Kann ich Omas illegale Pistole straffrei abgeben?
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Was tun, wenn man zu Hause illegale Waffen oder auch Munition herumliegen hat? Wird man bestraft, wenn man diese zurückgeben will? Nein, sagt die Zuger Polizei. Jedenfalls in den meisten Fällen. Wer jedoch Munition von der Armee klaut, der muss gar mit Gefängnis rechnen.
Du suchst im Estrich nach der Weihnachtsbeleuchtung, durchwühlst Kiste um Kiste, manövrierst durch Fasnachtsklamotten und modrige Wollpullis und stösst schliesslich statt auf die Leuchtkette auf eine kleine Schachtel, die du nur zu gut kennst, deren Existenz du jedoch gerne verdrängst.
In der Kiste drin: eine kleine Pistole inklusive Patronen. Handlich, wie fürs Nachttischchen gemacht. Das Teil liegt schon seit Jahren hier: Seit der Grossvater verstorben und das Stück dadurch in deinen Besitz gelangt ist. Registriert ist die Waffe nicht, so viel ist dir klar. Das schlechte Gewissen nagt an dir.
Am liebsten hättest du als Pazifist überhaupt nichts zu tun mit all den Sachen. Doch was nun? Die Angst davor, bestraft zu werden, weil man nichtregistrierte Waffen loswerden möchte, ist real.
185 Waffen wurden in Zug 2023 abgegeben
Frank Kleiner, der Mediensprecher der Zuger Strafverfolgungsbehörden, äussert sich auf Anfrage kurz und klar: «Waffen wie auch Munition können ohne Voranmeldung direkt beim Polizeihauptgebäude in Zug abgegeben werden. Dieser Service wird von der Bevölkerung geschätzt und oft genutzt.» Rechtliche Konsequenzen würden Privatpersonen in solchen Fällen nicht drohen. «Ausser, mit der Waffe wurde ein Delikt begangen.»
Insgesamt waren es im vergangenen Jahr 185 Waffen, die freiwillig bei der Zuger Polizei abgegeben wurden. 88 Waffen stellte die Polizei ausserdem sicher. Wie viele nichtregistrierte Waffen bei der Zuger Polizei abgegeben werden, werde hingegen nicht statistisch aufgewiesen.
Interessanter Nebenschauplatz: Die Zahl der Waffengesuche nahm im Kanton Zug im vergangenen Jahr stark zu. Während es im Jahr 2022 insgesamt 764 Waffengesuche gab, waren es 2023 ganze 975 Gesuche (zentralplus berichtete).
«Es ist zwar nicht an der Tagesordnung, dass jemand Waffen und/oder Munition abgibt. Doch wird der Service regelmässig genutzt», so Kleiner. In der Vergangenheit startete die Zuger Polizei gar mehrmals Sammelaktionen für die freiwillige Waffenabgabe. Doch auch ausserhalb dieser Abgabefenster könne die Bevölkerung den Service immer nützen, betont der Polizeisprecher.
Munition straffrei abgeben? Ja, aber …
Das schlechte Gewissen, das dich vorhin befallen hat, bleibt jedoch bestehen. Denn die vermeintlich herzige Pistole ist nicht das einzige illegale Objekt, das in deinem Haus versteckt liegt.
Vor rund 15 Jahren hat dein Bruder als Jungspund in der Rekrutenschule eine Schachtel Munition fürs Sturmgewehr 90 mitlaufen gelassen. «Jugendlicher Leichtsinn» nennt man das in der Dorfbeiz auf dem Land. «Offizialdelikt» nennt man das vor Gericht.
Gilt die straffreie Abgabe auch für ebensolche? Dazu sagt Frank Kleiner: «Grundsätzlich kann man Munition unbescholten bei jedem Polizeiposten abgeben. Möchte jemand eine Schachtel Munition abgeben, kann er das tun.» Es folgt ein grosses Aber. Denn: «Es gibt durchaus Munition, bei der das nicht geht. Etwa, wenn jemand Handgranaten oder Sprengstoff abgeben möchte. In solchen Fällen ist es unbedingt empfohlen, diese Sachen durch unsere Spezialisten abholen zu lassen.»
