Menschenhändlerin verurteilt

In Luzerner Bordellen zum Sex gezwungen

Verschleppt und zur Prostitution gezwungen. Thailändische Frauen in Luzerner Bordellen. (Bild: Fotolia)

Das Luzerner Kriminalgericht verurteilt eine Frau zu einer Gefängnisstrafe von zweieinhalb Jahren. Sie war Teil einer Organisation, die mit Frauen aus Thailand handelte und sie in Luzern zur Prostitution zwang. Der Prozess gegen die 60-Jährige ist erst der Anfang. 

Jahrelang haben kriminelle Organisationen thailändische Frauen in die Schweiz verschleppt – und in Luzern zur Prostitution gezwungen. Nach einer grossen Polizeiaktion wurde der Ring gesprengt. Diesen Donnerstag hat der erste von mindestens vier Prozessen gegen die Menschenhändler vor dem Luzerner Kriminalgericht stattgefunden. Eine 60-jährige thailändische Frau mit Schweizer Pass wurde zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Dies, weil sie als Mittelsperson für die gemieteten Bordelle bürgte. Zudem begleitete sie die Frauen zu den Behörden, um sie dort mit gefälschten Ausweisen anzumelden. Von Sommer 2009 bis im April 2012 begleitete sie so neun Frauen, eine davon war transsexuell.

Es war die Aktion «Mango» – eine gemeinsame Aktion der Staatsanwaltschaft Luzern und der Luzerner Kriminalpolizei – die den Menschenhandel-Ring aufdeckte. Während über einem Jahr – von Oktober 2011 bis Ende 2012 – ermittelten sie in diesem Fall. Ausgelöst wurde die Aktion, weil eines der Opfer aus dem Bordell im luzernerischen Rickenbach fliehen konnte und sich bei der Luzerner Polizei meldete. Parallel zur Aktion «Mango» führte die Berner Staatsanwaltschaft unter dem Namen «Vegas» ebenfalls ein Verfahren gegen die Beteiligten durch. Vier Verfahren gegen die Menschenhändler sind in Luzern noch pendent. Eine weitere Person ist noch zur Verhaftung ausgeschrieben.

Statt im Restaurant im Bordell arbeiten

Ein Blick in die Anklageschrift zeigt, wie die Menschenhändler vorgingen: Aus der Schweiz bestellten die thailändischen Bordellbesitzerinnen die Frauen in Thailand. Eine Organisation vor Ort warb diese an. Was sie in der Schweiz erwartet, wurde ihnen aber verschwiegen. So wurden einige der Frauen im Glauben gelassen, sie würden in der Schweiz im Service arbeiten und gut verdienen. Anderen Frauen, solchen, die sich bereits in Thailand prostituierten, wurde gesagt, dass sie in der Schweiz als Prostituierte alle Freiheiten hätten und legal in der Schweiz leben könnten. Die Frauen, die sich darauf einliessen, stammten meist aus ärmlichen Verhältnissen und brauchten Geld für sich oder ihre Familie.

Heftige Drohungen gegen die Familie

Am Zürcher Flughafen wurden die Frauen von einem Chauffeur abgeholt. Von hier wurden sie in verschiedene Bordelle verteilt. Hier zeigte sich den Frauen das wahre Vorhaben der Organisation. Schon bald wurde ihnen klargemacht, dass es den Job im Service nicht gibt.

Für die Reise und die gesamte Abwicklung lagen die Frauen in der Schuld der Organisation. In den meisten Fällen lag diese Schuld bei 60’000 Franken. Diesen Betrag hatten die Frauen durch Prostitution abzuarbeiten, was ihnen unter Gewaltandrohung deutlich gemacht wurde. Auch drohten die Menschenhändler damit, dass die Familie in der Heimat Probleme bekäme, würden sie sich weigern. In einem Fall drohten die Peiniger damit, eine Bombe ins Elternhaus zu werfen.

Prostitution auch bei Krankheit

Die Frauen wurden dazu verpflichtet, im Bordell zu wohnen und zu arbeiten. Nur selten durften sie nach draussen. Etwa dann, wenn Lebensmittel eingekauft werden mussten. Ihnen wurde gesagt, wann sie sich zu prostituieren hatten. Bei vielen der Bordelle handelte es sich um 24-Stunden-Betriebe, andere hatten eine Ruhezeit von 2 respektive 3 Uhr bis 9 Uhr. In den meisten Fällen wurde sieben Tage die Woche gearbeitet. Die Frauen mussten auch arbeiten, wenn sie krank waren oder ihre Tage hatten. Die Organisation schrieb ihnen vor, welche Praktiken sie anzubieten haben. Einen Arzt durften sie nicht aufsuchen, da sie illegal in der Schweiz waren. Regelmässig mussten sie das Bordell wechseln.

Drei Bordelle in Luzern vermittelt

Mittendrin in der Organisation befand sich die Thailänderin S. Laut Anklageschrift hat sie «das Räderwerk der Organisation bestehend aus einer Kette mehrerer Bordelle» am Laufen gehalten, indem sie als Mieterin fungierte. Als Mittelsmann schloss sie für vier Bordelle Miet- beziehungsweise Untermietverträge ab und vermietete diese an die Organisation weiter. Zwei der vier Bordelle waren in Luzern, eines in Reussbühl, sowie eines in Reinach (AG). Weil sie sich auch auf Hochdeutsch unterhalten konnte, war sie das Bindeglied zwischen den Frauen und den Gemeinden oder dem Migrationsamt, wo sie die Opfer mit falschen Pässen anmeldete. Dafür wurden ihr monatlich 2’200 Franken von der Organisation versprochen. Lediglich die ersten vier Monate erhielt sie aber ihren Lohn.

Die 60-jährige Frau hatte bereits während der Untersuchungshaft gestanden. «Die Frau hat mich angefragt, ob ich ihr mit dem Bordell helfe. Ich hatte Mitleid gehabt, sie hatte keine Verwandten», erklärte sie, wie sie zur Organisation kam. Ob sie denn keine Skrupel gehabt habe, wollte der Richter wissen? «Am Anfang habe ich die Details nicht gekannt, erst mit der Zeit. Dann habe ich Mitleid mit den Frauen bekommen. Wenn ich die Gelegenheit gehabt habe, habe ich einigen Frauen geholfen und schickte sie zurück nach Thailand», sagte sie vor Gericht.

In der Haft zu schreiben begonnen

Sie bereue ihre Tat, sagte sie vor Gericht. Über die Situation der Thailänderinnen in der Schweiz will sie nun ein Buch schreiben. Angefangen hat sie bereits. «In der Haft habe ich viel geschrieben. Das Buch ist noch nicht fertig, es kommt noch mehr dazu», sagt sie. Das Buch soll dann auf Thailändisch erscheinen und je nach Erfolg noch in andere Sprachen übersetzt werden.

Die Frau wurde vom Kriminalgericht wegen mehrfachen Menschenhandels und der mehrfachen Förderung der Prostitution sowie der mehrfachen Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt, wovon sechs Monate unbedingt vollziehbar sind. Dies, bei einer Probezeit von drei Jahren. Zudem sprach das Gericht eine bedingte Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 100 Franken bei einer Probezeit von drei Jahren aus. «Der unbedingte Anteil beim Strafmass liegt im untersten Teil des Angemessenen», sagte der Richter. Eine Freiheitsstrafe von bis zu 20 Jahren wäre bei Menschenhandel möglich. Er genehmigte aber das abgekürzte Verfahren und verwies die Zivilforderungen an den Zivilrichter.

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