Interview mit dem Leiter des Podium 41 in Zug

«Ich komme mit allen klar, egal wie sie aussehen oder gekleidet sind»

Domenik Eisenring leitet seit 2019 das «Podium 41» in Zug. (Bild: Daniela Kienzler)

Seit diesem Montag ist auch das «Podium 41» in Zug wieder geöffnet. Leiter Domenik Eisenring sagt im Interview, wieso er seine Stammgäste mag, die gute Zusammenarbeit mit der Polizei schätzt und sich freut, wenn das Publikum des Restaurants noch durchmischter wird.

Das «Podium 41», der beliebte Treffpunkt beim Zuger Yachthafen, ist seit diesem Montag wieder geöffnet. Jedoch gelten wie andernorts spezielle Hygiene- und Distanzregeln (siehe Box).

Domenik Eisenring leitet den Betrieb an der Chamerstrasse seit Dezember 2019. Im Interview sagt der 35-Jährige, wieso er von der Gourmetküche zum «Podium 41» wechselte und weshalb manche Zuger ein falsches Bild des Betriebs haben.

zentralplus: Ihr Arbeitsort hat viele Namen: Begegnungsort ohne Konsumationszwang, Alternativbeiz, aber auch der Begriff Drogenumschlagplatz ist schon gefallen. Meine Generation, die in den 1990er-Jahren im damals noch als Jugendbeiz geführten Betrieb verkehrte, spricht bis heute vom «Chaotikum». Welche Bezeichnung bevorzugen Sie?

Domenik Eisenring: «Chaotikum» finde ich witzig, aber am zutreffendsten ist wohl «Begegnungsort ohne Konsumationszwang». Die Umschreibung «Alternativbeiz» gefällt mir nicht, weil sich das politisch anhört. Für die Drogenproblematik gibt es einen Leitfaden, eine Hausordnung und einen Austausch mit den involvierten Sicherheitsorganen. Stellen wir einen Verstoss fest, wird ein Hausverbot erteilt.

zentralplus: Entspricht dies auch der Strategie der Polizei?

Eisenring: Das entspricht der Strategie der ganzen Steuergruppe, die sich zweimal pro Jahr trifft. Ihr gehören Vertreter der Stadt Zug und der Gemeinnützigen Gesellschaft Zug (GGZ) an, und auch ein Vertreter der Polizei nimmt an diesen Sitzungen teil. Er informiert uns an diesen Treffen jeweils über die aktuelle Sicherheitslage. Gemeinsam diskutieren wir aktuelle Themen und Probleme und besprechen Massnahmen zur Lösung.

«Irgendwann hatte ich genug von der gehobenen Küche. Denn das heisst vor allem: viel arbeiten und trotzdem wenig verdienen.»

zentralplus: Angefangen haben Sie Ihre Arbeit im «Podium» als Küchenchef. Wäre ein Job in einem konventionellen Gastrobetrieb nicht angenehmer?

Eisenring: Es kommt drauf an, welche Herausforderung man sucht. Nach meiner Lehre als Koch in der Gastronomiefachschule St. Gallen von Kurt Hanselmann war ich viele Jahre in der Gault-Millau-Küche tätig. Ich habe auf der Corviglia oberhalb St. Moritz im Restaurant «La Marmite» von Reto Mathis gearbeitet, in Luzern im Hotel Montana bei Johan Breedijk und in weiteren Restaurants in Rom und Kanada. Irgendwann hatte ich genug von der gehobenen Küche. Denn das heisst vor allem: viel arbeiten und trotzdem wenig verdienen. Irgendwann reifte die Idee, in den sozialen Bereich zu wechseln.

zentralplus: Wo auch nicht das grosse Geld winkt.

Eisenring: Wo es aber mehr Gestaltungsspielraum gibt! Ich absolvierte ein Sozialpraktikum mit Schwerstbehinderten in einer Institution im sankt-gallischen Altstätten und nahm danach eine Stelle als Küchenchef im Hotel Dom in St. Gallen an, das Lehrstellen und Arbeitsplätze für Menschen mit Beeinträchtigung anbietet. Das waren tolle Erfahrungen. Parallel dazu absolvierte ich Kurse in der Arbeitsagogik. Die Stelle als Küchenchef im «Podium» kam genau zum richtigen Zeitpunkt. Zudem vereinte sie das Kochen und das Soziale. Damit meine ich jetzt gar nicht nur die Kundschaft. Auch im Service und in der Küche des «Podiums» arbeiten jeweils ein bis zwei Leute, die über die Sozialdienste und über das Asylwesen vermittelt werden.

