Saubannerzug durch Luzern: Ermittlungen eingestellt

Jungfreisinniger: «Der Rechtsstaat hat vor ein paar Vermummten kapituliert!»

Saubannerzug durch Luzern: Die demonstrierenden Personen am 9. Dezember 2016.

(Bild: Leserbild)

Beteiligte einer unbewilligten Demonstration haben in Luzern im Dezember 2016 grossen Sachschaden angerichtet. Eine Gruppe von Jungfreisinnigen wurde mit einem Pfefferspray angegriffen. Die Täter kommen ungestraft davon. Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren eingestellt.

In einer Dezembernacht 2016 wurden in Luzern zahlreiche Fassaden verwüstet. Selbst vor der Fassade der Pauluskirche machten die Teilnehmer einer unbewilligten Demonstration nicht halt. Sie hinterliessen zahlreiche Sprüche, die sich gegen den Staat und insbesondere gegen die Polizei richteten.

Die Luzerner Polizei teilte später mit, eine unbewilligte Kundgebung «aus linksextremen Kreisen» sei durch Strassen der Neustadt gezogen. Einige Demonstranten seien vermummt gewesen oder hätten Masken getragen (zentralplus berichtete).

In Mitleidenschaft gezogen wurde dabei auch eine Gruppe von Jungfreisinnigen, die dem «Saubannerzug» zufällig in die Quere kam. «Einer von uns filmte die Kundgebung, woraufhin wir mit Pfefferspray angegriffen wurden», erzählt Nicolas A. Rimoldi von den Jungfreisinnigen Luzern. Man habe pures Glück gehabt, dass es nicht zu schwereren Verletzungen mit Spätfolgen gekommen sei. Denn die Demonstranten hätten auch noch mit Bierflaschen und Pyros nach ihnen geworfen.

Täter wurden nicht gestoppt – und auch später nicht gefasst

Dem damaligen Sprecher der Jungfreisinnigen wurde vorgeworfen, er wolle aus dem Vorfall politisches Kapital schlagen (zentralplus berichtete). Rimoldi bestreitet dies. Er und sein Kollege stellten eine Strafanzeige gegen Unbekannt wegen einfacher Körperverletzung und Tätlichkeiten. Doch genützt hat dies wenig.

Die Luzerner Staatsanwaltschaft hat das Verfahren am 9. Dezember eingestellt. Dies nachdem die Ermittlungen bereits im September 2017 sisitiert worden waren, weil sich die Untersuchungsbehörden schon da kaum noch Chancen ausgerechnet hatten, den Fall zu klären.

«Ich hätte erwartet, dass man mit allen Kräften des Rechtsstaats die Extremisten ausfindig macht und mit aller Härte bestraft.»

Nicolas A. Rimoldi

Den Jungfreisinnigen ärgert das masslos. «Der Rechtsstaat hat vor ein paar Vermummten kapituliert!», sagt er. Dies in zweierlei Hinsicht. Zum einen, weil die Polizei damals nicht aktiv gegen die Demonstranten vorgegangen sei (zentralplus berichtete). Man habe der gewalttätigen Ausschreitung tatenlos zugesehen.

Und zum anderen sei es ein Zeichen der Schwäche, dass es nicht gelungen sei, die Täter zu fassen. «Es ist bekannt, dass die Luzerner Polizei an der Kapazitätsgrenze ist. Aber Bürger zu beschützen und solche Täter, die sich über das Gesetz stellen, zur Rechenschaft zu ziehen, ist ihre Kernaufgabe», sagt der Freisinnige.

«Ich hätte erwartet, dass man mit allen Kräften des Rechtsstaats die Extremisten ausfindig macht und mit aller Härte bestraft», sagt Rimoldi weiter. Die Polizei habe damals versichert, dass sie umfangreiches Bildmaterial gesammelt habe. «Wenn das so ist, dann verstehe ich nicht, warum dieses nicht für eine öffentliche Fahndung genutzt wurde.»

Die frühe Sistierung des Verfahrens erwecke den Eindruck, dass die Ermittlungsbehörden schon früh aufgegeben hätten, aktiv nach den Tätern zu suchen. «Ich frage mich, ob die Untersuchungsbehörden gleich verfahren wären, wenn es sich um einen Aufmarsch von Rechtsextremen gehandelt hätte.»

Öffentliche Fahndung nur bei schwereren Delikten möglich

Urs Wigger, stellvertretender Sprecher des Staatsanwaltschaft, weist diesen Vorwurf zurück. «Die Strafuntersuchungsbehörden ­– Polizei und Staatsanwaltschaft – halten sich an die geltenden gesetzlichen Bestimmungen und sind politisch neutral», betont er auf Anfrage. Bilder der mutmasslichen Täter zu veröffentlichen und so nach ihnen zu fahnden sei rechtlich nicht möglich gewesen. «Eine Öffentlichkeitsfahndung ist nur dann möglich, wenn die Straftat als ein Verbrechen oder ein schweres Vergehen eingestuft wird. Diese Voraussetzungen sind in diesem Fall nicht erfüllt.»

Die Sistierungsverfügung trat 2017 in Kraft, ohne dass Rimoldi dagegen opponiert hätte. Die nun verschickte Einstellungsverfügung könnte noch bis zum 19. Dezember angefochten werden. Der Jungfreisinnige wird jedoch auch dagegen keine Beschwerde einlegen.

Grund: Die Staatsanwaltschaft wertet die Angriffe auf ihn und seinen Kollegen als Tätlichkeiten – und diese verjähren nach Ablauf von drei Jahren. Sprich: Selbst wenn die Täter wider Erwarten doch noch gefasst würden, könnten sie nicht mehr bestraft werden. «Es ist ein ganz schlechtes Signal, dass die Täter nun ungestraft davonkommen», findet Rimoldi. «Extremismus ist eine Gefahr für die Demokratie – sowohl von links als auch von rechts.»

