Manuela Jost spricht von Missverständnis

Gnadenfrist für die Mieter des Luzerner «Eichwäldli»

Was sie wohl vorhat? Das Eichwäldli ist eine weitere politische Knacknuss für Stadträtin und Baudirektorin Mauela Jost (GLP).

(Bild: Bildmontage bic)

Die Bewohner des Luzerner «Eichwäldli» können bis Ende Jahr im Haus bleiben. Vielleicht wird die Liegenschaft mittelfristig auch wieder bewohnt. Ob die jetzigen Mieter wieder einziehen können, sollte das Haus saniert werden, ist aber nicht sicher – denn es gibt auch andere Interessenten für die Liegenschaft.

Seit Sommer leben acht Personen, darunter ein Kleinkind, in der ehemaligen Soldatenstube an der Murmattstrasse 2 beim Luzerner Eichwald. Die Liegenschaft ist im Besitz der Stadt Luzern. Diese hat den Bewohnern das Haus per Mietvertrag bis zum 31. Dezember überlassen. Bewohnt ist das Haus seit gut zehn Jahren.

Doch nun scheint das bisher friedlich und äusserst erfreulich verlaufene Mietverhältnis ein unschönes Ende zu nehmen. Denn am letzten Montag erhielten die Bewohner unverhofft Besuch von Beamten der städtischen Baudirektion.

Völlig überrumpelt

Die Botschaft, die sie mitbrachten, hatte es in sich. Die Mitarbeiter der Stadt legten den Bewohnerinnen ein Gutachten vor, welches das Gebäude als instabil und deshalb als zu gefährlich einstuft. Deshalb hätten die Mieter das Haus am nächsten Morgen zu verlassen. Alle Bewohner sollten sich damit einverstanden erklären und den Brief unterzeichnen.

Die Mieter wurden damit jedoch völlig überrumpelt, wie sie betonen. Es seien nicht mal alle Mieterinnen da gewesen, sagte Andreas, ein Bewohner des Hauses gegenüber dem Magazin «ajour», das sich selber als anarchistisch und kommunistisch bezeichnet. Wie solle man der Stadt antworten, wenn die Sache nicht miteinander besprochen werden kann?

Wo sollen wir hingehen?

Die grosse Frage, welche die Mieter umtreibt: Wie sollen sie mitten im Dezember, kurz vor Weihnachten, auf die Schnelle eine Bleibe finden? Die Stadt habe ihnen diesbezüglich jedenfalls keine Hilfe geschweige denn vorübergehende Alternativen angeboten, sagen die Mieter. Weiter gebe ihnen die Stadt lediglich einen Tag Zeit, die Liegenschaft zu räumen.

«Wir haben den Verdacht, dass sie uns präventiv und pauschal kriminalisieren wollen.» Wenn man es nämlich jetzt nicht schaffe, rechtzeitig zu gehen, könnte man mit der Polizei drohen. Dann seien sie die Kriminellen, wegen denen die Polizei kommen musste, sagte Andrea, ein anderer Hausbewohner und Vater des Kleinkindes.

«Die jüngste Expertise ist rein fachlicher Natur.»

Manuela Jost, Stadträtin (GLP)

Apropos Kinder: Für sie führten die Hausbewohner regelmässig Veranstaltungen wie Zaubershows oder Ähnliches durch. Aber auch den Grossen wurde immer wieder etwas geboten. So spielte vor zwei Wochen zum Beispiel der international bekannte Musiker «Faber» mit seiner Band im Gebäude – vor rund 200 begeisterten Zuhörern. 

Doch solche Events seien ab sofort zu unterlassen, verlangt die Stadt. Denn zu viele Leute gefährdeten die Statik des Hauses. Auch während der Räumung dürfen nur maximal zwei Leute auf einmal ins Haus.

IG Industriestrasse äussert scharfe Kritik

Sukkurs erhalten die Eichwäldli-Bewohner derweil von der IG Industriestrasse. «Die IG Industriestrasse verurteilt das jüngste Vorgehen im Zusammenhang mit dem Eichwäldli», heisst es in einer Mitteilung. Es gebe gemäss Analysen keinen Grund, dass das Haus noch vor dem Ende des Mietvertrages verlassen werden muss.

