Die Stiftung Fotodok – eine One-Man-Show

Hier wohnt das Luzerner Fotogedächtnis

Simon Meyer (rechts im Bild) beim Informationsabend im Entlebuch.

(Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Für alte Fotos ist Fotodok die richtige Anlaufstelle. Die Luzerner Stiftung erhält das fotografische Erbe der Zentralschweiz. Doch nicht jeder Fotograf und erst recht nicht jedes Foto ist würdig genug, aufbewahrt zu werden.

Wer einen Fotografen ärgern will, nenne dessen Werke «Föteli». Auch Simon Meyer, Luzerner Fotograf und Geschäftsführer der Stiftung Fotodok, nervt sich über den Begriff. Luzern habe mehr professionelle Fotografen denn je, «doch in Zeiten von Handykameras und Leserreportern gibt es für viele Leute nur noch Föteli» – dementsprechend seien viele Leute auch nicht mehr bereit, für die Arbeit eines Fotografen zu bezahlen.

Meyer lamentiert aber nicht nur. Er engagiert sich dafür, die Arbeit der Fotografen bekannter zu machen. Heute sind sie die wohl am besten dokumentierte Berufsgruppe der Region: Im Weblexikon der Stiftung Fotodok, einer Art Wikipedia für die Zentralschweizer Fotografie, sind fast 400 Fotografen verzeichnet, aktiv von 1860 bis heute.

Der Eintrag im Lexikon sei begehrt, berichtet Meyer, doch nicht jeder werde aufgenommen: «Wir nehmen nur Fotografen auf, die von dieser Tätigkeit leben. Schliesslich sind wir keine Werbeplattform. Da bin ich relativ hart.» Wer die Kriterien für die Foto-Wikipedia erfüllt, darf seinen Beitrag dann aber selber verfassen.

Unter anderem mit diesem Projekt kümmert sich die Stiftung Fotodok im Auftrag des Kantons Luzern um das Kulturgut Fotografie. Fotodok organisiert auch Ausstellungen und verwaltet die Nachlässe bekannter Luzerner Fotografen.

Nur Profis erwünscht

Das Kulturgut Fotografie, aber auch die mit Fotos dokumentierten Ereignisse sollen so für die Nachwelt erhalten werden. Wer auf dem Estrich nun aber noch Schachteln mit alten Fotos hat, kann diese trotzdem nicht bei Fotodok vorbeibringen: Werke von Amateuren werden nicht gesammelt.

«Es gibt Profis, die wie Anfänger und Amateure, die wie Profis fotografieren.»

Simon Meyer, Geschäftsführer der Stiftung Fotodok

Machen Profis einfach bessere Fotos als Amateure? Nein. «Es gibt Profis, die wie Anfänger und Amateure, die wie Profis fotografieren», sagt Simon Meyer, die Beschränkung gelte vielmehr aus Kapazitätsgründen. «Wir haben vor einem Anlass in Schüpfheim vor einigen Jahren im Entlebucher Anzeiger die Bevölkerung dazu aufgerufen, uns alte Fotos mitzubringen» – und die Leute hätten säckeweise Fotoalben mitgebracht. «Da musste ich viele Leute enttäuschen.» Mit seinem 40-Prozent-Pensum wäre der Geschäftsführer und einzige Mitarbeiter von Fotodok wohl heute noch mit der Einordnung dieser Fotos beschäftigt.

«Es fehlt uns noch praktisch alles»

Neu auch Zug und Uri dabei

Nebst Luzern haben neu auch die Kantone Uri und Zug ihr eigenes Fotoportal von Fotodok. «Im Moment bin ich damit beschäftigt, die Urner Fotografen fürs Lexikon zu erfassen», sagt Fotodok-Geschäftsführer Simon Meyer. Dazu wird es nächstes Jahr Fotodok-Veranstaltungen in Zug und Altdorf geben, um das Portal bekannter zu machen. Finanziert wird dieses Angebot jeweils von den Kantonen aus dem Lotteriefonds. Womöglich kommen bald weitere Kantone hinzu. «Es ist aber noch nichts spruchreif», so Meyer.

Doch auch Profis können nicht darauf zählen, dass Fotodok dereinst ihr Werk erhalten wird. Fast 400 Fotografen zählt das Weblexikon, davon hat Fotodok von gerade mal zweien den Nachlass und von einem den Vorlass übernommen, eine Handvoll weiterer Fotografen sind in der Warteschlange. Simon Meyer: «Aus Kostengründen decken wir das fotografische Schaffen im Kanton Luzern nur exemplarisch ab.» Und es geht wegen den beschränkten Mitteln auch nur langsam vorwärts, pro Fotograf dauert der Prozess mehrere Jahre.

