KKL-Schreck: Schriller Pfeifton im Kampf gegen Jugendliche
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Mitten am Tag testet das KKL ein Gerät, das mit hohen Pfeiftönen junge Personen vom KKL-Gelände fernhalten soll. Doch ist der «KKL-Schreck» überhaupt rechtens? zentralplus hat nachgeforscht.
Der Europaplatz vor dem KKL ist an Wochenenden ein beliebter Treffpunkt für Jugendliche (zentralplus berichtete). Unter der Woche und tagsüber ist der Platz vergleichsweise ruhig. Eigentlich. Wie SP-Kantonsrat Hasan Candan erzählt, war er kürzlich mit seinem zweijährigen Sohn auf dem Weg zum Inseli. Auf der Höhe der Ecke des KKL-Gebäudes ertönte plötzlich ein sehr hoher, schriller Pfeif-Ton.
KKL testet Gerät als Sicherheitsmassnahme
Wie Candan vermutet, könnte es sich um eine Art «Schallschreckgerät» handeln, das auf Bewegungen reagiert. Also ein Gerät, das normalerweise bei Katzen eingesetzt wird, um sie aus fremden Gärten zu vertreiben. Nur im KKL-Fall anscheinend auch für Menschen.
Dabei handelt es sich nicht um eine Sicherheitsmassnahme der Stadt Luzern. Beim Sicherheitsmanager Christian Wandeler nachgefragt, erklärt er, «dass die Stadt Luzern keine solchen Schallschreckgeräte im Einsatz hat.»
Bleibt also noch das KKL. Auf die entsprechenden Fragen der Autorin antwortet KKL-Mediensprecherin Corinne Schneebeli lediglich, dass solch ein Gerät zum Sicherheitskonzept gehört. Und am Donnerstagnachmittag getestet wurde.
Stadt wusste von nichts
Der Einsatz des KKl-Schrecks wirft Fragen auf. Denn ist es dem KKL erlaubt, Personen vom Vorplatz zu verscheuchen? Eigentümerin des Europaplatzes ist nämlich die Stadt Luzern. Das bedeutet, es handelt sich letztlich um öffentlichen Grund.
Zwar hat die Stadt Luzern dem KKL aus sicherheitstechnischen Gründen bereits Ausnahmen erlaubt. So darf das KKL ausnahmsweise als private Institution Sicherheitskameras installieren, die den öffentlichen Grund filmen.
Mit den entsprechenden Beobachtungen konfrontiert, weiss weder Sicherheitsmanager Christian Wandeler noch Leiter Stadtraum und Veranstaltungen, Mario Lütolf, über den KKL-Schreck Bescheid.
Im Gespräch erläutert Lütolf, dass eine Installation eine Bewilligung brauchen würde, sofern diese öffentlichen Grund beansprucht. Anschliessende Gespräche mit dem KKL hätten jedoch ergeben, dass das KKL nichts auf öffentlichem Grund installiert hätte.
Nur: Ist die Sache damit wirklich gegessen? Der «KKL-Schreck» mag zwar nicht auf privatem Grund installiert sein. Der Lärm beschränkt sich jedoch nicht nur auf den KKL-Grund – womit wieder der öffentliche Grund tangiert wird. Auch Kantonsrat Candan bestätigt, dass er mittig auf dem Quai entlang gelaufen ist, als er den Pfeifton gehört hat.
KKL-Schreck gegen Junge ist keine neue Idee
Dafür findet der SP-Kantonsrat für das Gerät deutliche Worte: «Ich finde, das geht überhaupt nicht. Damit vertreibt man Spaziergänger, die ohne böse Absicht zum Inseli unterwegs sind.» Zudem findet er es auch bedenklich, dass mit solchen Geräten gezielt junge Menschen verscheucht werden sollen.
Solche «Schallschreckgeräte» sind nämlich in der Stadt Luzern kein neues Pflaster. Vor rund zehn Jahren ist ein entsprechendes Gerät auf dem Vorplatz der Universität Luzern installiert worden. Zwischen 22 und 4 Uhr stiess ein «Mosquito» damals Pfeiftöne im Frequenzbereich 16 bis 18 Kilohertz aus.
Damit zielt der Pfeif-Terror gezielt auf Jugendliche, da diese Frequenz nur von jungen Menschen bis etwa 25 Jahre hörbar ist. Einen Umstand, den Candan damals wie heute stark kritisiert: «Man muss bedenken, dass auch Eltern mit Kleinkindern an diesen öffentlichen Orten vorbeilaufen. Die reagieren bei weitem sensibler auf solch hohe Geräusche.»
Ironie des Schicksals? Bereits damals war es Hasan Candan, der die Geräte mit einer Motion auf Kantonsebene verbieten wollte. Dabei bezog er sich auf eine Einschätzung des Bundesrates.
Dieser wollte die Schallschreckgeräte nicht verbieten, räumte aber ein, dass damit Grundrechte tangiert werden. So zum Beispiel das Diskriminierungsverbot, die Versammlungsfreiheit oder der Anspruch von Kindern und Jugendlichen zum besonderen Schutz ihrer Unversehrtheit.
Kanton verwies auf Bewilligungspflicht bei Stadt
In seiner Antwort verwies der Regierungsrat damals auf den erhöhten Sicherheitsbedarf an diesem Standort. Die Eigentümer der Liegenschaft nebenan hätten entsprechend auf eigene Initiative eine Schallschreckanlage plus Bewegungsmelder installiert. Da dies weder auf öffentlichen Grund installiert wurde noch in einer Liegenschaft des Kantons, nahm die Luzerner Regierung die Stadt Luzern in die Pflicht.
Denn: Aufgrund der negativen Auswirkungen solcher Geräte seien sie gemäss Raumplanungsgesetz bewilligungspflichtig durch den Stadtrat. Damit konfrontiert, räumt auch Mario Lütolf ein, dass der KKL-Schreck wegen «Emissionen auf den öffentlichen Grund» eine entsprechende Bewilligung benötigen würde.
Das KKL habe jedoch versichert, dass es sich um einen einmaligen Test handle und «nun keine Absicht einer festen Installation» bestehe.
- Liste öffentlicher Videoüberwachung im Kanton Luzern
- Telefongespräche mit SP-Kantonsrat Hasan Candan
- Telefonat und Mail-Verkehr mit Mario Lütolf, Leiter Stadtraum und Veranstaltungen Luzern
- Mail-Verkehr mit Corinne Schneebeli, Medienstelle KKL Luzern
- Mail-Verkehr mit Christian Wandeler, Sicherheitsmanager Stadt Luzern
- Interpellation + Antwort im Nationalrat «Mosquito. Schallwellen in hohen Frequenzbereichen» (Juni 2007)
- Motion 353 «Über keine verfassungswidrige Schliessung des öffentlichen Raumes» (Mai 2013)
- Stellungnahme des Regierungsrats zu Motion 353 (Mai 2013)
- Grundbuchplan des Kantons Luzern (Stand 4. Februar 2022)
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