Zudem fordert die IG, dass die Stadt mit den Hausbewohnern grundsätzlich über eine Verlängerung des Mietvertrages verhandelt. «Wir sind überzeugt, dass das öffentliche Interesse an günstigem Wohnraum höher zu gewichten ist als das Interesse an einem Materialraum für die Stadtgärtnerei und das Strasseninspektorat.»

Denn in der Stadt gebe es nach wie vor einen hohen Bedarf an bezahlbarem Wohnraum. Deshalb sei es «unverständlich, dass der Stadtrat überhaupt kein Interesse am Erhalt des Eichwäldli zeigt», so die IG. Zumal es sich um ein schützenswertes Kulturobjekt handle, das sich auch im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz befinde.

Stadt kann niemanden zwingen

Die Bewohner haben das Haus auch vier Tage später noch nicht verlassen, wie vom Eichwald zu vernehmen ist. Wird die Stadt nun also eingreifen? «Der Mietvertrag läuft bis Ende Jahr. Diesen werden wir einhalten und so lange können die Bewohnerinnen und Bewohner das Haus normal nutzen», sagt Baudirektorin Manuela Jost (GLP).

Events mit vielen Menschen dürfen ab sofort allerdings nicht mehr durchgeführt werden. «Die Mieter haben uns gesagt, dass sie sich an diese Aufforderung halten werden», sagt Jost. Sie sei diesbezüglich zuversichtlich. Die Massnahme sei aufgrund des Zustandes des Hauses unumgänglich. «Ein weiteres Zuwarten könnten wir nicht verantworten», so die Stadträtin.

Zudem habe sich die Aufforderung, das Haus umgehend zu verlassen, allein aus den Empfehlungen unabhängiger Experten ergeben. «Die jüngste Expertise ist rein fachlicher Natur, die den Schluss nahelegt, die Wohnnutzung so schnell wie möglich zu beenden», sagt Jost. «Dies wurde möglicherweise nicht in dem Sinne verstanden, dass es sich um eine vorsorgliche Massnahme zur Sicherheit der Besucher handelt», so Jost. Will heissen: Es handelt sich um eine Empfehlung und nicht um eine Anordnung.

Jost sucht den Dialog

Die Baudirektorin geht weiter davon aus, dass die vereinbarte Schlüsselübergabe am 3. Januar erfolgen wird. Und auch was «die nahe Zukunft einer solchen Quartierbelebung» betrifft, zeigt sie sich gesprächsbereit.

«Wir müssen das Haus nach dem Auszug der Bewohner zuerst stabilisieren. «Ob sich die Soldatenstube mit vernünftigem Aufwand wird sanieren lassen, wird eine Studie ergeben, die der Kanton und die Stadt in Auftrag gegeben haben.» Mit den Ergebnissen kann im Frühjahr 2019 gerechnet werden.

«Bis zum Vorliegen der Studie können wir keinen Interessenten an der Soldatenstube irgendwelche Nutzungsmöglichkeiten in Aussicht stellen», sagt Jost. Es scheint, dass nicht nur die jetzigen Bewohnerinnen das Haus gerne weiterhin nutzen möchten. Wer also ins Gebäude einziehen wird und wie es künftig genutzt wird, sollte es saniert werden, wird sich zeigen.

Den Vorwurf, die Stadt würde das Haus nun als Lagerraum für Werkzeuge und Maschinen nutzen, nimmt Jost zur Kenntnis. Sie stellt jedoch klar, dass diese Nutzung gemäss unabhängiger Expertisen zurzeit die einzige vertretbare ist.

«Während der Zeit, in der das Gebäude wegen der Abklärungen nicht von Privaten genutzt werden kann, ist es sinnvoll, das Haus für eine städtische Nutzung zu gebrauchen statt es einfach leerstehen zu lassen», sagt Jost.

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