Was fehlt der Fotodok-Sammlung noch? «Praktisch alles», meint Meyer. Einzig die Reportagefotografie der 1930er- bis 60er-Jahre sei mit den Aufnahmen von Max A. Wyss (1908–1977) zu Genüge vertreten. «Und bei der Industrie- und Auftragsfotografie sind wir mit dem Vorlass von Hans Eggermann, den wir im Moment erschliessen, nun auch gut bedient», erklärt er. «Bestände mit gleichem Inhalt können wir nicht mehr aufnehmen.»

Fotograf Hans Eggermann 2005 beim Hochwasser in Luzern.  (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Fotograf Hans Eggermann 2005 beim Hochwasser in Luzern.  (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Georg Anderhub kommt ins Archiv

Der jüngste Zugang bei Fotodok ist der Nachlass von Georg Anderhub (1949–2015), der letztes Jahr einem Hirntumor erlag. Anderhub fotografierte seit den 1970ern viel im Umfeld der Luzerner Kulturszene, er war auch während Jahrzehnten Fotograf des Lucerne Festival.

Ende September übergab Anderhubs Familie den Nachlass der Stiftung Fotodok. 100’000 Franken wird die Aufarbeitung des Nachlasses ungefähr kosten. Fotodok hofft nebst den Kantonsbeiträgen auch auf die Unterstützung von Gönnern, Sponsoren und Stiftungen.

Geschäftsführer Simon Meyer ist bereits damit beschäftigt, das Bildmaterial zu sichten. Viele von Anderhubs Fotos kennt Meyer bereits, war er doch einst dessen Assistent. Meyer war mit dem verstorbenen Fotografen aber auch befreundet.

«Stöbern in der eigenen Vergangenheit»

Meist habe er kaum Zeit, sich beim Sichten der Fotos persönlich Gedanken dazu zu machen, sagt Simon Meyer: «Das ist Fliessbandarbeit.» Bei einzelnen Dossiers kenne er jedoch nicht nur den Fotografen, sondern auch die Fotografierten. «Bei den Luzerner Spielleuten zum Beispiel: Das ist auch ein Stöbern in der eigenen Vergangenheit.»

Der Fotograf Georg Anderhub bei der Präsentation der Plattform Fotodok in der Kornschütte.  (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Der Fotograf Georg Anderhub bei der Präsentation der Plattform Fotodok in der Kornschütte.  (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Anderhub hinterliess 20 Laufmeter analoges Fotomaterial und seit 2001 auch rund 100’000 Digitalfotografien. Nicht alles wird am Schluss für die Nachwelt im Staatsarchiv landen: Meyer muss auch Fotos aussortieren und abschätzen, was dereinst von Interesse sein wird.

Viele vergleichbare Fotos könne man kassieren (also der Familie zurückgeben oder wegwerfen), aber manchmal auch ganze Aufträge: «Die Mitarbeiterporträts der Stadtverwaltung werden wir wohl eher nicht behalten.» Eine kleine Auswahl des Bestandes soll digitalisiert und online gestellt werden.

Alte Digitalfotos sind unbrauchbar

Eine besondere Herausforderung ist auch die Konservierung von Anderhubs Digitalbildern. «Wir machen gerade unsere ersten Erfahrungen damit.» Die Fotos aus der Anfangszeit der Digitalfotografie seien etwa nahezu unbrauchbar: «Die 8000-Franken-Profikamera von damals machte schlechtere Bilder als heute jedes Handy.»

Kommt hinzu, dass ältere JPG-Dateien schon heute oft unleserlich seien, sagt Meyer. «Wie ein analoges Stück Papier werden diese bei jedem Gebrauch leicht beschädigt.» Die Fotos werden daher von den kurzlebigen CDs auf eine Festplatte geladen und in ein dauerhafteres Dateiformat konvertiert.

Dafür muss Meyer bei den Digitalfotos vielleicht keine Auswahl treffen: «Wenn es günstiger ist, einfach alle Fotos auf der Festplatte zu belassen, werden wir uns die Arbeit sparen.»

Hinweis in eigener Sache: zentralplus zeigt in der Rubrik «Fundstücke» regelmässig Bilder von Fotodok.

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