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8 Kommentare
  • Profilfoto von Jonas Meier
    Jonas Meier, 18.12.2019, 07:52 Uhr

    Es geht mir nicht darum, dass Zentralplus die Demonstration gutheissen muss. Mit der Übernahme des Begriffs «Saubannerzug» von der Jungen FDP schliesst sich Zentralplus implizit aber auch der Einschätzung derselben an. Wie weit geht das? Findet Zentralplus auch, dass Sachbeschädigung mit der menschenverachtenden Vernichtungsideologie der Rechtsextremen gleichzusetzen ist, wie dies diese Aussage von Herrn Rimoldi aus dem Artikel suggeriert: «Ich frage mich, ob die Untersuchungsbehörden gleich verfahren wären, wenn es sich um einen Aufmarsch von Rechtsextremen gehandelt hätte.»

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    • Profilfoto von Christian Hug
      Christian Hug, 18.12.2019, 09:59 Uhr

      Ihre Interpretation ist etwas gar weit hergeholt. Nachfolgend die Begriffsdefinition: «Heute wird in der Schweizer Presse das Wort Saubannerzug häufig zur Charakterisierung vandalistischer Ausschreitungen gebraucht. Aber auch am Zürcher Sechseläuten spricht man in Zunftkreisen von Saubannerzügen; gemeint sind damit informelle (nicht vom Zentralkomitee der Zünfte Zürichs organisierte) Besuche der Jungzünfter bei einer anderen Zunft». Nachzulesen unter https://de.wikipedia.org/wiki/Saubannerzug

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    • Profilfoto von Ramon Dassler-Maldonado
      Ramon Dassler-Maldonado, 18.12.2019, 10:20 Uhr

      Was ist mit den sozialistischen und somit linken Vernichtungsideologien von Pol Pot, Mao oder Stalin? Weniger schlimm? Weniger menschenverachtend? Und somit besser?

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    • Profilfoto von Jonas Meier
      Jonas Meier, 19.12.2019, 06:16 Uhr

      «Was ist mit den sozialistischen und somit linken Vernichtungsideologien von Pol Pot, Mao oder Stalin? Weniger schlimm? Weniger menschenverachtend? Und somit besser?»
      In der Aussage des Jung-FDPlers werden Sachbeschädigungen mit Rechtsextremismus in Relation gebracht. Hätte Herr Rimoldi die Annahme geäussert, dass die Polizei gegen Maoisten oder Polpotianerinnen ausdauernder ermittelt hätte, dann hätte ich natürlich nicht geschrieben, er setze damit Rechtsextremismus und Sachbeschädigungen gleich, sondern Polpotismus bzw. Maoismus oder Stalinismus und Sachbeschädigungen. Um Ihre vier Fragen zu beantworten: Um die geht es hier nicht. Nein. Nein. Nein.
      Natürlich fuchst es mich, dass meine Kritik als weithergeholt betrachtet wird, ich dachte wirklich, sie sei vor allem sachlich und wichtig. Nun habe ich aber meinen Grundsatz, mich nicht an Online-Diskussionen zu beteiligen, schon drei Mal gebrochen (und ich wollte das doch höchstens ein Mal pro Monat tun). Deshalb schliesse ich hier von meiner Seite her und wünsche allgemein frohe Festtage und einen guten Rutsch ins neue Jahr!

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  • Profilfoto von Jonas Meier
    Jonas Meier, 17.12.2019, 15:55 Uhr

    Mir erschliesst sich aus dem Artikel nicht, ob Zentralplus die Demonstration als «Saubannerzug» betrachtet oder die Junge FDP oder ob beide dies tun.

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    • Profilfoto von Lena Berger
      Lena Berger, 17.12.2019, 17:11 Uhr

      Der Vertreter der Jungfreisinnigen bezeichnet die unbewilligte Kundgebung als «Saubannerzug». Uns ist bewusst, dass manche das anders sehen dürften. In einem offenen Brief war damals von einem «Stadtbelebungsspaziergang» die Rede (zentralplus berichtete). Unbestritten ist wohl: Das Wort «Saubannerzug» wird als Synonym für vandalistische Ausschreitungen verwendet. Und die Polizei teilte nach der Kundgebung mit, dass knapp 70 Sachbeschädigungen gezählt und ein Schaden von weit über 15’000 Franken angerichtet wurde.

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  • Profilfoto von Ramon Dassler-Maldonado
    Ramon Dassler-Maldonado, 17.12.2019, 10:37 Uhr

    Wenn das politische Narrativ von der Exekutive aus beginnend die Jurisdiktion und deren Umsetzung zu beeinflussen beginnt, dann wird es brandgefährlich. Das kennt man ja auch in Basel bestens. Der rechtlichen und auch polizeilichen Willkür wird so Tür und Tor geöffnet. Ich wünsche mir auch hierzu einmal eine kritische Auseinandersetzung z.B. mit dem Experten und Journalisten Hans Stutz. Gewalt wird offensichtlich nicht per se, sondern nur dann abgelehnt, wenn sie von der falschen politischen Seite her als Mittel ergriffen wird.

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  • Profilfoto von Philsi
    Philsi, 16.12.2019, 23:16 Uhr

    Ach Rimoldi, da hast du der Geschichte wiedermal einiges dazuinterpretiert und gedichtet. Was man für politischen (miss-) Erfolg nicht alles tut. Aber zum Glück wissen wir beide, dass dies mehr dein Frust wiederspiegelt als irgendwelche Fakten. Irrsinn hat nicht viel mit Freisinn zu tun mein lieber, aber dennoch schön, hast du dich wenigstens irgendwas sinnhaftem verschrieben.

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