidiger der Angeklagten verbal in die Enge getrieben wurde.

War sie überhaupt eingesperrt?

Es ging um die Frage, ob sie denn tatsächlich jeweils in der Wohnung eingesperrt gewesen sei. Dass ein Schlüssel teilweise an der Tür gesteckt habe, konnte sie nicht verneinen. Sie habe gar nicht ausprobiert, ob die Tür überhaupt abgeschlossen sei. Vielmehr habe sie die Angst vor der Schwiegermutter gelähmt.

Die 60-jährige Hausfrau gab sich am ersten Verhandlungstag eher wortkarg. Sie bestritt jegliche Aussagen des Opfers. Diese sei gar nie allein in der Wohnung gewesen. Auch die erwähnte Gewalt am 6. April 2016 stritt sie vehement ab. Nur diskutiert habe man und sie überzeugt, wieder in die Wohnung zurückzukommen. Die Schwiegereltern waren vor Gericht auf einen Dolmetscher angewiesen.

Vorher nie Probleme

Der Schwiegervater war redseliger, auch wenn er auf der Linie seiner Frau argumentierte. Der hagere Mann mit weissem Bart und unscheinbarer Brille lebt seit 1986 in der Schweiz und ist Diabetiker. Er habe verschiedene Jobs gehabt, unter anderem im Gartenbau. Aktuell ist er Hilfsarbeiter. Bis seine Schwiegertochter einzog, habe er nie mit jemandem Probleme gehabt.

«Ich war schockiert, als ich die blauen Flecken gesehen habe. Ich habe sie nie angefasst.»

Angeklagter Ex-Mann

«Ich habe sie als Tochter gesehen. Gewalt hat es nie gegeben», sagte der 62-Jährige. «Aber sie wollte sich nie in die Familie integrieren, zog sich ins Schlafzimmer zurück.» Auch er stritt alle Vorwürfe ab.

Er wollte eine Familie gründen

Gleich hielt es der angeklagte Ex-Mann. Er gab sich ahnungslos, weshalb seine Ex-Frau überhaupt zur Polizei ging. «Ich war schockiert, als ich die blauen Flecken gesehen habe. Ich habe sie nie angefasst», gab der 41-Jährige zu Protokoll.

Ganz im Gegenteil, gab er sich als Wohltäter. «Ich habe ihr alles bezahlt: Busbillett für den Arbeitsweg, Fahrstunden, Deutschkurs.» Weshalb sie ihn denn überhaupt verlassen habe, wollte die Richterin wissen. «Keine Ahnung, ich wollte mit ihr eine Familie gründen – sie hatte wohl andere Pläne.»

Gemeinsame Wohnung scheiterte

Ein Plan des Opfers war es, eine eigene Wohnung für sich und ihren Mann zu finden. Sie glaubt sogar: «Wir wären wohl noch zusammen, wenn wir eine eigene Wohnung gehabt hätten.»

Ihr anwesender Verwandter habe sogar eine rausgesucht. Ihr Mann hätte nur noch unterschreiben müssen – doch er tat es nicht. Sie sei ihm zu teuer gewesen, erklärte er die Absage. Da sei für das Opfer klar gewesen, dass sie als Paar keine Zukunft hätten.

Nicht zusammen in einem Raum

Kurze Zeit nach der Absage kam es zum verhängnisvollen Abend. Seither sind die beiden Parteien unvereinbar. Nicht einmal gemeinsam im Gerichtssaal sassen sie. Bei der Einvernahme des Opfers mussten die Angeklagten in einem Nebenraum Platz nehmen. Ihre Aussagen wurden dann via Video übertragen.

Man darf gespannt sein, wie es am zweiten Verhandlungstag am 21. November weitergehen wird. Dann stehen die Parteivorträge der Staatsanwaltschaft, der Privatklägerin sowie der Anwälte an.

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