Krienser Schule geht neue Wege

Hilfe für auffällige Schüler – und erschöpfte Lehrer

Verhaltensauffällige Schulkinder bekommen in Kriens breite Unterstützung. (Bild: Symbolbild Fotolia)

Ihnen droht die Sonderschule oder ein Time-out: Kinder, die wegen ihres Verhaltens in der Schule auffällig sind. In Kriens gibt es seit zwei Jahren eine andere Lösung: das Familienklassenzimmer. Ein erfolgreiches Projekt, das aber noch Optimierungsbedarf aufweist.

Häufiges Fehlen, Respektlosigkeit, aber auch Zurückgezogenheit sind Herausforderungen, mit denen die Lehrer täglich konfrontiert sind. Um dem entgegenzuwirken, wurde vor zwei Jahren an der Krienser Volksschule das Projekt «Familienklassenzimmer» lanciert. Schüler, denen es nicht an Intelligenz mangelt, die aber wegen ihres Verhaltens auffällig sind, sollen gemeinsam mit ihren Eltern und der Schule die entsprechenden Kompetenzen entwickeln. Dies geschieht in einer kleinen Gruppe abseits des normalen Unterrichts. Eine Hilfe, nicht nur für laute und auffällige Schulkinder, wie der Krienser Volksschuldirektor, Markus Buholzer sagt: «Auffallen kann ein Kind auch, weil es eben nicht auffällt und sich isoliert.»

Ein Schweizer Pilotprojekt

Meist liege dem Verhalten ein Problem oder eine schwierige Situation zugrunde. Im Familienschulzimmer soll man dem gemeinsam auf den Grund gehen können. «Das dient auch der Prävention», sagt Buholzer. Damit könne verhindert werden, dass Schüler später vielleicht in eine Sonderschule müssen oder von einem Time-out Gebrauch machen müssten.

Mit dem Familienklassenzimmer geht die Krienser Schule neue Wege. «So viel ich weiss, gibt es schweizweit kein anderes Familienklassenzimmer», sagt Buholzer. Das Projekt sei nach ähnlichen Modellen entwickelt, die in England, Skandinavien oder auch Deutschland bereits angewandt würden.

Wenn Lehrer nicht mehr weiter wissen

Laut dem Rektor können alle, die mit einem auffälligen Kind zu tun haben, das Familienklassenzimmer in Anspruch nehmen. «In der Regel ist es aber die Schulleitung, die den Kontakt zu den Eltern aufnimmt und das Angebot vorschlägt.» Das Familienklassenzimmer kommt ins Spiel, wenn eine gewisse Grenze erreicht ist. Die Schule hat mehrere Kriterien erarbeitet, wann das sein kann:

• Ein Lehrer sagt: Ich weiss nicht mehr weiter.
• Gedanken über Time-out Lösungen kommen auf.
• Ein Lehrer ist erschöpft, macht sich Sorgen oder ärgert sich übermässig.
• Ein Lehrer kann den Unterricht nicht mehr durchführen.
• Eltern sehen in diesem Angebot eine Unterstützung für die schulische Entwicklung ihres Kindes.
• Wenn Lehrer, Schulsozialarbeiter, Schulleitung, Fachpersonen und Behörden das Familienklassenzimmer als sinnvoll erachten.

«Erfüllt ein Kind eines oder mehrere Kriterien, so kann es ins Familienzimmer aufgenommen werden», erklärt Buholzer. Ein weiteres Kriterium ist die Mitarbeit der Eltern.

Pult aufräumen als Wochenziel

Die Treffen sind einmal pro Woche. Der gemeinsame Unterricht dauert einen halben Tag und findet abseits des regulären Unterrichts statt. Zwischen fünf und acht Kinder sind mit ihren Eltern in einer solchen Gruppe. In Kriens stehen dazu zwei Klassenzimmer zur Verfügung, eines im Schulhaus Roggern und eines in der Feldmühle. «Es geht dann darum, Probleme und Schwierigkeiten zu besprechen und Möglichkeiten für deren Bewältigung zu erarbeiten», erklärt Buholzer.

Die Ziele hätten nichts mit dem Schulstoff zu tun und können beispielsweise lauten: «Diese Woche habe ich immer alle meine Hefte dabei» oder «Diese Woche ist mein Pult immer aufgeräumt», erklärt der Rektor. Es gäbe auch Ziele für zu Hause. «Es müssen Ziele sein, die innert Wochenfrist mit Hilfe der Eltern und der Schule zu erreichen sind und zur Bewältigung der übergeordneten Fragestellung dienen», sagt der Rektor. Anschliessend werde dann geschaut, was geklappt habe, was nicht und weshalb. «Die Eltern sollen dabei ihre Kinder beobachten können, wie sie in der Schule agieren. Die Präsenz der Eltern ist sehr wichtig.» So sei eine gegenseitige Unterstützung und Stärkung möglich. «Durch die Arbeit und den Austausch in der Gruppe, wird eine Situation offen dargelegt. Man ist dann mit einer anspruchsvollen Situation nicht mehr alleine.» Es wirke entlastend, wenn ein Kind weiss, dass andere Kinder auch ähnliche Situationen bewältigen müssen.

«Treffen helfen das Rollenverständnis besser zu verstehen»

Ein Lehrer und eine Fachperson leiten das Familienklassenzimmer. Dazu stellt die Schule ein 80-Prozent-Pensum zur Verfügung, pro Schulzimmer also 40 Prozent. «Das kostet zwar etwas. Aber ich bin überzeugt, dass es sich lohnt. Gerade, wenn dadurch Situationen wie eine Sonderschule umgangen werden können», so Buholzer.

Buholzer zieht ein positives Fazit aus den vergangenen zwei Jahren. «Es hilft dem Rollenverständnis zwischen Schule und Eltern. Alle profitieren, weil sie die gegenseitige Sichtweise besser verstehen», ist er überzeugt. Ein Ende ist deshalb noch keines in Sicht.

Projekt wird um ein Zimmer grösser

«Die Strategie steht fest: Wir wollen das Projekt unbedingt weiterführen», sagt Buholzer. Dennoch gibt es Optimierungsbedarf. «Die Bandbreite beim Alter ist vielleicht etwas gross», so der Rektor. Heute befinden sich in einer Gruppe alle Altersstufen vom Kindergarten bis zur Sek. Ab Sommer plant die Schule, hier besser zu trennen und stellt ein drittes Zimmer zur Verfügung. Dieses sei dann für Schüler der Oberstufe bestimmt.

Kürzlich wurde das «Familienklassenzimmer» mit dem Anerkennungspreis für «Besondere Leistungen im Umgang mit Heterogenität» und «Schulprojekte» der kantonalen Trägerschaft «Schule mit Zukunft» ausgezeichnet. Der Preis wird alle zwei Jahre verliehen und ist mit 20’000 Franken dotiert.

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