Auch bei nicht registrierten, verbotenen Kriegswaffen dürfte der Fall etwas komplizierter werden. Kleiner dazu: «Es kam in den letzten zehn Jahren jedoch nicht ein einziges Mal vor, dass jemand eine verbotene Militärwaffe bei der Zuger Polizei abgeben wollte.»
Wer im Militär Munition klaut, muss mit drei Jahren Haft rechnen
Bei der Schweizer Armee sieht man das mit der Abgabe von entwendeten Militärmunition etwas weniger entspannt. Denn bereits das «Beiseiteschaffen» von ein paar Sturmgewehrpatronen ist ein Offizialdelikt und wird u. a. gemäss Artikel 73 des Militärstrafgesetzes mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe geahndet. Das gilt übrigens auch, wenn man ein Militärpferd stiehlt. Larissa Goldschmid, Mediensprecherin der Militärjustiz, erklärt: «Die Verjährungsfrist bei diesen Delikten liegt bei zehn Jahren.»
Der Bruder, der vor 15 Jahren eine Schachtel Munition von der Armee gestohlen hat, kommt also, wenn er sonst ein braver Bürger und Soldat war, unbescholten aus der Sache raus. Dasselbe würde übrigens gelten, wenn er statt der Munition ein Sturmgewehr unrechtmässig entwendet hätte. Das Gesetz macht da keinen Unterschied.
95 Militärwaffen wurden 2023 schweizweit gestohlen
Wie viel Militärmunition der Schweizer Armee jährlich abhandenkommt, weiss die Schweizer Armee nicht. «Eine Statistik zu den Munitionsverlusten wird nicht explizit geführt», äussert sich Armeesprecher Mathias Volken auf Anfrage. Aber: «Waffen- und Munitionsverluste haben immer Abklärungen zur Folge. Die Militärpolizei führt hier in Zusammenarbeit mit der Militärjustiz die Ermittlungen. Die Militärpolizei ist in diesem Zusammenhang auch im ständigen Austausch mit den entsprechenden Fachbereichen auf Stufe Bund und Kanton.»
Es ist nicht nur Munition, die gestohlen wird. Gemäss Bund wurden im Jahr 2023 insgesamt 101 Waffen der Schweizer Armee als vermisst gemeldet. 95 davon wurden von Armeeangehörigen als gestohlen gemeldet. Die Anzahl liege im Bereich der Schwankungen der Vorjahre. Volken weiter: «Die gemeldeten Waffendiebstähle ereigneten sich ausnahmslos in Privathaushalten, zum Beispiel auf dem Estrich oder im Keller, – wobei die Vorfälle grundsätzlich den kantonalen Polizeikorps angezeigt werden.»
Soldaten werden sensibilisiert
Volken betont: «Die Schweizer Armee setzt alles daran, Waffenverluste zu verhindern, denn jede vermisste Waffe ist eine zu viel. Dies gilt auch für Munition.» Die Angehörigen der Armee würden daher entsprechend ausgebildet und sensibilisiert. Zudem würden sie mit einem Vermerk im Dienstbüchlein auf den korrekten Umgang mit Waffen aufmerksam gemacht.
Das gelte insbesondere für die Aufbewahrung von Waffen zu Hause: Die Waffe muss in einem verschlossenen Raum oder Behälter aufbewahrt werden, getrennt vom Verschluss. «Diese Massnahme trägt dazu bei, dass die Waffe bei einem allfälligen Verlust nicht funktionsfähig ist.»
- Telefonischer und schriftlicher Austausch mit Mathias Volken, Mediensprecher der Schweizer Armee
- Telefonischer und schriftlicher Austausch mit Frank Kleiner, Mediensprecher der Zuger Polizei
- Telefonischer Austausch mit Larissa Goldschmid, Mediensprecherin der Militärjustiz
- Mitteilung der Schweizer Armee zu Waffenverlusten
- Militärstrafgesetz