Zuger Firma setzt auf Coaching-Programm für Eltern

«Immer mehr Arbeitgebern ist es wichtig, den Menschen als Ganzes zu sehen»

Die Unternehmerin Sarah Meier – selbst Mutter von zwei Töchtern – hat das Coaching-Programm «parents@work» ins Leben berufen. (Bild: ida)

Zwei Zuger Firmen setzen in ihrem Betrieb auf ein Peer-Coaching für Eltern. Ins Leben berufen wurde dieses von der Unternehmerin Sarah Meier. Auch das Traditionsunternehmen V-Zug setzt auf das Programm. Worum es dabei geht, verraten Sarah Meier und Fabian Britschgi.

Während des Meetings schreit ein Kind, ein Ball fliegt durch die Luft und Baby Magdalena rutscht auf dem Schoss des Vaters umher. Dass ein Chef solche Szenen während eines Geschäftsmeetings sieht, war wohl noch vor wenigen Monaten für die meisten von uns unvorstellbar.

Ein ganz anderes Bild zeigte sich durch Corona: Tausende Firmen schickten ihre Mitarbeitenden ins Homeoffice, wo sich die Grenze zwischen Arbeit und Privatem vermischte.

Krise hat die strikte Rollenteilung durchbrochen

Die Unternehmerin Sarah Meier sagt: «Durch die Zoom-Meetings während des Corona-Lockdowns haben Arbeitgeber plötzlich einen Einblick in das Privatleben der Mitarbeitenden erhalten.» Gezwungenermassen. Denn man konnte es ja schlecht verstecken, wenn ein Kind im Hintergrund schrie. «Dadurch bröckelt zudem die starre Rollenteilung.» Denn ein Mitarbeiter – sobald er im Hemd und Anzugshose ins Büro schreitet – ist eben nicht nur einer, der seinen Job erledigt, sondern zugleich auch Vater, der an seine Kinder denkt. 

Die Corona-Krise hat diese Grenzen vermischt und den Blickwinkel vieler erweitert. «Immer mehr Arbeitgebern ist es wichtig, nicht mehr ‹nur› den Mitarbeitenden zu sehen, sondern den Menschen als Ganzes – und so auch in ihrer Rolle als Mutter und Vater», sagt Sarah Meier.

«Ich hatte immer das Gefühl, sowohl im Beruf als auch zu Hause Kompromisse eingehen zu müssen.» 

Sarah Meier, Unternehmerin und Gründerin «parents@work»

Als Mutter zweier Töchter weiss Meier nur zu gut, wie hart es für junge Eltern ist, die Balance zwischen Arbeit und Familie zu finden. Deswegen hat sie vor rund sieben Jahren, als sie im Marketing bei Siemens arbeitete, das Programm parents@work ins Leben gerufen. parents@work ist ein Peer-Coaching-Programm, in welchem Mitarbeitende, die Kinder haben, andere Mitarbeitende, die ein Kind erwarten oder diese noch klein sind, bei der Vorbereitung – und der Rückkehr ins Berufsleben – unterstützen. Auf das Programm setzen zwei grosse Zuger Firmen: Siemens und V-Zug.

Zuger Traditionsfirma modernisiert sich sukzessive

Die Verantwortlichen bei V-Zug haben das Peer-Coaching-Programm letzten Herbst eingeführt. Wie Fabian Britschgi – Leiter Gesundheitsmanagement bei V-Zug und Vater dreier Kinder – ausführt, sind die Frauen beim Haushaltsgeräte-Hersteller noch deutlich in der Unterzahl. Mit dem hauseigenen Women’s Network möchte man gezielt Frauen fördern. Dabei kommt das Thema Diversity als Ganzes immer wieder aufs Tapet – und so auch der Gedanke, junge Väter und Mütter in der Firma gezielt unter die Arme zu greifen.

«Wir versuchen auch als traditionelles Industrieunternehmen auf aktuelle Bedürfnisse einzugehen», so Britschgi. Vor mehr als zwei Jahren hat V-Zug das Jahresarbeitszeit-Modell eingeführt, Teilzeit-Pensen nehmen zu, auch bei anspruchsvolleren Positionen. Väter haben nach der Geburt eines Kindes fünf Tage Vaterschaftsurlaub.

Fragen zur Arbeit und Privates

Britschgi begleitet als einer von fünf Coaches werdende oder junge Eltern. Rund alle acht Wochen setzt er sich mit seinen Coachees zusammen. Dabei kommt ein breiter Blumenstrauss an Themen zur Sprache. «Etwa, wie junge Eltern, die beide berufstätig sind, Beruf und Familie vereinbaren und die Kinderbetreuung sicherstellen.»

«Wenn man frisch Vater oder Mutter wird, steht plötzlich ein Kind im Zentrum, das dein Leben zu einem grossen Teil mitbestimmt.»

