Hohe Preise bei Alterswohnungen Herti? Das steckt dahinter
Viele ältere Menschen sind zu fit fürs Altersheim, aber dennoch auf Unterstützung angewiesen. (Bild: Symbolbild: Adobe Stock)
Wer im Alter möglichst selbständig leben will, aber etwas Unterstützung braucht, hatte in Zug bisher kaum eine Wahl. Das Alterszentrum Herti schafft nun neue Wohnungen – in denen innert fünf Minuten Hilfe vor Ort ist. Doch diese haben ihren Preis.
In der Stadt Zug gibt es Pflegeheime und ambulante Spitex-Dienste – ein Angebot dazwischen fehlt. Wer nur wenig Pflege benötigt, aber dennoch auf schnelle Hilfe angewiesen ist, fand lange Zeit keine passende Wohnform.
Das Alterszentrum Herti will diese Lücke schliessen. Es wird umfassend saniert und ausgebaut – nach über 40-jährigem Bestehen. Die Stiftung Alterszentren Zug, die das Herti betreibt, stockt das Gebäude um zwei zusätzliche Stockwerke auf (zentralplus berichtete).
Im neuen 8. und 9. Stockwerk sowie im bestehenden 7. Stockwerk entstehen 25 neue Wohnungen für betreutes Wohnen mit Pflegedienstleistungen.
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Die ersten Wohnungen können in einigen Tagen bezogen werden, jene in den oberen beiden Stockwerken dann voraussichtlich im Herbst 2025.
Möglichst lange selbständig in der eigenen Wohnung
Wie Peter Arnold, Gesamtleiter der Alterszentren Zug und Vorsitzender der Geschäftsleitung, auf Anfrage von zentralplus erläutert, wollten sie mit dem Angebot Zugerinnen und Zuger ansprechen, die trotz körperlicher Einschränkungen möglichst selbständig leben wollten.
Das Pflegepersonal des Zentrums Herti bietet Spitex-Leistungen an und kontrolliert täglich das Wohlbefinden der Bewohnenden. Zudem gibt es in jeder Wohnung einen Notrufknopf. «Innert vier bis fünf Minuten ist dann eine Pflegefachperson vor Ort – 24 Stunden am Tag», sagt Arnold. In der Miete ist die tägliche Wohlaufkontrolle und eine wöchentliche Wohnungsreinigung inbegriffen. Zudem können Mieterinnen an ausgewählten Aktivitäten des Alterszentrums Herti teilnehmen. Weitere Dienstleistungen wie Wäscheservice, Pflanzenpflege oder Mahlzeiten müssen draufgezahlt werden.
Gemäss Arnold wächst das Bedürfnis älterer Menschen, die nur wenig Betreuung brauchen, in ihren eigenen vier Wänden gepflegt zu werden. Vier Wohnungen seien bereits vermietet. «Interessierte Anmeldungen gibt es viele. Mit allen Interessierten müssen wir individuelle Gespräche führen, um abzuwägen, ob sie ins ‹Raster passen›», so Arnold. Willkommen seien zwar alle, doch sei das Angebot nur für Personen mit leichten körperlichen Beeinträchtigungen passend. Psychische Vorerkrankungen wie Demenz sind ausgeschlossen, da diese gemäss Arnold eine intensivere Betreuung erfordern.
Das kosten die Alterswohnungen im Herti
Doch die Alterswohnungen sind nicht ganz günstig. Die preiswerteste Wohnung – eine 33 Quadratmeter grosse 1-Zimmer-Wohnung – kostet 1874 Franken pro Monat. 1,5-Zimmer-Wohnungen gibts ab 2104 Franken, 2-Zimmer-Wohnungen schlagen mit 2917 Franken bis 3422 Franken zu Buche. Die Pauschale für die Wohlaufkontrolle und die Wohnungsreinigung sind inbegriffen.
Eine zentralplus-Leserin meldet sich. Als eine Verwandte von ihr von den Preisen für eine 2,5-Zimmer-Wohnung erfahren habe, «hat sie fast der Schlag getroffen». «Das ist ja mehr als eine AHV Rente», so die Leserin. «Dabei heisst es immer, man soll nicht mehr als ein Drittel fürs Wohnen ausgeben.»
In der Schweiz bekommen Frauen gemäss Zahlen des Bundesamts für Statistik eine durchschnittliche Monatsrente von 1862 Franken, bei Männern sind es 1883 Franken.
Nicht teurer als andere Alterswohnungen
Peter Arnold hat Verständnis für diese Reaktion. Er verweist aber darauf, dass es sich dabei ja nicht um einen reinen Mietzins wie bei einer «normalen» Wohnung handle. Bezahlbare Wohnungen sind in Zug rar. «Das spüren auch wir. Immer wieder erreichen uns Anfragen von Personen, die keine Wohnung mehr finden. Oder Personen, die aus ihrer Wohnung ausziehen müssen, weil sie saniert wird, und schlicht nicht wissen, wohin.»
Als Stiftung im Auftrag der Stadt Zug seien sie nicht gewinnorientiert: «Unser Ziel ist, Ende Jahr mit einer schwarzen oder roten Null abzuschliessen. Rückstellungen machen wir, um später wieder Erneuerungen oder Sanierungen durchführen zu können.» Zugleich seien sie bestrebt, den Angestellten faire Löhne zu bezahlen.
Gemäss Arnold gibt es in der Schweiz nur wenige ähnliche Angebote, wie sie nun im Herti geschaffen werden. Unter anderem gibt es aber eines im Kanton Aargau, an dessen Preise man sich orientiert hat.
