Handauflegen in der Luzerner Lukaskirche

«Ich bin endlich wieder einmal ruhig geworden»

Findet Berührungspunkte – Sozialdiakonin Yvonne Lehmann.

(Bild: Elia Saeed)

Obwohl heutzutage oft als Hokuspokus verschrien, gehört Handauflegen zu einer urchristlichen Tradition. Bei einem Besuch in der Lukaskirche bringt zentralplus in Erfahrung, wie kirchliche Spiritualität zur Therapie wird, die keine sein will.

Offene Türen, eine freundliche Begrüssung und beruhigende Instrumentalmusik im Hintergrund. Wer an einem Freitag frühabends in die Luzerner Lukaskirche tritt, wird herzlich empfangen. Seit über vier Jahren gibt es hier einmal die Woche das Angebot «Handauflegen und Gespräch». Das Handauflegen hat sich davor im Gottesdienst bewährt und gehört seither zu einer Reihe spiritueller Angebote in der reformierten Kirche. Dabei werden den Besuchenden, sofern sie das möchten, die Hände auf bestimmte Bereiche des Oberkörpers gelegt, erklärt die leitende Diakonin Yvonne Lehmann.

Bei den Gesprächen geht es häufig um Gesundheitliches, Probleme bei der Arbeit oder in der Beziehung. «Im Grunde genommen all die Themen, die in einer therapeutischen Praxis auch aufkommen», sagt der pensionierte Psychologe Joseph Bendel. Zusammen mit Yvonne Lehmann und 15 weiteren Freiwilligen hilft er bei der Umsetzung der ökumenischen Dienstleistung.

Entspannende Begleitung

Das Besucheraufkommen des Angebotes ist unstet – mal kommen nur zwei Leute, mal über ein Dutzend. Es gibt auch einige Stammgäste. Gemeinsam ist allen, dass sie individuelle Bedürfnisse und Nöte mitbringen. Manchmal übersteigt der Bedarf an Betreuung die Möglichkeiten des Angebotes. «Wenn wir merken, dass jemand eine andere Begleitung braucht als das, was wir bieten können, dann sprechen wir das an», sagt Sozialdiakonin Lehmann. «Wir haben eine ganze Liste mit therapeutischen Angeboten, die hier aufliegen.» Auch Handaufleger Joseph Bendel betont: «Handauflegen und Gespräch ist explizit kein therapeutisches Angebot.»

«Ich spüre häufig, wie der Puls langsam zurückgeht und die Leute wieder regelmässiger atmen.»

Yvonne Lehmann, Luzerner Diakonin

Gleichwohl weiss er von heilenden Erfahrungen zu berichten. Menschen kommen mit angespannten oder traurigen Gesichtern herein und verlassen den Ort entspannt – manchmal sogar mit einem Lächeln. Einmal sei ein 75-jähriger Manager bei ihm gewesen, erzählt Bendel, seit 30 Jahren immer geschäftlich auf Achse. «Der glaubt an gar nichts, und nach dem Handauflegen und Gespräch sagt er verblüfft: Ich bin endlich wieder einmal ruhig geworden.» Yvonne Lehmann kann das bestätigen. «Ich spüre häufig, wie der Puls langsam zurückgeht und die Leute wieder regelmässiger atmen.»

Das Angebot «Handauflegen und Gespräch»kann mittels Kollekte frei vergütet werden.

Das Angebot «Handauflegen und Gespräch» kann mittels Kollekte frei vergütet werden.

(Bild: Elia Saeed)

Wissenschaftliche Spiritualität

Die entspannende Wirkung der Praxis wurde auch schon untersucht. Die Universität Zürich fand mithilfe der pensionierten Pfarrerin Anemone Eglin heraus, dass durch Handauflegen bei Alterspflegeheim-Patienten die subjektive Wahrnehmung kurzfristig positiv beeinflusst und depressive Symptome gelindert werden können. Als Nächstes will Anemone Eglin untersuchen, ob Schmerzpatienten durch die Praxis weniger Medikamente benötigen. Eglin lernt von Anne Höfler, der Gründerin von «Open Hands» – einer Schule des Handauflegens. Auch die Luzerner Diakonie richtet sich nach ihr. Einmal im Jahr treffen sich in Zug Vertreter aus Luzern und Zürich zur Fortbildung. Dazu gibt es zum Thema drei Mal im Jahr einen Erfahrungsaustausch innerhalb der reformierten Kirchen, auch aus Basel oder Bern.

«Wir wollen keine Versprechungen machen.»

Joseph Bendel, Handaufleger in der Lukaskirche

Wenn man nach einem Buch zum Thema Handauflegen sucht, wird man in der Esoterik-Ecke fündig. Heisst das nun, dass sich die Kirche der New-Age-Bewegung anschliesst? Das braucht sie nicht, denn schon der spirituelle Begründer der Christenheit praktizierte das Handauflegen. «Spiritualität und Kirche gehören zusammen», sagt Yvonne Lehmann. Man dürfe es einfach nicht mit Esoterik verwechseln. «Spiritualität ist für mich etwas sehr Geerdetes – es hat mit unserem Leben zu tun.» Es gehe darum, den Alltag zu meistern. Dabei sei das geistige Konzept, das man mit dieser Spiritualität verknüpft, nicht entscheidend.

Kein Heilsversprechen

Yvonne Lehmann und Joseph Bendel haben beide einen christlichen Hintergrund, und doch haben beide unterschiedliche Auffassungen zu Begriffen wie «Energie» oder «geistige Welt». Bendel zitiert dazu einen englischen Heiler: «Wir wissen überhaupt nicht, wie es geht.» Man könne zwar sehen, dass etwas beim Handauflegen passiert, aber man wisse nicht, was genau sich wie verändert.

Sehen sich die beiden trotzdem in der Tradition Christi als Heilende? «Wenn man als Heiler auftritt, behauptet man, man könne etwas bewirken», antwortet Bendel. «Sie finden das Wort ‹Heiler› absichtlich nirgends auf unserer Webseite. Wir wollen keine Versprechungen machen.» Handauflegen und Gespräch diene dazu, Menschen auf einem kleinen Stück ihres Weges zu begleiten – nicht mehr. Aber auch nicht weniger.

Bietet jeden Freitag zwischen 17 bis 19 Uhr Handauflegen und Gespräch – die Lukaskirche beim «Vögeligärtli».

Bietet jeden Freitag zwischen 17 bis 19 Uhr Handauflegen und Gespräch – die Lukaskirche beim «Vögeligärtli».

(Bild: Elia Saeed)

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