Das «Podium 41» in Zug. (Bild: Jakob Ineichen)

zentralplus: Stehen Sie als Betriebsleiter noch in der Küche?

Eisenring: Nein, im Moment nicht, ich könnte aber jederzeit einspringen. Als Betriebsleiter erledige ich viel Administrativarbeit, bin im Kontakt mit den Behörden, führe, plane und helfe – wenn viel los ist – mittags und nachmittags im Service mit. Mit einer guten Einsatzplanung gelingt es sogar, einzelne freie Abende und Wochenenden zu schaffen, die ich dann am liebsten mit meiner Frau und meinen drei Kindern verbringe. Die sind zwei, fünf und sieben Jahre alt.

«Viele spazieren an einem Samstag spätabends bei uns vorbei, stellen fest, dass da jemand einen Joint raucht und schreiben das Restaurant schon ab.»

zentralplus: Das «Podium» ist bekannt für seine feine Küche, die tolle Lage direkt am See und das gute Preis-Leistungs-Verhältnis. Trotzdem haben viele Leute Berührungsängste und meiden den Ort, weil sie davon ausgehen, dass hier nur Randständige verkehren.

Eisenring: Ich bedauere das und möchte alle Leute, die Hemmungen haben, einladen: Kommen Sie vorbei und machen Sie sich ein Bild vom «Podium». Das Problem ist: Viele Leute kennen das «Podium» nur vom Hörensagen oder aus der Distanz. Sie spazieren dann an einem Samstag spätabends bei uns vorbei, stellen fest, dass da jemand einen Joint raucht und schreiben das Restaurant schon ab. Das ist schade! Diese Leute sollten unbedingt mal an einem Mittag vorbeikommen. Dann werden sie feststellen, dass wir ein durchmischtes Publikum haben und hier eine angenehme Atmosphäre herrscht. Im vergangenen Februar verpflegten wir zum Beispiel über Mittag während zweier Wochen ein Dutzend Kinder von einem Schachclub. Die fühlten sich hier sehr wohl.

zentralplus: Durchmischung ist ein Thema, seit es das «Podium» gibt.

Eisenring: Ja, aber die erreichen wir eben nur, wenn auch die sogenannt «Nicht-Randständigen» zu uns kommen. Wie gesagt: Am Mittag haben wir diese Durchmischung bereits erreicht. Da bedienen wir Leute aus den Büros, Arbeiter von Baustellen, Jugendliche in der Ausbildung oder einfach Gäste mit kleinerem Budget.

zentralplus: Und abends?

Eisenring: Auch an schönen Sommerabenden ist das Publikum durchmischt. Da kommen Leute spontan nach der Badi vorbei, essen bei uns einen Burger oder trinken ein Glas Wein. Mit Konzerten und anderen Anlässen versuchen wir, den Gästekreis stets ein wenig zu erweitern. Man darf jedoch nicht vergessen: Unser primärer Auftrag besteht darin, eine Art offene Gassenküche zu betreiben. Darum sind die Nutzer dieses Angebots auch unsere Stammgäste. Gegen Vorweisen eines Bons, für den man 5 Franken bezahlt, bekommen sie etwas zu essen und zu trinken.

zentralplus: Ihre Bilanz nach einem Jahr «Podium»?

Eisenring: Sie fällt sehr positiv aus! Zwischenfälle gab es in letzter Zeit kaum. Ich gehe ohne Vorurteile auf Leute zu und komme mit allen klar, egal, wie sie aussehen oder gekleidet sind. Im Gegenzug respektieren mich die Gäste und schätzen – so mein Eindruck – meine ungekünstelte und direkte Art.

Wiedereröffnung und Mittagstisch

Das «Podium 41» in Zug ist ab diesem Montag wieder offen –vorderhand nur von Montag bis Freitag zwischen 11 und 15 Uhr. Maximal 20 Personen dürften sich im Restaurant aufhalten. Der Aussenbereich bleibt in der ersten Öffnungsphase noch geschlossen.

Die Gassenküche/Mittagsbeiz, über die Wintermonate jeweils auf dem Schiff «Yellow» einquartiert, hat ihren Betrieb im «Podium 41» ebenfalls wieder aufgenommen. Damit entfällt die Abgabe von Take-away-Gutscheinen für Bedürftige und Armutsbetroffene, wie es während der Corona-Krise gehandhabt wurde. Inhaber der Bezugskarte erhalten nun wieder täglich ein frisch zubereitetes Mittagsmenü im «Podium 41».

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