Fabian Britschgi, V-Zug

Oder wie man damit umgeht, wenn ein Kind nicht mehr schlafen kann. Wie man trotz Beruf und Kindern Zeit für Hobbys und Freunde findet. Alles Themen, die junge Eltern umtreiben. Fragen zur Arbeit, aber auch private Themen. Verständlich für Britschgi: «Wenn man frisch Vater oder Mutter wird, steht plötzlich ein Kind im Zentrum, das dein Leben zu einem grossen Teil mitbestimmt. Das ist eine neue Lebensphase, in der sich völlig neue Fragen aufdrängen.»

Britschgi betont, dass er als Coach nicht Experte sei, der mehr Wissen habe als das Gegenüber. In erster Linie gehe es bei den Treffen mit seinen Coachees darum, gut zuzuhören, viele Fragen zu stellen – und gegenseitig Erfahrungen auszutauschen.

Wer klar mit dem Chef kommuniziert, fühlt sich wohler

Sarah Meier trainiert Mitarbeitende einer Firma – so auch Fabian Britschgi – zu Coaches. Auch mit den werdenden Eltern einer Firma trifft sie sich, um zu spüren, wo diese Hilfe wünschen. Es wird über den Wiedereinstieg nach dem Elternurlaub geredet, die nächsten Karriereschritte, den ersten Businesstrip, wie man das Kind zuhause lässt oder wie man bei reduziertem Pensum noch Zeit fürs Netzwerken findet.

Sie selbst hatte nach der Geburt ihrer Tochter Mühe, die Balance zu finden. «Ich hatte immer das Gefühl, sowohl im Beruf als auch zu Hause Kompromisse eingehen zu müssen.» Fühlte sie sich im Job nicht herausgefordert, fragte sie sich, ob es das wert sei, deswegen ihre Kinder in die Krippe zu geben. Ihre Message ist klar: Eine Mutter oder ein Vater kann auf der Arbeit besser abliefern, wenn zu Hause nicht nur alles organisiert ist, sondern man mit dem Chef auch klar kommunizieren kann. Wenn der Arbeitgeber beispielsweise weiss, dass ein Elternteil jeweils zwei Tage die Woche spätestens um 17.30 Uhr das Büro verlassen muss, weil sie ihr Kind von der Kita abholen muss – und man sich nicht aus dem Meeting rausschleichen muss.

Mitarbeitende bei V-Zug noch zurückhaltend

Das Peer-Coaching-Programm bei V-Zug wird allerdings (noch) nicht überrannt. Bis jetzt nehmen fünf Mitarbeitende am Programm teil. «Mittels Befragung fanden wir heraus, dass viele zurückhaltend sind und das Gefühl haben, das Coaching wäre erst dann sinnvoll, wenn man Probleme in seiner neuen Elternrolle hat», sagt Fabian Britschgi. «Dabei geht es darum, sich mit einem Gleichgesinnten präventiv auszutauschen, dass erst gar keine Probleme entstehen.» So hofft er, dass V-Zug mit dem Peer-Coaching-Programm künftig noch mehr junge Eltern ansprechen kann.

Peer-Coaching-Programm war erst nur für Mütter offen

Als Sarah Meier das Coaching-Programm gründete, war es erst nur für Mütter offen. Ein Kunde von ihr, ein Unternehmen, wolle es aber auch für die Väter der Firma anbieten. Erst war Sarah Meier ein wenig perplex, wie sie sagt. Kann sie als berufstätige Mutter die Probleme und Herausforderungen von Vätern gleich gut abfangen?

Ja – denn beide schlagen sich mit denselben Fragen herum. «Es war die beste Entscheidung, aus moms@work parents@work zu machen», sagt Sarah Meier rückblickend.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Fraschmir
    Fraschmir, 15.09.2020, 13:57 Uhr

    Wieder so ein Rohrkrepierer für unfähige Jung-Eltern. Von Selbständigkeit keine Spur. Im Geschäft wird alles vorgegeben und zu hohen Löhnen abgegolten, privat in keiner Art und Weise selbstständig z.B. ein Vermögen aufzubauen = keine Ahnung, keine Disziplin. Krippe statt selber erziehen usw. usw. Sozi-Staat von nöten.

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    • Profilfoto von Lea
      Lea, 17.09.2020, 14:35 Uhr

      Um es in Ihren Worten zu sagen: Vermögen aufbauen = arbeiten = weniger Zeit für Kinderbetreuung = Kind in Krippe. Einfache Gleichung. #bittegärngscheh (wobei die Gleichung und Ihr Kommentar herzlich wenig mit dem Artikel zu tun haben). Liebe Grüsse eine arbeitende Jung-Mutter

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