Kinder in Bunker und fehlende Plätze: Zug schlägt Alarm
Dem Kanton Zug fehlen 1000 Plätze im Asylwesen. Zumindest zeitweise kommen 40 Asylsuchende in der Zivilschutzanlage Schluecht bei Cham unter. Darunter auch Kinder.
Der Kanton Zug braucht 1000 Unterkunftsplätze für Asylsuchende – am liebsten sofort. Die Situation habe sich zugespitzt, schreibt die Direktion des Inneren in einer Medienmitteilung am Donnerstag. In Zusammenarbeit mit den Gemeinden und weiteren Stellen bereitet Zug die Notfallplanung vor.
Gemäss dem Kanton haben alle Gemeinden ihre Bereitschaft signalisiert, einen Beitrag zu leisten. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht insbesondere die Zivilschutzanlage Schluecht in Cham, in welcher seit einem Monat asylsuchende Familien temporär unter Tage einquartiert sind.
Viele Minderjährige in der Anlage Schluecht
Jacqueline Furrer, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Direktion des Inneren, gibt sich auf Anfrage zufrieden, wie der Betrieb der Unterkunft in Cham bislang läuft. Die Unterbringung funktioniere gut, sagt sie. Überdies habe es bisher kein einziges Problem gegeben, was zur positiven Bilanz beitrage.
Die Schutzanlage ist noch nicht voll belegt. Gemäss Furrer lebten dort momentan 18 Menschen, die auf einen Entscheid über ihr Asylgesuch warten. Platz hätte die Unterkunft für bis zu 40 Personen. Unter den Bewohnerinnen sind neben sieben Erwachsenen auch elf Minderjährige.
Eine alarmierende Studie
Brisant ist die Unterbringung der Kinder in Hinblick auf eine kürzlich veröffentlichte Studie des eidgenössischen Migrationskomitees. Die Studie des Marie-Meierhofer-Instituts zeigt, dass viele junge Menschen im Schweizer Asylwesen unzureichend betreut und untergebracht sind. Die Konsequenz: Die Entwicklung der Kinder ist gehemmt, sie sind resigniert und leiden unter psychischen Problemen.
Darauf angesprochen, erklärt Furrer, dass die Studie sich auf Kinder und Jugendliche in der Nothilfe beziehe. Das seien Minderjährige, deren Eltern einen negativen Asylentscheid erhalten haben und die Schweiz verlassen müssen. In der Zivilschutzanlage wohnten keine Personen, die sich in dieser Situation befänden.
Im Kanton Zug befinden sich insgesamt sechs Kinder in der Nothilfe. Sie leben mit ihren Familien alle in Wohnungen und besuchen die reguläre Schule. Der Kanton unterstütze sie beispielsweise dadurch, dass er ihnen die Teilnahme an Klassenlagern ermögliche, sagt Furrer.
Aktivitäten, um Kinder im Bunker zu beschäftigen
Trotzdem bemühe sich der Kanton auch um das Wohlergehen der Kinder, die derzeit im Bunker untergebracht sind, so Furrer. Zusammen mit den Bewohnern organisiert die Unterkunft Schluecht diverse Aktivitäten, um psychischen Problemen sowie der Resignation der Asylbewerber vorzubeugen, erzählt Furrer weiter. Ein grosser Teil dieses Programms sei für die dortigen Kinder und Jugendlichen konzipiert und auf deren geistiges Wohl ausgerichtet.
Die Schutzanlage in Cham bietet drei Schlafräume, in welchen dreistöckige Kajütenbetten stehen. Die Männer schlafen getrennt von Frauen und Kindern. In der Anlage gibt es zwei Duschräume, drei Toiletten und eine Küche. Die Unterkunft liegt abseits des Dorfes im Grünen, wie der Website des Kantons zu entnehmen ist.
Eigentlich will der Kanton die Asylsuchenden in die Durchgangsstation im ehemaligen Kantonsspital Zug verlegen. Wann das der Fall sein wird, ist aber noch nicht klar (zentralplus berichtete).
Die Politik ist hin- und hergerissen
Im Vorfeld der Umfunktionierung der Anlage machte sich in der Politik Unmut darüber breit, dass Asylsuchende unter der Erdoberfläche einquartiert werden. Die Zuger Grünen reichten Anfang September eine Petition ein, mit welcher sie für «menschenwürdige Wohnverhältnisse für Geflüchtete» plädierten (zentralplus berichtete).
Der Kanton spricht in seiner neuesten Medienmitteilung vom Freitag denn auch explizit von «oberirdischen Unterbringungsplätzen», die er suche.
Generell hat Zug die Unterkunft in Cham so eigentlich nicht geplant. Vielmehr hätte der Kanton für die dort platzierten Flüchtlinge das ehemalige Pflegeheim «Maria vom Berg» in Menzingen vorgesehen. Während der Vorbereitungen fanden Arbeiter dort jedoch Asbest im Haus, weshalb nun Cham als Zwischenlösung dienen muss (zentralplus berichtete).
Verkündetes Ziel ist Monsteraufgabe
Während die ALG mit ihrer Petition gegen die Unterbringung in Cham agiert, hat die SVP letzte Woche eine Petition mit 800 Unterschriften gegen das Heim in Menzingen beim dortigen Gemeinderat eingereicht (zentralplus berichtete).
Diese Woche kam weiter heraus, dass die Unterkunft in Menzingen so oder so noch länger nicht für Flüchtlinge bereit sein wird. Der Kanton hat weiteren Asbest in der Decke gefunden (zentralplus berichtete). Gemäss Jacqueline Furrer rechnet der Kanton damit, dass das ehemalige Kloster voraussichtlich ab November oder Dezember Flüchtlingen Obdach bieten kann.
Ein Notfallplan für alle Fälle
Die Geschichte der Anlagen in Cham und Menzingen verdeutlicht: Die 1000 zusätzlichen Unterkunftsplätze, die der Kanton braucht, stellen ihn vor eine enorme Herausforderung.
Mit dem angekündigten Notfallplan will sich die Regierung vorbereiten, falls alle Kapazitäten zur Unterbringung von Asylsuchenden ausgeschöpft sind. Ein erster Austausch dazu habe bereits stattgefunden, sagt Furrer. Über die Ergebnisse könne nach der Verabschiedung des Konzepts weiter informiert werden. Dies sei voraussichtlich Anfang nächsten Jahres der Fall, so Furrer. Bis dahin will der Kanton auch informieren, was sein weitere Vorgehen hinsichtlich der benötigten Plätze ist.
Nathan Affentranger ist seit März 2024 Praktikant bei zentralplus. Er hat einen Entlebucher Dialekt, eine Antipathie für Beamtensprache und ein Masterdiplom in Philosophie. Am liebsten schreibt er über die kleinen Absurditäten des Alltags.