Waldheim: Hier kriegt man eine Wohnung für 1400 Franken
Arnold verweist auf die 48 Alterswohnungen im Waldheim, eine Zusammenarbeit der Alterszentren Zug mit der Bürgergemeinde Zug. «Unter den 2,5-Zimmer- und 3,5-Zimmer-Wohnungen gibt es auch günstigere Wohnungen», so Arnold. Preislich bewegt sich eine 2,5-Zimmer-Wohnung zwischen1400 und 2300 Franken, eine 3,5-Zimmer-Wohnung zwischen 1800 und 2800 Franken.
Die Bewohner werden in diesen Wohnungen jedoch nicht betreut, die Räume sind aber altersgerecht gestaltet. Zudem gibt es einen Mahlzeitenservice sowie auf Wunsch einen Wäsche- und Reinigungsservice. Wer eine bestimmte Einkommenswelle unterschreitet, erhält gemäss Arnold durch die Ergänzungsleistungen Vergünstigungen.
Bei den neuen Alterswohnungen im Herti ist dies nicht der Fall. Gemäss Arnold stehen jedoch auch hier Überlegungen im Raum, wie sie Personen mit geringem Vermögen unterstützen können. Das ist administrativ aber sehr aufwendig.
Schweizer Studie analysierte Kosten für betreutes Wohnen
Wie tief Schweizerinnen für betreutes Wohnen im Alter ins Portemonnaie greifen müssen, hat auch eine Schweizer Studie – die bisher grösste und einzige ihrer Art – im Jahr 2020 untersucht. Diese wurde durchgeführt von Bass, dem Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien, im Auftrag von Curaviva Schweiz, Senesuisse, Spitex Schweiz und der Association Spitex privée Suisse (ASPS).
In der Studie wird das Leistungsangebot in vier verschiedene Kategorien unterteilt. Denn je nachdem, wie viel Betreuung eine ältere Person bedarf, kostet dies natürlich mehr oder weniger. Kategorie D, die das kleinste Leistungsangebot umfasste, kostete im Monat durchschnittlich 2498 Franken. Die mittlere Stufe C kostete 4705 Franken, Stufe A schlug mit 9894 Franken zu Buche. Die Kosten können also stark variieren – mit Mindestkosten von rund 2500 Franken muss man aber rechnen.
Ein Aufenthalt im Altersheim ist massiv teurer. In der Schweiz sind gemäss Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS) Kosten von über 10’000 Franken im Monat längst keine Seltenheit mehr. Etwa zwei Drittel der monatlichen Unterbringungskosten zahlt der Betroffene aus eigener Tasche.
«Ob Menschen mit Unterstützungsbedarf die von ihnen bevorzugte Wohn- und Betreuungsform wählen können, hängt heute vielfach von ihrem Renteneinkommen und Vermögen ab. Sind sie auf Ergänzungsleistungen angewiesen, ist die Wahl eingeschränkt», heisst es in einer Medienmitteilung zur Studie von Bass. Denn in fast allen Kantonen würden die Ergänzungsleistungen das betreute Wohnen nicht abdecken.
Betreutes Wohnen: Das macht die Politik
Finanzierungslücken für Betreuungsleistungen gibt es heute nicht nur im betreuten Wohnen, sondern auch beim Wohnen zu Hause und in den Institutionen.
Aktuell laufen politische Bestrebungen, die Ergänzungsleistungen so anzupassen, dass das betreute Wohnen besser finanziert wird. Der Bundesrat hat im vergangenen Herbst eine Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG) an das Parlament verabschiedet.
Ziel ist es, die Autonomie älterer Menschen zu stärken, damit sie länger eigenständig zu Hause leben können. Konkret sollen AHV- und IV-Rentner, die Ergänzungsleistungen beziehen, Anspruch auf bestimmte Leistungen erhalten, die das selbständige Wohnen unterstützen. Dazu gehören unter anderem Notrufsysteme, Haushaltshilfen, Mahlzeitendienste sowie Fahr- und Begleitdienste.
Ziel des Bundes: Heimeintritte verzögern oder vermeiden. Er rechnet mit zusätzlichen Kosten von rund und 340 bis 730 Millionen Franken für die Kantone für das Jahr 2030. Zugleich sollen 280 Millionen Franken eingespart werden, weil Schweizerinnen später oder gar nicht mehr ins Heim müssen. Der Nationalrat hat im Dezember eine entsprechende Gesetzesanpassung gutgeheissen. Als Nächstes muss der Ständerat über die Vorlage befinden.
Isabelle Dahinden schreibt über Menschen, Beziehungen und das Leben. Nach ihrem Studium in Gesellschafts- und Kommunikationswissenschaften schreibt sie seit Dezember 2017 als Gesellschaftsredaktorin für zentralplus. 2021 hat sie die MAZ-Diplomausbildung absolviert, seit August 2023 ist sie stellvertretende Redaktionsleiterin.
Fehlender erschwinglicher Wohnraum für Senior*innen führt dazu, dass sie in grossen Wohnungen bleiben, anstatt diese für Familien freizugeben. Ohne Alternativen geraten sie in Ohnmacht und wählen aus Mangel an Optionen das Heim, was die Kosten für die Gesellschaft steigert. In vielen Heimen sind bereits über 60% der Bewohner auf EL angewiesen. Es braucht dringend mehr bezahlbare, selbstständigkeitsfördernde Wohnangebote.